Papst Franziskus von oben auf einem roten Teppich
APA/AP/Andrew Medichini
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Ostkirchen

Stimmen zu möglicher Papst-Reise in die Ukraine

Die mögliche Reise des Papstes in die Ukraine löst unterschiedliche Reaktionen bei katholischen Geistlichen und Experten aus. Die Stimmen reichen von „unbedingt“ bis zu Skepsis.

Für eine Reise des Papstes nach Kiew braucht es nach Aussage von Kurienkardinal Michael Czerny zuerst notwendige Voraussetzungen für konkrete Friedensschritte. Dann erst könnte eine solche Initiative „große Resonanz haben“, sagte Czerny der italienischen Zeitung „Il Giornale“ (Dienstag). Das beträfe dann nicht nur die politische und militärische Lage, sondern auch den ökumenischen Dialog, so der Interimsleiter des vatikanischen Entwicklungsdikasteriums.

Die Bilder aus Kiews Vorort Butscha, wo mutmaßlich russische Soldaten massenhaft Zivilistinnen und Zivilisten ermordet haben, hätten ihn mit „Grauen, Verstörtheit und tiefer Niedergeschlagenheit darüber erfüllt, wie tief menschliche Niederträchtigkeit sein kann“. Auf die Frage, ob dies Völkermord sei, wollte Czerny nicht konkret antworten. Dies sei eine Frage internationalen Menschenrechts, die auch einem späteren Urteil der Geschichte zukomme. Wichtiger als spezielle Definitionen sei, dass aktuell jeder auf seinem Feld das tue, was möglich ist, um die Gewalt zu beenden.

Papst entsandte Kardinäle

Beeindruckt zeigte sich der tschechischstämmige Kurienkardinal von den Menschen, die an der ungarisch- sowie slowakisch-ukrainischen Grenze sich um Flüchtlinge kümmern. Diese seien „eine wahre Friedensarmee, die sich selber zu Willkommens- und Solidaritätsinitiativen mobilisiert“.

Papst Franziskus hatte die beiden Kurienkardinäle Czerny und den aus Polen stammenden Konrad Krajewski bereits zwei Mal in die Ukraine sowie nach Polen, Ungarn und die Slowakei geschickt. Sie sollten dort einerseits den Menschen die Solidarität des Papstes übermitteln, sich andererseits ein genaues Bild der Lage machen und mögliche weitere Hilfen koordinieren.

Ostkirchenexperte: Papst sollte in Ukraine reisen

Ein starkes Friedenszeichen wäre es, wenn Papst Franziskus jetzt nach Kiew reiste, um seine Solidarität mit den unter den Zerstörungen Leidenden und vom Krieg Flüchtenden auszudrücken, sagte der Ostkirchenexperte Dietmar Winkler im Interview mit der deutschen „Katholischen SonntagsZeitung“ (aktuelle Ausgabe).

Nach Kiew zu reisen entspräche durchaus dem Selbstverständnis von Papst Franziskus, „der weiß, an die Ränder der Gesellschaft zu gehen. Also nicht in den Patriarchenpalast nach Moskau, sondern zu den zerstörten Kirchen der Ukraine!“

Treffen mit Kyrill wäre „falsches Signal“

Ein persönliches Treffen von Papst Franziskus mit Patriarch Kyrill wäre nach Ansicht des Salzburger Ostkirchenexperten und Vorsitzenden der Salzburger Pro Oriente-Sektion hingegen zum gegebenen Zeitpunkt das falsche Signal. Moskau würde dies für sich und seine Kirchenpolitik vereinnahmen, zeigte sich Winkler überzeugt.

Das Verhalten von Patriarch Kyrill, werde von Tag zu Tag mit jeder Bombe und jedem Toten mehr unerträglicher, so Winkler: „Dies ist eine Pervertierung des Evangeliums und der Botschaft Jesu.“ Man werde erst dann zu einem ehrlichen theologischen Dialog zurückkehren können, wenn hier deutliche Worte gesprochen werden. Kyrill hatte zuletzt russische Soldaten zum Kampf aufgerufen.

„Rom muss Klartext sprechen“

Grundsätzlich sei es freilich notwendig, im Gespräch zu bleiben. „Wenn Gesprächsfäden abreißen, dann bleibt auch keine Möglichkeit mehr, auf das Moskauer Patriarchat einzuwirken“. Das letzte Online-Gespräch zwischen Papst Franziskus und Patriarch Kyrill hinterließ für den Theologen aber einen höchst schalen Beigeschmack: „Der seit Jahren äußerst vorsichtige Umgang Roms mit Moskau hat zur Folge, dass das russische Patriarchat den Vatikan stets für seine Interessen zu instrumentalisieren weiß.“

Papst Franziskus sei in seiner Verurteilung der völkerrechtswidrigen Aggression klar. Von Patriarch Kyrill, der mit der Politik Putins Hand in Hand geht, komme hingegen eine Rechtfertigung des Krieges gegen die Ukraine. Nun werde vom Moskauer Patriarchat aber verbreitet, „dass Franziskus und Kyrill die Lage in der Ukraine ähnlich bewerten. Das ist absurd.“ Nachsatz: „Rom wird mit Moskau wesentlich klarer sprechen müssen, das darf man auch von einem Dialog der Wahrheit erwarten.“

Unterschiedliche Meinungen unter Russisch-Orthodoxen

Vom Moskauer Patriarchat sei aus heutiger Sicht und aufgrund der bisherigen Erfahrungen der postbyzantinischen „Sinfonie von Staat und Kirche“ in Russland kein konkreter Schritt zu erwarten, der zur Beendigung des Krieges beiträgt, so Winkler. Auch sehe sich das Patriarchat nicht in der Verantwortung. Hier seien bei weiteren Gesprächen eindeutige Worte aus Rom vonnöten.

Winkler wies allerdings auch darauf hin, dass nicht die gesamte russisch-orthodoxe Kirche gleich zu beurteilen sei. Auch russisch-orthodoxe Gläubige und Gemeinden, und auch jener Teil der orthodoxen Kirche in der Ukraine, die zum Moskauer Patriarchat gehört, stellten sich klar gegen den Krieg und die russische Aggression.

Kritik an Moskauer Afrika-Politik

Kein gutes Haar ließ der Ostkirchenexperte auch an der Afrika-Politik des Moskauer Patriarchats. Moskau übe Druck auf jene orthodoxen Kirchen aus, die die autokephale ukrainisch-orthodoxe Kirche anerkannten. So habe man im vergangenen Dezember ein eigenes Exarchat und diözesane Strukturen in Afrika errichtet. Afrika sei aber seit der Antike das kanonische Territorium des Patriarchats von Alexandrien.

Offiziell begründe Moskau seinen Schritt allein damit, dass sich das Patriarchat von Alexandrien mit der Anerkennung der „schismatischen“ ukrainischen orthodoxen Kirche selbst ins Schisma begeben habe. Daher müsse man den Geistlichen und Gläubigen in Afrika rechtgläubige Strukturen schaffen, so Winkler: „Dass der Leiter des Moskauer Außenamtes, Metropolit Hilarion, Anfang Februar, als er eine Auszeichnung von Präsident Putin erhielt, in dessen Anwesenheit sagte, die Afrikaner benötigten die Hilfe Russlands, passt hier gut ins Bild obskurer Realitätskonstruktion.“

Kiewer Erzbischof: Papst sollte schnellstmöglich kommen

Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk von Kiew hofft auf einen möglichst baldigen Besuch des Papstes in der ukrainischen Hauptstadt. „Wir hoffen, dass Papst Franziskus so schnell wie möglich in die Ukraine kommt“, heißt es in einer Erklärung des Oberhaupts der ukrainisch-katholischen Kirche vom Montag.

Man arbeite daran, „sicherzustellen, dass der Besuch des Heiligen Vaters stattfindet“. Das katholische Kirchenoberhaupt werde in der Ukraine sehnlichst erwartet, wird Schewtschuk mit einer Aussage in einer Sendung des ukrainischen Fernsehens zitiert. Ein Besuch des Papstes „könnte eine Geste des Friedens sein“.

Papst wägt ab, was sinnvoll ist

Während seines Flugs nach Malta am Samstag hatte Franziskus erklärt, die Option, eine Einladung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nach Kiew anzunehmen, liege „auf dem Tisch“. Es sei aber nur eine von mehreren Möglichkeiten, präzisierte der Papst am Sonntag auf dem Rückflug nach Rom. Eine andere Option sei ein Besuch an der polnisch-ukrainischen Grenze.

Man müsse abwägen, ob solch ein Besuch derzeit sinnvoll und konstruktiv sei, so der Papst. „Ich weiß nicht, ob es machbar ist, ob es sinnvoll ist und es das Beste wäre“, sagte er vor Journalisten auf dem Rückflug. Es sei noch „alles in der Schwebe“, aber er wolle alles tun, was dem Frieden dient.