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Markus Fischer/Pixabay
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Recht

Gutachten: Atheisten keine Bekenntnisgemeinschaft

Die Atheistische Religionsgesellschaft in Österreich (ARG), die eine Anerkennung als staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft anstrebt, erfüllt laut einem Gerichtsgutachten die rechtlichen Kriterien für eine religiöse Bekenntnisgemeinschaft nicht.

In einer früheren, religionswissenschaftlichen Stellungnahme wurde die Frage allerdings mit Ja beantwortet. Das Verwaltungsgericht Wien hatte vor einem Jahr bei dem emeritierten Religionsrechtsprofessor Richard Potz ein Gutachten beauftragt, und dieser kam nun zu dem Schluss, dass die ARG keine religiöse Bekenntnisgemeinschaft im Sinne des Bekenntnisgemeinschaftengesetzes (BekGG) ist.

„Die Kriterien einer Religion im Rechtssinn, die auch Voraussetzung für die Eintragung einer religiösen Bekenntnisgemeinschaft sind (…) erreichen deutlich nicht die dafür erforderliche Gesamtintensität“, so das Gutachten, das religion.ORF.at vorliegt. Besonders der Transzendenzbezug wird als unzureichend dargestellt.

Hinweis

Transzendenz – lateinisch transcendentia, „das Übersteigen“, bedeutet „über die Erfahrung des Gegenständlichen hinaus“.

Begriffsbestimmung schwierig

Der Transzendenzbezug ist ein zentrales Element bei der Abgrenzung von Religion und Weltanschauung. Die Definition von Religion an sich sowie die des Transzendenzbegriffs beschäftigt auch die Religionssoziologie und Religionswissenschaft seit Langem – dementsprechend gibt es mehrere, auf die im wissenschaftlichen Kontext Bezug genommen wird.

Potz schreibt, dass sich der Staat für die Definition von Religion zwar auf die Erkenntnisse von Religionswissenschaft und Religionssoziologie beziehen müsse, diese aber nicht einfach übernommen werden könnten. Juristisch ist eine Begriffsbestimmung von Religion schwierig. Sie kann nur umschrieben werden. „Aus rechtswissenschaftlicher Sicht handelt es sich bei Religion um einen unbestimmten Gesetzesbegriff, der einer exakten juristischen Begriffsbestimmung nicht zugänglich ist“, so das Gutachten.

„Regulierungsdefizit“

Ungeachtet aller Transzendenz und Religionsbegriffe stellt Potz ein „Regulierungsdefizit“ von nichtreligiösen Gemeinschaften gegenüber religiösen fest. "Weltanschauungen bzw Weltanschauungsgemeinschaften, wie immer ihr Verhältnis zu Religion begrifflich gefasst wird, (haben) gleichermaßen Anspruch auf spezifische Aktivitäten im öffentlichen Raum.

Das erfordere „entweder eine Novellierung des BekGG durch seine Ausdehnung auf Weltanschauungsgemeinschaften oder ein zum BekGG paralleles Gesetz für die Verleihung eines spezifischen Rechtsstatus an nicht-religiöse Weltanschauungsgemeinschaften“, so das Gutachten.

Religionswissenschaftler: „Durchaus religiöse Lehre“

Die ARG hält dem aktuellen Gutachten eine Stellungnahme des Religionswissenschaftsprofessors Hans Gerald Hödl vom November 2020 entgegen, in der er schrieb, dass die ARG aus religionswissenschaftlicher Sicht „durchaus eine religiöse Lehre vertritt“. Damals lehnte das Kultusamt den Antrag der ARG auf Erwerb der Rechtspersönlichkeit als religiöse Bekenntnisgemeinschaft ab – wogegen diese Beschwerde beim Verwaltungsgericht Wien einbrachte.

Hödl plädierte darin dafür, den Transzendenzbegriff nicht alleine als Merkmal von Religion heranzuziehen. Er argumentierte unter anderem mit den Fragen, auf die die ARG Antworten gebe: Was ist der Grund der Welt? Was ist das Ziel der Welt? Was bedeutet unser Dasein?

Gerade die letzte Frage sei eine zentral religiöse. „Und das Programm der ARG gibt genau auf diese Frage Antworten. Würde man diese Antworten als ‚nichtreligiös‘ bezeichnen, weil man nur eine bestimmte Art und Weise, auf diese Fragen zu antworten, als ‚religiös‘ anerkennen würde, würde man die verfassungsrechtlich garantierte Religionsfreiheit einschränken“, so Hödl.

Verhandlung am 12. Mai

Für 12. Mai ist nun eine Verhandlung beim Verwaltungsgericht Wien angesetzt. „Wir sind guter Dinge, dass wir mit unserem Verfahren eine nachhaltige Stärkung der Gleichberechtigung von theistischen, nichttheistischen und atheistischen Überzeugungen bewirken werden und darüber hinaus auch zu einer nachhaltigen grundsätzlichen Gleichberechtigung von Religionen mit nicht-religiösen Weltanschauungen beitragen werden“, schreibt die ARG in ihrer Aussendung.

Die ARG betrachtet sich als Religionsgemeinschaft, die laut Website Religion als „eine Art gelebter Philosophie“ versteht. An die Existenz von Göttinnen und Göttern wird nicht geglaubt, wohl aber, dass Menschen Gottheiten erschaffen und diese daher eine kulturelle Wirkung haben. Die unter Atheistinnen und Atheisten nicht unumstrittene ARG strebt die Gleichbehandlung mit den etablierten Religionsgemeinschaften an.