Inland

NGOs: Sozialhilfe-Verbesserungen gut, Gesamtreform nötig

Die katholische Caritas und die evangelische Diakonie haben die am Dienstag angekündigten Pläne der Bundesregierung zur Überarbeitung des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes begrüßt – mit Einschränkungen.

Diese Reparaturen seien überfällig gewesen, nachdem die Abschaffung der Mindestsicherung Alt unter der ÖVP-FPÖ-Regierung die Sozialhilfe als letztes Sicherungsnetz für Menschen massiv infrage gestellt habe, hieß es in einer Caritas-Aussendung am Dienstag.

„Die Abschaffung der Mindestsicherung war ein Fehler – mit teils dramatischen Folgen für die Betroffenen“, so Caritas-Präsident Michael Landau. Wenn es nun bei der Sozialhilfe Neu zu einigen Verbesserungen komme, sei das zu begrüßen. Klar sei aber auch: „Auch diese Korrekturen können eine Gesamtreform der Sozialhilfe Neu nicht ersetzen.“

„Problem mit Sozialhilfe Neu“

In den Caritas-Sozialberatungsstellen suchten vermehrt jene Personen um Hilfe an, die Leistungen aus der Sozialhilfe Neu oder Mindestsicherung beziehen, berichtete Landau: „Das zeigt ein strukturelles Problem in der Ausgestaltung der Sozialhilfe Neu auf. Fakt ist: Immer mehr Menschen können sich das Leben nicht mehr leisten.“

Caritas-Präsident Michael Landau
APA/Hans Punz
Caritas-Präsident Landau: „Wir sehen Armutssituationen, die wir seit Langem nicht mehr erlebt haben.“

Im dritten Jahr der Pandemie und mitten in der enormen Teuerungswelle werde die Not bei vielen Menschen größer und größer. Die Sozialhilfe reiche in ihrer derzeitigen Höhe schon lange nicht mehr aus, um ein existenzsicherndes Leben führen zu können. „Wir sehen Armutssituationen, die wir seit Langem nicht mehr erlebt haben. Das ist eines Sozialstaates unwürdig“, betonte der Caritas-Präsident.

Diakonie: Erster Schritt auf längerem Weg

Als „einen ersten Schritt auf einem längeren Weg zu einer effektiven Armutsbekämpfung“, bezeichnet die Diakonie die vorgestellten Reparaturen des Sozialhilfegesetzes. Die Härtefallklausel gebe den Ländern Spielraum, sie müssten diesen aber auch ergreifen, „das gilt besonders für Niederösterreich“, so eine Aussendung vom Dienstag.

Bei der Reparatur der Kürzungen betreuter Wohngemeinschaften sei darauf zu achten, „dass die Regelung offen formuliert ist, damit nicht wieder vulnerable Personen hinausfallen. Bei Krisenzuwendungen des Bundes sollte es eigentlich selbstverständlich sein, dass diese nicht zu Lasten der Betroffenen angerechnet werden“, so die Diakonie. „Das festzuhalten, ist aber offensichtlich notwendig.“ Die Abschaffung der Pflegegeldanrechnung sei ein Beitrag zu österreichweit einheitlichen Lösungen.

Einen lohnenden Weg effektiver Armutsbekämpfung habe man aber noch sich. „Denn weiterhin gibt es nur Höchstsätze statt Mindeststandards, weiterhin gibt es zu wenig fürs Wohnen, weiterhin existiert die Pflicht zur Unterhaltsverfolgung bei Menschen mit Behinderungen, weiterhin ist das Ziel der Armutsbekämpfung im Sozialhilfegesetz gestrichen“, so die Diakonie abschließend.

Härtefallklausel begrüßt

Positiv für die Caritas an den Reparaturen ist etwa die Aufnahme der Härtefallklausel, mit der die Bundesländer nun für ausgeschlossene Personengruppen wieder einen Zugang zur Sozialhilfe gewähren können. Dies treffe zum Beispiel Menschen mit einem humanitären Bleiberecht, die von der Sozialhilfe ausgeschlossen und so in Armutssituationen gedrängt wurden, erklärte die Hilfsorganisation.

Für wünschenswert hält es die Caritas, dass auch subsidiär Schutzberechtigten auf diese Weise der volle Zugang zur Sozialhilfe wieder ermöglicht wird. Dass das Pflegegeld künftig nicht mehr auf das Einkommen der Betroffenen bzw. auch nicht bei deren Angehörigen angerechnet wird, ist aus Sicht der Caritas ebenfalls positiv. Das Pflegegeld könne damit tatsächlich für die notwendigen Kosten der Pflege und Betreuung verwendet werden kann, für die es auch benötigt wird.

Auch in der Aufhebung der finanziellen Schlechterstellung von Menschen in Wohngemeinschaften erkennt die Caritas einen „sehr positiven Schritt“. Denn die Deckelung habe bisher Menschen mit Behinderungen oder Menschen in Krisensituationen, die auf eine Wohnmöglichkeit in betreuten WGs angewiesen sind, besonders hart getroffen.

„Keine vollständige Rechtssicherheit“

Kritisch merkt die Caritas an, dass es nicht gelungen sei, „von der Verankerung der vielen Kann-Bestimmungen wegzukommen“. Es gebe daher weiterhin keine vollständige Rechtssicherheit für Betroffene. Und offen geblieben sei auch eine Vereinheitlichung und Anpassung der Kinderrichtsätze auf ein armutsfestes Niveau.

Die Caritas machte in ihrer Aussendung zudem darauf aufmerksam, dass eine grundlegende Reform der Sozialhilfe Neu auch vielen Kindern zugutekäme. Allein im Jahr 2020 lebten rund 74.000 Kinder in Bedarfsgemeinschaften mit Sozialhilfebezug.