Kardinal Angelo Becciu
APA/AP/Gregorio Borgia
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Vatikan

Finanzprozess: Kardinal Becciu beklagt „Pranger“

Kardinal Giovanni Angelo Becciu hat sich bei Aussagen als Angeklagter im vatikanischen Finanzprozess zum Opfer eines „Prangers im Weltformat“ erklärt. In einer fast 50 Seiten langen Erklärung, die der Kleriker in rund zweieinhalb Stunden verlas, bekräftigte er am Donnerstagnachmittag seine Unschuld.

Er brachte auch seine Erschütterung über alle Vorwürfe gegen seine Person zum Ausdruck. „Jedes kirchliche Amt wurde mir aberkannt; ich wurde an den Rand der Kurie und der Kirche gedrängt“, klagte Becciu mit teils brüchiger Stimme. Ganz zu schweigen vom Leid, das seine Familie erlitten habe. Er frage sich: „Warum wurden diese falschen Anschuldigungen dem Heiligen Vater gemeldet? Zu welchem Zweck?“ Zweieinhalb Stunden wurde Becciu vom vatikanischen Staatsanwalt Alessandro Diddi befragt.

„Es schmerzt mich immer noch, dass ich meine Familie einem ungerechten Leiden ausgesetzt habe“, sagte Becciu. Er wies die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zur Gänze zurück, darunter die Anschuldigung, mit Geldern des vatikanischen Staatssekretariats Falschaussagen gegen Kardinal George Pell finanziert zu haben, der später in seinem Heimatland Australien vom Vorwurf des Kindesmissbrauchs freigesprochen wurde. Spendengelder seien nie abgezweigt worden.

Vorwürfe: Veruntreuung und Amtsmissbrauch

Becciu, bis 2018 an einer Schaltstelle im Staatssekretariat tätig, werden im großen vatikanischen Finanzprozess Veruntreuung und Amtsmissbrauch sowie Verleitung zur Falschaussage vorgeworfen. Im Kern geht es in dem Prozess mit weiteren neun Angeklagten um finanzielle Unregelmäßigkeiten und Verluste von rund 270 Millionen Euro beim Erwerb einer noblen Londoner Immobilie. Hierbei sollen Berichten zufolge auch Spenden aus der päpstlichen Geldkollekte „Peterspfennig“ benutzt worden sein.

Dem Kardinal werden zudem fragwürdige Überweisungen in seine sardische Heimatdiözese an eine karitative Kooperative unter Leitung seines Bruders angelastet, außerdem Zahlungen an die ebenfalls angeklagte Sicherheitsberaterin Cecilia Marogna. Auch hier wies Becciu alle Vorwürfe sowie Spekulationen über eine private Beziehung zu Marogna zurück. Es sei eine rein professionelle Zusammenarbeit gewesen. Alle anderen Behauptungen zeugten „von mangelnder Rücksichtnahme auf Frauen im Allgemeinen“.

Vorwürfe gegen Hauptzeugen

Besonderes Augenmerk legte der 73-Jährige in seinem Monolog auf Alberto Perlasca. Dieser überblickte als Verwaltungsleiter im Staatssekretariat bis 2019 dessen Finanzaktionen. Gegen ihn wurde nicht Anklage erhoben; vielmehr ist er Hauptzeuge. Der Streit über Einsicht in Audio- und Videoaufnahmen von Befragungen Perlascas hatte den Prozess monatelang verzögert. Erstmals war ein Anwalt Perlascas beim Prozess anwesend.

Perlasca habe sich als Leiter des Verwaltungsbüros quasi wie das Oberhaupt „eines kleinen Reiches“ gefühlt, er sei „jähzornig“ und „empfindlich“ gewesen. Als er im Zuge der Ermittlungen von allen Aufgaben entbunden wurde, habe er mit Selbstmord gedroht. Dennoch habe er sich stets auf die große fachliche Expertise Perlascas verlassen und ihm vertraut, so Becciu. Der Kontakt sei freundlich gewesen – bis zu einem Abendessen 2020. Da sei er von Perlasca quasi verhört worden. Dass er bei diesem Gespräch von seinem ehemaligen Untergebenen wohl auch abgehört wurde, treffe ihn sehr, so Becciu.

Weitere Befragungen folgen

In dem Prozess hatten bereits in den vergangenen Wochen hatten die früheren Verantwortlichen der vatikanischen Finanzaufsicht AIF, Ex-Präsident Rene Brülhart und Ex-Direktor Tommaso di Ruzza, jegliches Fehlverhalten zurückgewiesen. Beide betonten, dass sie keinerlei Aufsichtsrolle, gar Machtbefugnisse gegenüber dem Staatssekretariat gehabt hätten. Beiden wird Amtsmissbrauch, Di Ruzza zudem Veruntreuung und Verletzung des Amtsgeheimnisses vorgeworfen. Der Ex-Sekretär von Becciu, Mauro Carlino, beteuerte ebenfalls seine Unschuld.

Als weitere Angeklagte noch zu befragen sind Marogna, die italienischen Finanzmakler Enrico Crasso und Gianluigi Torzi, der Fondsmanager Raffaele Mincione, der Rechtsanwalt Nicola Squillace sowie Finanzvermittler Fabrizio Tirabassi.