Blick auf den Salzburger Dom und die Diözese
APA/Barbara Gindl
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Arbeitsrecht

Queer und wiederverheiratet im Kirchendienst

Das Outing von wiederverheirateten und LGBTIQ-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern römisch-katholischer Institutionen hat in Deutschland Wellen geschlagen. Dort wird gefordert, das kirchliche Arbeitsrecht zu reformieren. Auch in Österreich sind Religionsgesellschaften „Tendenzbetriebe“ und können eigene Regeln festlegen.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die – um beruflichen Konsequenzen bis hin zur Kündigung zu entgehen – geheim hielten, mit wem sie zusammen sind, welche sexuelle Orientierung sie haben oder dass sie nach einer Scheidung noch einmal geheiratet haben, meldeten sich im Jänner in Deutschland öffentlich zu Wort.

125 Priester, Ärztinnen und Ärzte, Lehrpersonal und Jugendverbandsmitarbeitende outeten sich über die Website „#OutInChurch“ als LGBTIQ beziehungsweise erneut verheiratet. Sie fordern, in der Kirche ohne Angst offen leben und arbeiten zu können sowie eine Änderung des kirchlichen Arbeitsrechts. Dieser Forderung schlossen sich danach ranghohe Kirchenfunktionäre an.

Kirchlicher „Tendenzschutz“

Die römisch-katholische Kirche anerkennt grundsätzlich nur eine kirchlich geschlossene Ehe zwischen Frau und Mann mit der potenziellen Möglichkeit, Kinder zu bekommen. Als „Tendenzbetrieb“ kann die Kirche (wie auch alle anderen gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaften) eigene arbeitsrechtliche Bestimmungen festlegen, die auch die Lebensführung der Mitarbeitenden betreffen können. Eine Lebensform, die nicht mit der kirchlichen Lehre übereinstimmt, steht also unter Umständen einem Beschäftigungsverhältnis im Weg. In Deutschland sind davon auch Mitarbeitende von z. B. der Caritas und Ordensspitälern erfasst.

In Österreich beschränkt sich der „Tendenzschutz“ auf Tätigkeiten im Verkündigungsdienst. Das sind im Wesentlichen die Seelsorge (Priester, Pastoralassistentinnen und -assistenten sowie Diakone) und der Religionsunterricht. Wobei bei Priestern durch den Zölibat ein enthaltsames Leben vorgeschrieben ist – unabhängig von der sexuellen Orientierung.

Die Diskussion ist auch eine Abwägungsfrage zwischen Religionsfreiheit und Arbeitsrecht. Die Religionsfreiheit garantiert Religionsgemeinschaften, ihre inneren Angelegenheiten selbst regeln zu können, wozu auch die Personalwahl gehört. Zugleich fordert das Arbeitsrecht Gleichbehandlung, was auch für die Kirche als Arbeitgeberin gilt.

Sprecher: „Sexuelle Orientierung an sich kein Thema“

Im römisch-katholischen Verkündigungsdienst sollen nach dem Kirchenrecht mitarbeitende Personen mit ihrer Lebensführung ein Zeugnis für die katholische Lehre geben, so Michael Prüller, Pressesprecher der Erzdiözese Wien, auf Anfrage von religion.ORF.at. Gleiches gelte für besonders exponierte Leitungsfunktionen einer kirchlichen Einrichtung (z. B. die Caritas-Präsidentschaft).

Bei Beschäftigten in kirchlichen Einrichtungen, aber ohne Verkündigungsdienst, ist laut Prüller „die sexuelle Orientierung an sich kein Thema und wird bei einer Anstellung auch nicht abgefragt“. In den meisten Fällen stehe in Österreich auch eine gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft oder eine erneute Heirat nach Scheidung einer kirchlichen Beschäftigung „nicht prinzipiell im Weg“.

Individuelle Lösungen

Aufgrund der unterschiedlichen konkreten Situationen werde versucht, in jedem einzelnen Fall individuell „die gerechteste Lösung zu finden, die auch eine Weiterbeschäftigung sein kann“, so Prüller. Wichtig sei, dass die Lebensführung insgesamt – bis auf den einen privaten Punkt – mit der Lehre der Kirche zusammenpasst.

Seitens der österreichischen Bischofskonferenz gibt es keine einheitlichen Regelungen. Paul Wuthe, Pressesprecher der Bischofskonferenz, sprach ebenfalls von individuellen Lösungen, die in den Diözesen gefunden würden. Unter anderem in der Diözese Graz-Seckau und in der Diözese Linz gibt es LGTBIQ-Personen im kirchlichen Dienst.

Zur Sicht von Betroffenen

Eine davon ist Katharina, die 2020 ihre langjährige Partnerin geheiratet und das auch öffentlich gemacht hat. „Verstecken war keine Option“, sagte sie im Gespräch mit religion.ORF.at. In ihrem unmittelbaren Arbeitsumfeld habe sie keine Ablehnung erfahren. Im Gegenteil, sie sei von allen Kolleginnen, Kollegen und Vorgesetzten in der Diözese unterstützt worden.

Es hänge viel von den Personen in den leitenden Funktionen ab, welcher Wind gleichgeschlechtlich Liebenden entgegen weht, sagt sie. Dass sich ihre berufliche Situation daher auch ändern könnte, ist ihr bewusst. Da das Thema LGBTIQ im kirchlichen Bereich auch im 21. Jahrhundert noch heikel ist, wird hier auf Details zu Person und Anstellung nicht näher eingegangen.

Sexualität nirgends so Thema wie in der Kirche

Christina Repolust, 29 Jahre im Seelsorgeamt der Erzdiözese Salzburg tätig, heiratete 1998 ein zweites Mal. Das sei damals noch nicht so selbstverständlich gewesen wie heute. Aber auch sie hatte in ihrem Arbeitsumfeld keine negativen Reaktionen, bzw. sei es „nie Thema“ gewesen. Eine höhere Position hätte sie allerdings nicht bekommen, vermutet sie. Das habe sie aber ohnehin nicht angestrebt.

Zur Thematik LGBTIQ oder zweite Ehe in der römisch-katholischen Kirche meint sie, dass in keiner anderen Organisation oder Einrichtung die Sexualität der Mitarbeitenden eine derart große Rolle spiele. Dabei gehe es doch um die Menschen und die sexuelle Orientierung sei doch völlig unerheblich, so Repolust.

Regenbogenpastoral: Keine Kündigungen bekannt

Auch der Leiter der Regenbogenpastoral, Franz Harant, bestätigte gegenüber religion.ORF.at Einzelfalllösungen. Die Regenbogenpastoral begleitet LGBTIQ-Gläubige seelsorglich und setzt sich dafür ein, dass Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Intersexuelle und Queere „in der römisch-katholischen Kirche willkommen sind und von dieser in ihrer Lebens- und Liebensweise akzeptiert werden“, so die Homepage von Harant.

Bezüglich der Arbeitsverhältnisse im kirchlichen Kontext sagte er zu religion.ORF.at, er wisse von Homosexuellen und Wiederverheirateten im kirchlichen Dienst – geoutet und nicht geoutet. Ihm sei nicht bekannt, dass jemand wegen seiner oder ihrer Lebensweise gekündigt worden sei. Harant hatte im Jänner die Initiative „#InOutChurch“ begrüßt: „Es ist höchste Zeit, dass die römisch-katholische Kirche ihre Lehre zur Sexualität konstruktiv ändert und auf aktuelle theologisch-wissenschaftliche sowie humanwissenschaftliche Erkenntnisse aufbaut.“

„Betriebe mit besonderer Zweckbestimmung“

Religionsgesellschaften gelten in Österreich neben Theaterunternehmen, der Nationalbank, dem ORF und Verwaltungsstellen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts als „Betriebe mit besonderer Zweckbestimmung“.

Das heißt, sie sind „Unternehmen und Betriebe, die unmittelbar politischen, koalitionspolitischen, konfessionellen, wissenschaftlichen, erzieherischen oder karitativen Zwecken oder Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung dienen“ (Paragraf 132 Abs 1 und 2 des Arbeitsverfassungsrechts (ArbVG) und dürfen besondere Kriterien bei der Beschäftigung geltend machen.