Das ehemalige KZ Mauthausen
APA/Roland Schlager
APA/Roland Schlager

Evangelische Pfarrer im KZ Mauthausen

Die Schicksale evangelischer Pfarrer im Konzentrationslager Mauthausen zeichnet ein neues Buch nach, das im Auftrag der Evangelischen Kirche A.u.H.B. in Österreich sowie der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) erschienen ist.

Dokumentiert finden sich darin die Lebensgeschichten von 31 evangelischen Pfarrern bzw. Theologen und fünf Laien aus unterschiedlichen Ländern Europas, die nach Mauthausen verschleppt wurden. 15 von ihnen starben in Mauthausen, im Nebenlager Gusen oder in Hartheim.

„Den NS-Schergen war es völlig egal, woher jemand gekommen ist, ob er evangelisch, katholisch oder orthodox war“, sagte Michael Bünker bei der Präsentation des neuen Buches am Samstag im Wiener Albert Schweitzer Haus. Die Berufsgruppe der Geistlichen sei vom nationalsozialistischen Terror besonders betroffen gewesen, weil sie durch ihren Glauben „letztlich etwas in sich trugen, worauf die NS-Schergen keinen Zugriff hatten“, so der frühere Bischof der evangelisch-lutherischen Kirche, unter dessen Federführung dieses Forschungsprojekt entstand.

Hinweis

Michael Bünker, Dietlind Pichler (Hg.), Evangelische Pfarrer im KZ Mauthausen. Erhältlich beim Evangelischen Presseverband oder unter Tel. 059 1517 950 sowie im Buchhandel.

Exemplarisch wurden auch die Biografien von fünf Laien, aufgenommen, die in der Erinnerung der Kirchen ihrer Herkunftsländer eine besondere Rolle spielen. Über die Biografien hinaus beschreibe das Buch auch die „antisemitische Vergiftung und deutsch-nationale Durchseuchung“ der Evangelischen Kirche in Österreich „präzise und ohne Beschönigung“.

Bünker: Mauthausen „extrem“

Wer in Konzentrationslagern beim Beten oder mit einer Bibel erwischt wurde, hatte mit dem Tod zu rechnen, schildert Bünker. Mauthausen sei in dieser Frage „extrem“ gewesen, rage hier „unter der ganzen Schreckensherrschaft der Konzentrationslager nochmals besonders schrecklich heraus“. Dennoch versuchten einige, ihren Glauben, die zentrale Motivation ihres Handelns gegen das NS-Regime, auch in Mauthausen zu leben.

Vor der Befreiung des Konzentrationslagers waren in Mauthausen Häftlinge aus 70 Nationen. Die evangelischen Pfarrer kamen aus Polen, Frankreich, Belgien, Italien, Ungarn, aus den Niederlanden, aus der Slowakei, der Schweiz, aus Tschechien, und mit dem gebürtigen Ungarn Zsigmond Varga, der in Wien predigte, war auch ein Pfarrer aus Österreich unter den Opfern.

Zwei Jahre Forschungsarbeit

Maßgeblich beteiligt war an dem Forschungsprojekt die Wiener Historikerin Dietlind Pichler, die das neue Buch gemeinsam mit Michael Bünker im Verlag Evangelischer Presseverband herausgegeben hat. Sie berichtete von einer äußert schwierigen Recherche, da die Berufe nicht in den Datenbanken der KZ-Häftlinge erfasst sind.

Erst die Rückmeldungen der einzelnen Landeskirchen, aus denen die Opfer stammten, hätten die über zweijährige Forschungsarbeit ermöglicht. Das Buch wolle „die Menschen hinter den Nummern sichtbar machen“ und „den Namen eine Geschichte geben“. Die Ergebnisse werden nun auch in öffentliche Datenbanken eingearbeitet, wie etwa dem „Raum der Namen“ der Mauthausen-Gedenkstätte.

„Die Namen haben gefehlt, die Bilder haben gefehlt und die Lebensgeschichten“, sagte der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka bei der Präsentation. Das Buch solle „diesem Fehlen zumindest in Teilen ein Ende setzen“. Bei der Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus sei „noch viel zu tun“, denn „nur eine klare Auseinandersetzung mit der Sünde der Vergangenheit ermöglicht Zukunft“.

Evangelische Kirche zwischen 1938 und 1945 „obsolet“

Bezeichnend ist für Chalupka, dass sich bis auf Zsigmond Varga unter den dokumentierten Biografien kein evangelischer Pfarrer aus Österreich befindet. Durch ihre Verstrickung in den Nationalsozialismus habe sich „die Evangelische Kirche in Österreich zwischen 1938 und 1945 obsolet gemacht“, so der Bischof.

Heute ziehe die Evangelische Kirche „oft ihre Identität aus der Zeit des Geheimprotestantismus und der Verfolgung, als wir Opfer waren“. Das habe schon seine Richtigkeit, sei jedoch nur eine Seite. Chalupka: „Wenn wir Gott danken dürfen, dass es diese Kirche noch gibt, dann deswegen, dass sie nach 1945 wieder einen Platz in der Geschichte dieses Landes gefunden hat.“

Wichtig sei dieses Buch auch für die Familien, aus denen die Pfarrer gekommen sind, die in Mauthausen ihren Glauben gelebt haben. „Es gab eine Zeit zwischen 1938 und 1945, in der das Wort recht verkündet wurde“, auch das sei „bemerkenswert und richtig“.

Lebensgeschichten verbinden Kirchen in Europa

Die Lebensgeschichten, die in dem neuen Buch dokumentiert sind, verbinden auch die Kirchen untereinander, meinte der Generalsekretär der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa, Mario Fischer: „Wir sehen, was uns verbindet, wenn wir auf unsere Wurzeln schauen.“ Bewusst sei dieses Buch in einer deutschen und einer englischen Ausgabe erschienen, weil es nicht nur um österreichische Geschichte gehe. Das Buch wünscht sich Fischer „in Bibliotheken in ganz Europa“, daraus lasse sich „ein Netzwerk europäischer Geschichte weben“.

Bei der Präsentation lasen Autorinnen und Autoren, Vertreterinnen und Vertreter der beteiligten Kirchen ausgewählte Biografien der Opfer. Musikerinnen und Musiker der Johann Sebastian Bach-Musikschule spielten Werke von Komponisten, die in Mauthausen ermordet wurden. Auch beim Gottesdienst am Sonntag in der Lutherischen Stadtkirche in Wien wurde der Pfarrer in Mauthausen gedacht.