Deutschland

Kritik an Bischof zu Beginn des deutschen Katholikentags

Kurz vor Eröffnung des deutschen Katholikentags Mittwochabend in Stuttgart wird Kritik an dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, laut. Er hatte einen Priester trotz Vorwürfen sexueller Belästigung befördert.

„Ich bin perplex und überrascht“, sagte der Bischof des Bistums Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, am Mittwoch. Durch die „Zeit“-Beilage „Christ & Welt“ war am Dienstag bekannt geworden, dass Bätzing in seinem Limburger Bistum einen Pfarrer trotz Vorwürfen sexueller Belästigung befördert hatte.

„Ich kenne den Umfang jetzt nicht genau, aber ich würde in meiner Diözese so etwas niemals tun“, sagte Fürst. Der besagte Priester soll demnach im Jahr 2000 eine evangelische Pfarrerin in Ausbildung verbal und körperlich sexuell belästigt haben. Derselbe Pfarrer belästigte den Recherchen zufolge eine angehende Gemeindereferentin zwischen 2006 und 2007.

Ein Sprecher von Bätzing sagte dazu, Bätzing habe eine Ermahnung gegen den Priester ausgesprochen. Weil der Priester Reue gezeigt und sich bei der Gemeindereferentin für sein Verhalten entschuldigt habe, habe er ihn aber doch zum Bezirksdekan ernannt.

Diözese kritisiert Bericht

Die Diözese Limburg kritisierte am Mittwoch den Beitrag in der „Zeit“-Beilage, berichtete die deutsche katholische Nachrichtenagentur. Der Artikel erwecke den Eindruck, „Bischof Bätzing würde Betroffene nicht hören, sich auf die Seite von Tätern stellen und Beschuldigte befördern, statt zu sanktionieren“, erklärte Diözesansprecher Stephan Schnelle am Mittwoch in Limburg.

„Diesem Eindruck muss widersprochen werden“, so Schnelle in einer Stellungnahme auf der Diözesan-Homepage. Bätzing setze sich „entschieden dafür ein, dass es einen Kulturwandel in der Kirche gibt, Betroffene gehört, Missbrauch verhindert sowie Täter und Taten klar benannt werden.“ Davon zeuge das Projekt „Betroffene hören – Missbrauch verhindern“ in der Diözese Limburg.

„Umgehend gehandelt“

Die Diözese habe umgehend gehandelt. „Der Pfarrer wurde mit den Vorwürfen konfrontiert und klar formuliert, dass ein solches Verhalten zu unterlassen ist“, sagte Schnelle. Er fügte hinzu: „Im Jahr 2013 machte die Mitarbeiterin den Vorwurf bekannt, der Priester habe ihr im Jahr 2007 unter das T-Shirt an die Brust gefasst. Der Priester wurde auch mit diesem Vorwurf konfrontiert, bestritt dies jedoch, im Gegensatz zu den früheren Vorwürfen, dezidiert.“

Der Priester habe sich für sein Verhalten bei der Mitarbeiterin entschuldigt, um Verzeihung gebeten und „glaubhaft Reue“ gezeigt. „Nach einer erneuten Prüfung der Vorwürfe und weiteren Gesprächen ernannte Bischof Georg Bätzing den Priester zum Bezirksdekan einer der elf Bezirke der Diözese“, so Schnelle. Die „Betroffenheit und Empörung“ der Mitarbeiterin über diese Personalentscheidung seien „verständlich“, so der Bistumssprecher. Im persönlichen Gespräch mit der Mitarbeiterin habe Bätzing ihr diese Entscheidung zu vermitteln versucht.

Seelsorger für die Berufung

„Bei der Ernennung zum Bezirksdekan wurde sowohl das förmlich missbilligte Fehlverhalten des Priesters und sein Umgang damit berücksichtigt, wie auch der Umstand, dass die vorschlagsberechtigten Seelsorgerinnen und Seelsorger ein deutliches Votum für die Berufung dieses Priesters zum Ausdruck gebracht haben“, betonte Schnelle. Bätzing sei zu der Einschätzung gekommen, „dass eine Berufung zum Bezirksdekan möglich ist“.

ZdK-Präsidentin: Wirft Fragen auf

Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, wies am Mittwoch darauf hin, dass es sich bei den Belästigungen durch den Priester nach ihrer Kenntnis nicht um strafrechtlich relevante Vorgänge gehandelt habe.

„Aber die Frage, warum Bischof Bätzing in dieser Situation den betreffenden Priester dann als Regionaldekan eingesetzt hat, das ist natürlich eine Frage, die wahrscheinlich nicht nur ich mir stelle, und insofern gehe ich schon davon aus, dass hier er zu einem Fehler möglicherweise in der Vergangenheit auch Stellung nehmen muss.“ Sie sehe aber nicht, dass der ganze Katholikentag davon belastet wäre. „Das kann ich zumindest im Moment nicht erkennen.“

1.500 Veranstaltungen

In Stuttgart beginnt am Mittwoch (18.00 Uhr) der 102. Deutsche Katholikentag. Zur Eröffnung des fünftägigen Treffens werden der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) erwartet. Am Freitag soll Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) an einem Podium teilnehmen. Den Schlussgottesdienst am Sonntag feiert Bischof Bätzing.

Es ist der erste Katholikentag, der seit Münster im Jahr 2018 wieder in Präsenz stattfindet. Bis zu 30.000 Teilnehmer werden dazu in der baden-württembergischen Landeshauptstadt erwartet. Von Mittwoch bis Sonntag sollen rund 1.500 Veranstaltungen stattfinden. In mehreren davon setzen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit dem Thema des sexuellen Missbrauchs in der Kirche auseinander.

Ukraine-Krieg beherrschendes Thema

Gerade für Christen stelle der russische Angriff auf die Ukraine eine besondere Herausforderung dar, sagte die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp im Vorfeld. Prinzipiell seien Christen in der Nachfolge von Jesus der Gewaltfreiheit und dem Frieden verpflichtet. „Gleichzeitig können wir seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges den Ukrainern nicht ihr Recht auf einen souveränen Staat, auf ihre Unversehrtheit und ein Leben in Freiheit absprechen. Das führt in der Friedensethik zu massiven Verunsicherungen.“

Das ZdK ist Veranstalter des Katholikentags. Angesichts des Ukraine-Kriegs soll die Auftaktveranstaltung den Charakter einer Friedenskundgebung erhalten. Am Freitag ist eine weitere Kundgebung in Solidarität mit den Menschen in der Ukraine geplant, und am Samstag diskutieren der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU), und der Politikwissenschaftler und Militärexperte Carlo Masala über „Putins Angriffskrieg und die Folgen“.

Synodaler Weg zentral beim Katholikentag

Der zehn Millionen Euro teure Katholikentag umfasst beinahe Gottesdienste, Podien und Workshops. Zusammen mit der Deutschen Bischofskonferenz hat das ZdK einen Reformprozess in Gang gebracht, den Synodalen Weg. Im Zuge dieses Prozesses soll zum Beispiel die Segnung homosexueller Paare legitimiert werden. „Der Synodale Weg gehört unverzichtbar zu den wichtigsten Themen des Katholikentags“, sagte Stetter-Karp. „Es wäre fatal, würden wir uns den innerkirchlich umstrittenen Reformfragen nicht stellen. Und wir wissen, dass die Zeit drängt.“

Kirchenrechtler hält Katholikentage für „Strohfeuer“

Der katholische Kirchenrechtler Thomas Schüller hat sich kritisch über den Katholikentag geäußert. „Kirchentage und damit auch Katholikentage sind Momentaufnahmen ohne nachhaltigen Einfluss auf das kirchliche Leben vor Ort in den Gemeinden“, sagte Schüller der Deutschen Presse-Agentur. „Sie sind kostspielige Strohfeuer ohne Nachhaltigkeit.“

Die geringen Anmeldezahlen für den Katholikentag in Stuttgart hätten nicht nur mit Covid-19 zu tun, sondern auch mit dem Bedeutungsverlust der Kirche. „Die katholische Kirche wird nicht mehr als relevanter gesellschaftlicher Akteur wahrgenommen und gebraucht, auch nicht in friedenspolitischen Diskursen oder ethischen Fragen nach Anfang und Ende des Lebens“, analysierte der Münsteraner Professor. „Dies zeigt sich bezeichnenderweise im kompletten Fernbleiben der CDU-Politik.“

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz und andere führende Christdemokraten sind auf dem bis Sonntag dauernden Katholikentag nicht vertreten. Die Veranstalter rechnen insgesamt mit etwa 30.000 Teilnehmenden. Der letzte Katholikentag 2018 in Münster hatte 90.000 Menschen angezogen.