ABD0025_20210319 – WIEN – …STERREICH: ++ THEMENBILD ++ Eine Regenbogenfahne an der Pfarrkirche Breitenfeld, aufgenommen am Freitag, 19. MŠrz 2021, in Wien. Nach dem Nein der vatikanischen Glaubenskongregation zur Segnung homosexueller Partnerschaften gibt es Kritik daran in …sterreich, Italien und anderen LŠndern Europas. – FOTO: APA/HERBERT NEUBAUER
APA/Herbert Neubauer
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Römisch-katholisch

Das Kreuz mit der Homosexualität

Die römisch-katholische Kirche hat ihre Schwierigkeiten mit Sexualität, besonders mit Homosexualität. Häufig wird als Begründung auf die Bibel verwiesen. Dabei werde jedoch der historische Kontext der Stellen häufig ignoriert, sagt die Theologin Ilse Müllner im Gespräch mit religion.ORF.at.

Die ARD-Dokumentation „Wie Gott uns schuf“ und das Outing von 125 queeren kirchlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in Deutschland sorgte dieser Tage für Aufregung. In dem vergangenen Montag erstmals ausgestrahlten Film erzählen Menschen, die sich als nicht-heterosexuell identifizieren, vom Kampf um ihre Kirche. Befürworterinnen und Befürworter, wie etwa Franz Harant, Vorsitzender der Regenbogenpastoral Österreich, sehen darin einen „wichtigen Einsatz für ein Klima der Angstfreiheit in der Kirche“.

Eine solche Positionierung ist innerkirchlich nicht selbstverständlich. Erst im vergangenen Jahr hatte der Vatikan die Segnung homosexueller Verbindungen abgelehnt. In Italien protestierte er gegen ein Gesetz zum Schutz von Homosexuellen. Man verwies dabei auf die Bibel. Schon sie würde Homosexualität ablehnen, sei sie doch „dem Herrn ein Gräuel“. Eine Argumentation, die innerkirchlich höchst umstritten ist. Denn die Bibel würde Homosexualität, wie sie heute verstanden wird, gar nicht thematisieren, sagt die Theologin Ilse Müllner.

Gewalt und Erniedrigung

Gerade die Bibelstellen, die häufig gegen Homosexualität ins Feld geführt würden, würden von ganz anderen Dingen berichten, erklärt Müllner. So etwa in Genesis oder dem Richterbuch. Beide erzählen davon, dass eine Gruppe von Männern die Herausgabe anderer fremder Männer fordert. Mit dem Ziel den Geschlechtsakt mit ihnen zu vollziehen. Müllner: „Beides sind Gewaltgeschichten, in denen es darum geht, Männer mithilfe von Sexualität zu demütigen und Macht zu demonstrieren“. Die machtvollen Formen von Sexualität seien es auch, die im Neuen Testament verurteilt würden.

„Das wäre ein Gräuel“

Zudem sei in der Antike Sexualität noch nicht als abgegrenzter Lebensbereich in den Blick geraten, sagt Müllner. Sie sei immer nur in konkreten gesellschaftlichen Zusammenhängen betrachtet worden. Als Beispiel hierfür verweist Müllner auf den biblischen Rechtstext Levitikus, in dem verschiedenste sexuelle Praktiken verurteilt werden.

In Diskussionen um Homosexualität werde häufig auf Lev 18,22 verwiesen: „Du darfst nicht mit einem Mann schlafen, wie man mit einer Frau schläft; das wäre ein Gräuel.“ Zur Debatte stehe hier aber nicht die auf Dauer angelegte homosexuelle Beziehung. Ziel des Textes sei es vielmehr, sexuelle Handlungen so zu regeln, dass möglichst viele Nachkommen gezeugt werden können, erklärt Müllner. Daher werde in diesem Text auch der Geschlechtsverkehr mit einer menstruierenden Frau verurteilt.

Sex – mehr als Kinderzeugen

Problematisch sei, dass bis heute in manchen kirchlichen Kreisen nur diese naturrechtliche Dimension von Sexualität beachtet werde, kritisiert der Theologe Gerhard Marschütz. Das heißt, dass man Sexualität immer nur und ausschließlich in Hinblick auf Fortpflanzung versteht. Dabei zeige schon ein Blick in die Bibel, dass Sexualität durchaus verschiedene Dimensionen habe. Gerade die Bibel sei höchst sensibel dafür, „dass etwa Sexualität keine machtfreie Zone ist“, sagt Müllner.

Gleichzeitig berichtet die Bibel selbstverständlich von gleichgeschlechtlichen Lebens– und Liebesbeziehungen. Müllner verweist etwa auf das Buch Ruth oder die Totenklage König Davids um Jonathan, wo es heißt: „Wunderbarer war deine Liebe für mich als die Liebe von Frauen.“

„Elemente des Wandels“

Mit Blick auf die Debatten über Sexualität ganz generell hofft Müllner auf mehr Diskursfähigkeit in den Kirchen. „Elemente des Wandels“ sieht sie gegeben: „Ich sehe auch, dass sich seit dem Pontifikat von Papst Franziskus die Gesprächskultur in unserer Kirche ändert. Das ist für mich ein ganz wichtiges Element.“

Dem stimmt auch Marschütz zu. Gleichzeitig verweist er darauf, dass der Papst die „personale Würdigung jedes einzelnen Menschen und damit auch von homosexuellen Personen stärker in die Dimension der Lehre der Kirche einbringen“ müsse. Das würde er bisher nicht tun, vielmehr bliebe es bei „Gelegenheitsaussagen.“

Homosexualität als „objektiv ungeordnete Neigung“

Die römisch-katholische Kirche betone, dass homosexuellen Menschen mit Achtung begegnet werden müsse. Gleichzeitig aber würde in lehramtlichen Texten die „homosexuelle Neigung immer noch als objektiv ungeordnet“ verurteilt. Für Marschütz zeigt sich darin ein Grundproblem der Kirche. Mit Verweis auf „sakramentale Vorgaben“ versuche sie zu rechtfertigen, dass sie nach innen hin den menschenrechtlichen Diskurs anders interpretieren könne, als das in der säkularen Gesellschaft üblich ist.

„Und da sind gewisse Grenzen erreicht“, sagt Marschütz. Durch das Outing der 125 Personen in „Wie Gott uns schuf“ („#OutInChurch“) sei dies deutlich aufgezeigt worden. Und so müsse sich die Kirche die Frage stellen: „Ob sie noch Kirche in der Welt von heute sein möchte oder ob sie sich nur mehr gegenüber der Welt positionieren möchte, wenn sie in solchen fundamentalen Fragen von Menschenwürde und Menschenrechten diese Dissonanz ganz bewusst in Kauf nimmt“, so Marschütz.