Oberammergau

Passionsspiele: Entstanden in Krieg und Pest

Vor fast 400 Jahren ist im oberbayrischen Dorf Oberammergau die Tradition der Passionsspiele entstanden. Heuer können die für 2020 geplanten Spiele nachgeholt werden. Die Geschichte der berühmten Laienspiele ist untrennbar mit der Pest im Dreißigjährigen Krieg verbunden.

Der Legende nach schlich sich 1633 ein Tagelöhner namens Kaspar Schisler, der jenseits der Bergkette Dienst getan hat, von Heimweh geplagt in das bis dahin von der Pest verschonte Bergdorf – und brachte den „Schwarzen Tod“.

Laut örtlichem Sterbebuch raffte die Seuche 84 Einwohnerinnen und Einwohner dahin, etwa zehn Prozent der Bevölkerung. Erst als die Dörfler gelobten, alle zehn Jahre das Spiel vom Leben, Sterben und der Auferstehung Jesu Christus aufzuführen, hörte das Sterben auf. So jedenfalls ist es überliefert.

Aufführungen seit 1680 alle zehn Jahre

Zu Pfingsten 1634 erfüllten die Oberammergauer das Versprechen zum ersten Mal. Die Aufführung fand auf einer Bühne am Friedhof statt, aufgebaut über den Gräbern der Pesttoten. Seit 1680 führen die Bewohnerinnen und Bewohner in Zehnjahresabständen ihr Passionsspiel auf, das sich zu einem Spektakel mit weltweiter Beachtung und Einnahmen in Millionen-Höhe entwickelte.

Hinweis

Von bis 15. Mai bis 2. Oktober stehen 103 Aufführungen in Oberammergau an.

Meistens wurde das Spiel im letzten Jahr eines Jahrzehnts aufgeführt, wegen der Coronavirus-Pandemie konnten 2020 und 2021 keine Aufführungen stattfinden. Heuer folgen die Bewohnerinnen und Bewohner ihrem Gelübde zum 42. Mal, mehr als 2.100 Frauen, Männer und Kinder aus dem Dorf wirken diesmal mit. Sie sind als Schauspieler, im Chor und im Orchester zu erleben.

Szene aus den Passionsspielen Oberammergau, Aufführung 2022
APA/AP/Matthias Schrader
Probenaufnahme aus der Inszenierung 2022

1750 schuf der Ettaler Benediktinermönch Ferdinand Rosner eine Neufassung im Sinne des Barocktheaters. Für die Passion 1860 überarbeitete Joseph Alois Daisenberger den Text, setzte neue dramaturgische Schwerpunkte und machte die Passion berühmt.

Von antisemitischen Tendenzen befreit

Adolf Hitler hatte die Passionsspiele befürwortet. Nach 1945 geriet die Passion wegen ihrer negativen Darstellung von Juden in die Kritik. In den späten 1960er Jahren forderte die katholische Kirche eine Erneuerung und Abkehr von der Darstellung, wonach die Juden für den Tod Jesu verantwortlich seien. Über Änderungen wurde in der Gemeinde heftig gestritten.

Szene aus den Passionsspielen Oberammergau, Aufführung 2022
APA/AP/Matthias Schrader
Die Passionsspiele wurden schrittweise von ihren antisemitischen Tendenzen befreit

In den 1960er Jahren forderte die römisch-katholische Kirche, die Spiele mit „Nostra Aetate“ – der Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils, in der festgehalten ist, dass die Juden nicht für den Tod Jesu verantwortlich sind – in Einklang zu bringen. In den 1970er Jahren wurden unter Einbeziehung jüdischer Organisationen Textänderungen vorgenommen.

„Vor allem Jesus’ Lebensgeschichte“

Christian Stückl, der 1987 mit 26 Jahren jüngster Spielleiter aller Zeiten wurde, befreite die Passion dann konsequent von allen antisemitischen Tendenzen. Der Intendant des Münchner Volkstheaters inszeniert die Passion nun zum vierten Mal. Sein Jesus sei „nach wie vor ein Mensch“, aber zugleich ein „Verzweifelter an der Welt“, sagte Stückl kürzlich in einem Interview mit der deutschen Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Jesus wende sich den Menschen zu, „den Prostituierten, den Armen, den Flüchtlingen“. Der Regisseur wollte deshalb nicht nur von Jesu Leiden und Sterben, sondern vor allem die Lebensgeschichte dieses Mannes erzählen.

Immaterielles Kulturerbe

Die Oberammergauer Passionsspiele sind seit 2014 im Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der UNESCO. Für 2022 werden 400.000 Besucherinnen und Besucher aus dem In- und Ausland erwartet. Karten für das gut 4.300 Sitzplätze zählende Theater seien noch zu haben, hieß es. 75 Prozent der Tickets sind aber schon verkauft. Zur Eröffnung am Samstag findet ein ökumenischer Gottesdienst mit dem katholischen Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx und dem evangelischen Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm statt.