Lobau

Religionsvertreter rufen zu Dialog über Stadtstraße auf

28 Religionsvertreterinnen und -Vertreter sowie wissenschaftliches Personal fordern, in Bezug auf die geplante Wiener Lobau-Stadtstraße einen Dialog und einen Kompromiss. Man stehe an einem klimapolitischen Wendepunkt: Entweder „Weiter-So oder transformativer Wandel“.

„Wir rufen die Wiener Stadtregierung eindringlich auf, gegenüber der Klimaschutzbewegung der jungen Generation den Weg des Dialogs einzuschlagen, der allein geeignet ist, eine weitere Eskalation zu vermeiden, und mit einer sachgemäßen Änderung des Straßenbauprojekts ein ermutigendes Signal einer lern- und zukunftsfähigen Politik zu setzen, das weit über Wien hinaus ausstrahlen würde“, heißt es in einem offenen Brief am Mittwoch.

Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner schreiben, die Bilder und Nachrichten von der polizeilichen Räumung der besetzten Baustelle der geplanten vierspurigen Stadtstraße Anfang Februar hätten sie „erschüttert“ und erklären ihre „Solidarität mit den jungen Klimaschützerinnen und Klimaschützern, die sich anhand des Straßenbaugroßprojekts vor dem Hintergrund des Klimanotstands geradezu mit dem Mut der Verzweiflung für die dringend notwendige Mobilitätswende engagieren“.

„Öffentliches Bewusstsein geschärft“

Sie sprechen den jungen Menschen ihre Anerkennung und ihren Dank aus „für ihren persönlichen Einsatz für eine entschlossene Transformation in Richtung Nachhaltigkeit und Klimaneutralität“. Ihr Engagement habe „das öffentliche Bewusstsein für die Bedeutung der gegenwärtigen Weichenstelllungen im Verkehrsbereich in den letzten Monaten geschärft“.

Eine junge Frau mit Maske hält ein Schild mit der Aufschrift „Stopp die Stadtstraße Aspern“
APA/Tobias Steinmaurer
Seit Sommer 2021 haben vorwiegend junge Umweltaktivistinnen und -aktivisten gegen den Bau der Stadtstraße protestiert, Anfang Februar wurde der Protest von der Polizei aufgelöst

Bei den Unterzeichnenden sind von religiösen Institutionen der Bischof der serbisch-Orthodoxen Diözese von Österreich und der Schweiz, Andrej Cilerdzic, Markus Gerhartinger, im Namen der Konferenz der katholischen und evangelischen Umweltbeauftragten Österreichs, Anja Appel, Leiterin der Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission, Franziska Berdich, Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung der Erzdiözese Wien und Reinhard Bödenauer, Präsident der Katholischen Aktion der ED Wien, vertreten.

Es können nicht sein, dass mit gutem Willen keine alternativen Lösungen für die geplanten Straßenbauprojekte in der Donaustadt gefunden werden könnten, „die die neuen, geänderten Umstände berücksichtigen – vor allem die Dringlichkeit der Klimakrise und die Notwendigkeit eines transformativen Wandels gerade in den Bereichen Verkehr, Artenschutz und Flächenverbrauch“.

„Überholtes Konzept“ fallenlassen

Anstatt ein überholtes Konzept mit der Brechstange durchzusetzen, müsse es möglich sein, in Zusammenarbeit mit der Verkehrswissenschaft einen neuen Anlauf zu nehmen und eine Verkehrslösung zu entwickeln, bei der die neuen Klimaziele, auf die sich die Stadt Wien selbst verpflichtet habe, ernstgenommen werden. Neben Religionsvertretern haben den Brief Verkehrsplaner, Kulturschaffende und wissenschaftliches Personal unterschrieben. Sie erinnern, an das Ziel, dass bis 2030 in Wien statt 27 Prozent nur mehr 15 Prozent der Wege mit dem Auto zurückgelegt werden und Wien bis 2040 klimaneutral ist.

„Wir wollen nicht glauben, dass kein Kompromiss möglich ist. Kompromisse sind für das soziale Leben unverzichtbar und gehören essenziell zur Demokratie“. Ein Kompromiss, eine Kursänderung sei keine Kapitulation, sondern ein Zeichen von Stärke und Größe, mit der die Stadtregierung das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit ihrer Klimapolitik zurückgewinnen könnte.

Protestcamp geräumt

Die von vorwiegend jungen Umweltaktivistinnen und -aktivisten seit Sommer 2021 besetzte Stadtstraßen-Baustelle in der Wiener Donaustadt war am 1. Februar 2022 durch die Polizei geräumt worden, nachdem sowohl die protestierenden Umweltschützerinnen und Umweltschützer als auch die Stadt Wien einander mangelnde Gesprächsbereitschaft vorgeworfen hatten.

Auf Twitter verteidigte der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) das Vorgehen. Die Stadtstraße in der Wiener Donaustadt sei essenziell, da sich ansonsten leistbarer Wohnraum in Wien verknappen würde und ein großes Stadtentwicklungsgebiet ein „gut ausgebaute, höherrangige Straße“ benötige.