Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I.
APA/AFP/Sputnik/Mikhail Metzel
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Moskau

Patriarch: Gegner Russlands „Kräfte des Bösen“

Das Oberhaupt der Russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kyrill I., hat einmal mehr implizit seine Unterstützung für den Angriff Russlands auf die Ukraine bekundet. Den russischen Angriff auf die Ukraine kritisierte er nicht. Das Kirchenoberhaupt der Orthodoxen Kirche der Ukraine, Epifanij, verglich indessen Putin mit Hitler.

In seiner Predigt bei einem Sonntagsgottesdienst in Moskau sprach Kyrill I. von äußeren „bösen Kräften“, die nicht nur Russland, sondern die ganze „Rus“ bedrohen würden. Der Patriarch verwendete mit „Rus“ einen Begriff, der auf die ethnokulturelle und kirchliche Einheit von Russland, Belarus und Ukraine anspielt.

Wörtlich sagte der Patriarch: „Gott bewahre, dass die gegenwärtige politische Situation in der uns nahen brüderlichen Ukraine darauf abzielt, dass die bösen Mächte, die immer gegen die Einheit der Rus und der russischen Kirche gekämpft haben, die Oberhand gewinnen.“ Das Unterpfand dieser Einheit der Rus sei die russisch-orthodoxe Kirche.

„Feindliche äußere Kräfte“

„Möge der Herr unsere Kirche in Einheit bewahren“, so Kyrill, der darauf anspielte, dass es in der Ukraine zwei orthodoxe Kirchen gibt: die von Metropolit Onufrij (Berezovskij) geleitete Ukrainisch-orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats (UOK-MP) und die eigenständige Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU) mit Metropolit Epifanij (Dumenko) an der Spitze.

Kyrill fügte hinzu: „Möge der Herr die Völker, die Teil des einheitlichen Raums der russisch-orthodoxen Kirche sind, vor mörderischen Kriegen schützen. Wir dürfen uns nicht von dunklen und feindlichen äußeren Kräften auslachen lassen, wir müssen alles tun, um den Frieden zwischen unseren Völkern aufrechtzuerhalten und gleichzeitig unser gemeinsames historisches Vaterland vor allen äußeren Einwirkungen zu schützen, die diese Einheit zerstören können.“ Zudem rief er die Gläubigen auf, für den Frieden und für die Einheit zu beten.

„Keine Entschuldigung für Krieg“

Die grundsätzlich russlandfreundliche UOK-MP hat allerdings schon vergangene Woche den russischen Präsidenten Wladimir Putin aufgerufen, den Angriff einzustellen. Für einen solchen Krieg gebe es keine Entschuldigung, weder vor Gott noch vor den Menschen, so Onufrij. In einer am Montag veröffentlichten Erklärung bekräftigte die Kirchenleitung, der Heilige Synod, die „staatliche Souveränität und territoriale Integrität“ der Ukraine und appellierte an den Moskauer Patriarchen Kyrill I., die unverzügliche Einstellung der Feindseligkeiten einzufordern.

„Wir bitten Sie, unsere Gebete für das leidgeprüfte ukrainische Volk zu verstärken, Ihr hochpriesterliches Wort zu sprechen, damit das brudermörderische Blutvergießen auf ukrainischem Boden aufhört, und die Führung der Russischen Föderation aufzufordern, die Feindseligkeiten, die sich bereits zu einem Weltkrieg auszuweiten drohen, unverzüglich einzustellen.“ Auch an den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und den Kreml-Chef Putin appellierte die Kirchenleitung: „Wenn das Blutvergießen unvermindert anhält, könnte die Kluft zwischen unseren Völkern für immer bestehen bleiben.“

Unterstützung zugesagt

Den Menschen in der Ukraine sicherte die UOK-MP ihre Unterstützung zu. Ihre Kirchen und Klöster würden Hilfe für Flüchtlinge und andere Notleidende des Krieges leisten und ihre Türen rund um die Uhr für Schutzsuchende vor Beschuss öffnen. An das ukrainische Volk gewandt äußert die Kirche zudem die Hoffnung, „dass die Vernunft siegt und dieser Krieg bald beendet wird“. Die Menschen sollten einander helfen und sich nicht zu Feindseligkeiten provozieren lassen.

Auch Metropolit Epifanij, Oberhaupt der OKU hat in einer Botschaft am Sonntag zur kirchlichen Einheit im Land aufgerufen. Immer mehr Geistliche und Gläubige der UOK-MP hätten das wahre Wesen der russisch-orthodoxen Kirche und ihres Oberhaupts Patriarch Kyrill erkannt und würden treu zur Ukraine und deren Verteidigung stehen. Er sei überzeugt, so Epifanij, „dass sich viele Hierarchen, Priester und Laien des Moskauer Patriarchats bereits nach ihrer Zukunft fragen, die sie nicht mit dem diskreditierten Patriarchen Kyrill in Verbindung bringen“.

Aufruf zur Rückführung der Gefallenen

Epifanij forderte in seiner Botschaft vom Sonntag Patriarch Kyrill auch dazu auf, die Russisch-orthodoxe Kirche möge sich um die Bergung und Überführung der in der Ukraine gefallenen russischen Soldaten kümmern. 3.000 Angehörige der russischen Armee seien bereits verstorben, sagte der Primas.

„Wenn Sie schon nicht Ihre Stimme gegen die Aggression erheben können, dann helfen Sie wenigstens mit, die Leichen der russischen Soldaten zu bergen, die für die Ideen der ‚russischen Welt‘ – Ihre und die Ihres Präsidenten – mit ihrem Leben bezahlt haben“, so das Oberhaupt der „Orthodoxen Kirche der Ukraine“. Kyrill darüber hinaus etwas für den Beitrag zum Frieden zu bitten sei „momentan sinnlos“.

Laut dem Primas hat die ukrainische Staatsführung bereits an das Internationale Rote Kreuz appelliert, die Überführung der Leichen russischer Soldaten in ihr Heimatland zu ermöglichen, damit sich Verwandte und Freunde von ihnen verabschieden und sie bestatten können. Von russischer Seite sei dazu bisher keine Antwort eingegangen, stellte der Metropolit fest.

Atomare Bedrohung

Epifanij ging auch auf die atomaren Drohungen des russischen Präsidenten ein. Darin werde deutlich, dass nicht nur die Ukraine in Gefahr sei, sondern die ganze Welt. Wörtlich hielt der Metropolit fest: „Der Geist des Antichristen wirkt im Führer Russlands, dessen Zeichen uns die Schrift offenbart: Stolz, Hingabe an das Böse, Rücksichtslosigkeit, falsche Religiosität. Das war Hitler im Zweiten Weltkrieg. So ist Putin heute geworden.“ Deshalb sei es nicht nur die Aufgabe der Ukraine, sondern „aller Länder der Welt, aller Menschen guten Willens darin, Putin jetzt zu stoppen“.