Linz

Nach drei Jahren wieder Turmeremitin in Linzer Mariendom

395 Stufen führen in die rund 68 Meter hoch gelegene Einsamkeit der Türmerstube im Linzer Mariendom. Dort ist Birgit Kubik (51) am vergangenen Freitag als 268. Eremitin für sieben Tage eingezogen.

Damit erfährt das Erfolgsprojekt nach dreijähriger baustellenbedingter Pause aufgrund der Turmhelmsanierung der größten Kirche Österreichs seine Fortsetzung, berichtete die Medienstelle des Doms am Montag. Initiiert wurde das Projekt 2009, als Linz Kulturhauptstadt Europas war.

Für Kubik ist die Eremitinnenwoche ein Geschenk ihrer Familie zum 50. Geburtstag. „Die Aussicht auf diese Woche war während der vergangenen eineinhalb Jahre ein Anker für mich, ein Lichtblick“, erzählte die aus Enns stammende Mutter zweier Kinder, darunter ein autistischer Sohn. Ausschließlich Zeit für sich selbst zu haben, Lesen und in die Weite schauen zu können sei für sie ein Luxus. Sie wolle in dieser Woche „Energie und Zuversicht tanken“.

Interesse ungebrochen hoch

Das Interesse an der Turmeremitage ist ungebrochen hoch, berichtete Initiator Hubert Nitsch: „Einsamkeit ist ein zentrales Thema in unserer Gesellschaft – und Corona hat das natürlich in den vergangenen beiden Jahren noch verstärkt.“ Im herausfordernden Umgang mit Einsamkeitssituationen habe die Kirche große Erfahrung. Durch die spirituelle Begleitung werde der kirchliche Grundauftrag Seelsorge sichtbar, so der Leiter des diözesanen Kunstreferates.

Der Mariendom in Linz
APA/Barbara Gindl
Linzer Mariendom

Die Türmerstube war im Zweiten Weltkrieg eingebaut und als Beobachtungsposten genutzt worden, um etwaige Bombentreffer schneller lokalisieren und Hilfe koordinieren zu können. Als Eremitage adaptiert, steht der neun Quadratmeter große Raum nunmehr in der Fastenzeit und zu Ostern, im Juli und August sowie im Advent und zu Weihnachten jeweils von Freitag bis Freitag zur Verfügung. Die Teilnahme ist ab 18 Jahren möglich, unabhängig von Herkunft und religiöser Zugehörigkeit. Eine gewisse Grundkondition wird aufgrund der 395 Stufen vorausgesetzt.

Begegnung bei Mittagsgebet

Tägliche Treffen mit einer spirituellen Begleitperson und ein weitergegebenes Tagebuch strukturieren diese Woche. Einmal am Tag holen sich die Teilnehmenden in der Kirche ein warmes Mittagessen, sowie Abendessen und Frühstück für den Folgetag ab. Jeden Freitag kann man der Eremitin oder dem Eremiten beim Mittagsgebet im Mariendom begegnen. Eine Rekonstruktion der Eremitage finden Kirchenbesucher im Erdgeschoss der Kathedrale.

Das Projekt zeigt laut Nitsch mehrere „Wesenszüge von Kirche“ auf. Sie habe und verwalte Räume der Stille, die oft historisch gewachsen sind und eine Alternative bieten, die kaum jemand anderer habe. Ein Generationenvertrag werde in Form des Tagebuches sichtbar: „Wir stehen damit in einer Tradition, die in die Zukunft gerichtet ist.“ Das Signal, das Kirche damit aussende, sei wichtig für die Menschen, unabhängig von ihrer Konfession.