Krieg

Ex-Caritas-Präsident verteidigt Gewaltlosigkeit

Der frühere Caritas-Präsident Franz Küberl wendet sich gegen einen angesichts der Gräuel im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine vielfach postulierten Abschied von Gewaltlosigkeit als Wert und staatliche Regel.

Der brutale Überfall Russlands auf die Ukraine lasse spüren, „dass es keine Neutralität gegenüber Opfern geben kann“, betonte Küberl in seinem um Differenzierung bemühten Beitrag in der „Kleinen Zeitung“ (Sonntag-Ausgabe). Ziel müsse es gleichwohl immer sein, Kriege einzudämmen, plädierte der Ex-Caritas-Chef. So könnten Maßnahmen zur Eindämmung von Aufrüstung und das Festhalten bzw. Weiterentwickeln internationaler Vereinbarungen Kriegsgefahren wenigstens mindern.

„Mir ist klar, dass der Ausstieg aus der Kriegslogik jetzt nicht geht, weil das nicht gewollt ist“, hielt Küberl mit Blick auf den Krieg in der Ukraine fest. „Konfliktlösung auf gewaltärmere und hoffentlich damit Gesellschaften und Menschenleben weniger gefährdende Formen umzustellen, ist eine Aufgabe von vielen Generationen“, hielt er fest: „Aber wir können heute damit beginnen, durch das Nadelöhr einer humaneren Ethik und Umgangsweise zwischen Staaten, Ethnien, Religionen, Weltanschauungen zu gehen.“

Regeln zur Gewaltminderung weiterentwickeln

Trotz enormer Rückschläge hätten die Staaten in den vergangenen 125 Jahren treffsichere Regeln der Gewaltminderung und der Ausweitung von Gewaltlosigkeit weiterentwickelt; Küberl verwies dazu u.a. auf das Völkerrecht, die Haager Landkriegsordnung, die Deklaration der Menschenrechte, Abrüstungsübereinkommen, Institutionen wie die UNO oder den KSZE-Prozess, der u.a. in der Verpflichtung resultierte, staatliche Grenzen nicht mit Gewalt zu ändern.

Der ehemalige Caritas-Präsident Franz Küberl
APA/Georg Hochmuth
Der ehemalige Caritas-Präsident Franz Küberl mahnt, die Gewaltspirale nicht noch weiterzudrehen

Derartige internationale Vereinbarungen und Prozesse könnten das Risiko gewalttätiger Ereignisse substanziell reduzieren, zeigte sich Küberl überzeugt. „Sie geben keinen absoluten Schutz. Das macht sie aber nicht unnötig. Im Gegenteil, wir müssen darüber nachdenken, wie wir sie weiterentwickeln, nicht, wie wir sie abschaffen.“ Dass sich alle Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag unterwerfen, benannte der Ex-Caritas-Präsident als ein Ziel.

Gegen weltweite Aufrüstung

Als wesentlich erachtet Küberl zudem Maßnahmen gegen die weltweite Aufrüstung. Dazu schlägt er etwa die Einführung von 30 Prozent Quellensteuern beim An- bzw. Verkauf von Waffen vor, um wenigstens die Zerstörungen, die Waffen hinterlassen, wieder zu beheben. Waffenexporterlaubnisse sollten an reale Rechtsstaatlichkeit der bestellenden Länder andocken. „Waffenproduzenten sollten zudem verpflichtet werden, in der Betreuung von Flüchtlingen aus den Krisengebieten, in denen sie mit ihren Exporten Geld verdienen, tätig zu werden“, so eine weitere Vision Küberls.

Friedensimpulse des Papstes

In die Pflicht nahm der langjährige Caritas-Präsident schließlich auch Kirchen und Religionen mit Werten wie der Gleichwertigkeit aller Menschen, Gewaltächtung und Gerechtigkeit. „Wir dürfen vom Papst erwarten (von wem sonst noch?), dass er Friedensimpulse setzt, auch überraschende und von Debatten begleitete“.

Damit spielte der Ex-Caritas-Chef offensichtlich auf die anhaltenden und auch öffentlich kontrovers diskutierten diplomatischen Bemühungen des Vatikans um die Wiederherstellung des Friedens in der Ukraine an; dabei hatte der Papst zuletzt auch seine Bereitschaft erklärt, nach Moskau zu fahren, um Präsident Wladimir Putin zu treffen – mehr dazu in Papst-Interview zum Krieg schlägt Wellen.

Papst: „Waffen führen nicht zum Frieden“

Papst Franziskus richtete beim Regina Coeli-Gebet am Sonntag erneut einen eindringlichen Appell an führende Politiker für Frieden in der Ukraine. Er rief die Gläubigen dazu auf, den Rosenkranz für den Frieden zu beten. Den Krieg bezeichnete er als „Wahnsinn“. „Waffen führen nicht zum Frieden“, betonte Franziskus. Das Regina Coeli-Gebet (Himmelskönigin) ersetzt in der Zeit nach Ostern das Angelus-Gebet.

Gemeinsam für Beschränkung von Kriegen

Entsprechende päpstliche Friedensimpulse könnten auch von einem Dialog mit der russischen Orthodoxie ausgehen, fügte Küberl hinzu. Als eine Grundlage dazu sieht er das Soziallehredokument des Bischofskonzils der russisch-orthodoxen Kirche, „das Nationalismus und Krieg moralisch wie theologisch als abzulehnende Mittel der Politik verurteilt“. Rom und Moskauer Patriarchat können „gemeinsam gegen Hasspredigten im Namen des Glaubens auftreten und Vorschläge für Maßnahmen zur Beschränkung von Kriegen formulieren“, so Küberl.