Vatikan

Kinderschutzexperte für Missbrauchsstudie in Italien

Der Berater von Papst Franziskus in Missbrauchsfragen, Hans Zollner, hat sich für eine systematische Untersuchung von Kindesmissbrauch in der römisch-katholischen Kirche in Italien ausgesprochen. Für mehrere andere Länder gibt es bereits Studien.

„Weltweit wurden in den letzten 75 Jahren drei bis fünf Prozent der Priester des Missbrauchs beschuldigt“, sagte der deutsche Priester der Nachrichtenagentur AFP. „Wir glauben, dass die Zahlen in Italien vergleichbar sind.“

Obwohl die Kirche auch in Italien an Bedeutung verliert, ist ihr Einfluss nach wie vor groß. Unter den italienischen Katholiken „behaupten einige religiöse Führer und Laien, dass das Problem des sexuellen Missbrauchs auf Mitteleuropa oder Nordamerika beschränkt ist“, sagte Zoller weiter. „Aber das ist nicht der Fall“. Auch in Italien gebe es „höchstwahrscheinlich Priester, die Missbrauch begangen haben und unbehelligt weiterleben“.

Zollner: Wenig Interesse an Untersuchung

Die italienische Opferorganisation „L’Abuso“ hat in den vergangenen 15 Jahren mehr als 300 der insgesamt 50.000 Priester in dem Land des Missbrauchs beschuldigt. Zollner erklärte, dass es in Italien unmöglich sei, „genaue Zahlen“ zu erhalten, da es keine „unabhängigen Berichte“ gebe, wie beispielsweise in Frankreich oder Deutschland. In München war kürzlich ein Gutachten veröffentlicht worden, in dem schwere Vorwürfe gegen den emeritierten Papst Benedikt XVI. im Umgang mit Missbrauchsfällen erhoben werden.

Hans Zollner
APA/AFP/Gabriel Bouys
Der vatikanische Kinderschutzexperte Hans Zollner

Während die Untersuchungen in anderen Ländern erst durch großen Druck der Medien und der Zivilgesellschaft erzwungen wurden, hat in Italien laut Zollner „niemand wirklich ein Interesse daran, die Büchse der Pandora zu öffnen und der Situation ins Auge zu sehen“. Jüngst gebe es bei den italienischen Kirchenoberen allerdings einige „Zeichen“, die auf einen Sinneswandel hindeuteten, sagte er.

Diözesane Beratungsstellen

Die italienische Bischofskonferenz setzt bislang lokale Beratungsstellen auf Diözesanebene ein, was nach Ansicht der Opfer nicht ausreicht. Sie fordern eine unabhängige Kommission und ein schnelleres Handeln bei Verdachtsfällen.

Zollner zufolge ist es „schwierig, den Missbrauch zu leugnen“. Einige betrachteten die Berichte jedoch als „Angriff auf die Kirche oder halten sie für übertrieben“. Die Kirche müsse „einen gewissen Korpsgeist überwinden, der dazu neigt, zuerst die Institution zu schützen“.

Der Jesuit Zollner ist Mitglied der Kinderschutzkommission im Vatikan und leitet das Zentrum für den Schutz von Minderjährigen an der Päpstlichen Universität Gregoriana.