Katholiken

Vatikan: Neue Kurienverfassung tritt zu Pfingsten in Kraft

Die neue Apostolische Konstitution „Praedicate evangelium“ regelt die interne Organisation der römischen Kurie neu. Mit ihr zielt Papst Franziskus auf grundlegende Veränderungen: So können künftig Laien, Männer wie Frauen, in Kurien-Leitungspositionen berufen werden.

Ohne jede Vorankündigung veröffentlichte der Vatikan an einem Samstag im vergangenen März das offizielle Papstschreiben zur lange erwarteten Reform der Römischen Kurie. Zu Pfingsten am 5. Juni tritt das 54 Seiten lange Dokument nun in Kraft.

Mit dem Titel betont Papst Franziskus, worauf die Kirchenzentrale und ihre Tätigkeit ausgerichtet sein soll: „Praedicate evangelium“ – „Verkündet das Evangelium: Das genau ist unsere Grundaufgabe“, sagte dieser Tage der Nationaldirektor der päpstlichen Missionswerke „Missio“ in Österreich, Karl Wallner.

Ersetzt Kurienordnung von 1988

In 250 Paragrafen regelt die Apostolische Konstitution unter anderem die Organisation der im Vatikan „Dikasterien“ genannten Ministerien, Justiz- und Wirtschaftsorgane sowie weiterer Büros und Einrichtungen des Heiligen Stuhls. Das neue Dokument ersetzt die Kurienordnung „Pastor bonus“ Johannes Pauls II. aus 1988. Etliche Teile der Kurienreform, die in der neuen Ordnung festgeschrieben sind, wurden schon in den vergangenen Jahren des 2013 begonnenen Pontifikats von Papst Franziskus vollzogen.

Apostolische Konstitution

Eine Apostolische Konstitution (lat.: Constitution apolstolica) ist ein Erlass des Papstes oder eines Konzils, der Teile des Kirchenrechts neu regelt.

Die Reform soll laut „Praedicate evangelium“ ein Mittel sein, „um ein starkes christliches Zeugnis zu geben; um eine wirksamere Evangelisierung zu fördern; um einen fruchtbareren ökumenischen Geist zu unterstützen; um einen konstruktiveren Dialog mit allen zu fördern“. Zudem sollten die Veränderungen „die Identität der Römischen Kurie selbst weiter verfeinern“. Deren Aufgabe ist es demnach, „dem Nachfolger Petri bei der Ausübung seines höchsten Hirtenamtes zum Wohl und zum Dienst der Gesamtkirche und der Teilkirchen beizustehen“.

Reduzierung der zentralen Behörden

Insgesamt zielt die Reform auch auf eine Reduzierung der zentralen vatikanischen Behörden ab. Die Kurienbehörden, „deren Aufgaben sehr ähnlich waren oder sich ergänzten“, sollten für eine effizientere Arbeit zusammengelegt werden. So gibt es künftig 16 Dikasterien, weiterbestehende Kongregationen oder Päpstliche Räte werden in „Dikasterien“ umbenannt.

Papst Franziskus, Generalaudienz auf dem Petersplatz
APA/AFP/Tiziana Fabi
Papst Franziskus hat einige Behörden zusammengelegt.

Neu ist ein vom Papst selbst geleitetes „Dikasterium für Evangelisierung“, also die Verkündigung und Verbreitung der christlichen Botschaft. Die neue Behörde besteht aus der bisherigen Missionskongregation („Propaganda fide“) und dem Rat für Neuevangelisierung. Zusammengelegt werden auch die Bildungskongregation und der Päpstliche Kulturrat zum „Dikasterium für Kultur und Erziehung“.

Eine weitere Änderung betrifft die Päpstliche Kommission für den Schutz Minderjähriger. Diese wird Teil des Dikasteriums für die Glaubenslehre, arbeitet aber weiterhin nach ihren eigenen Regeln, mit eigenem Präsidenten und Sekretär. Außerdem wertet Franziskus das bisherige Amt des päpstlichen Almosenmeisters auf zu einem „Dikasterium für den Dienst der Nächstenliebe“.

Kurienspitze auch für Frauen offen

Künftig können auch Laien, Männer wie Frauen, in Kurien-Leitungspositionen berufen werden. Jede Kurieninstitution erfülle ihre Aufgabe kraft der vom Papst übertragenen Vollmacht, aus diesem Grund könne „jedes Mitglied der Gläubigen den Vorsitz in einer Abteilung oder einem Gremium übernehmen“, wenn die Person „über besondere Kompetenzen, Leitungsbefugnisse und Funktionen verfügt“, heißt es in der neuen Konstitution.

Die „stellvertretende Vollmacht zur Ausübung eines Amtes“ sei dieselbe, ob für einen Bischof, Priester, ein Ordensmitglied oder einen Laien, erklärte der römische Kirchenrechtler Gianfranco Ghirlanda. Schon seit Herbst 2018 wird das vatikanische Dikasterium für Kommunikation von einem Laienkatholiken – dem 65-jährigen Italiener Paolo Ruffini – als Präfekt geleitet.

Neue Altersgrenze für Kurienämter

Die Mitglieder der päpstlichen Zentralverwaltung sollen unter Bischöfen, Priestern, Diakonen, Mitgliedern von Orden und geistlichen Gemeinschaften sowie Laien ausgewählt werden. Entscheidend sei, dass sie sich auszeichnen durch professionelle Kompetenz, geistliches Leben, pastorale Erfahrung, Nüchternheit und Liebe zu den Armen, Gemeinschaftssinn sowie die „Fähigkeit, die Zeichen der Zeit zu erkennen“, hält „Praedicate Evangelium“ fest.

Auch regelt die Reform die Altersgrenze für Kurienämter neu. Künftig soll spätestens mit 80 Jahren dem Papst der Rücktritt angeboten werden. Ernennungen erfolgen weiterhin zunächst auf fünf Jahre, können aber verlängert werden.

Papst will „gesunde Dezentralisierung“

Mit der Kurienreform ziele der Papst wesentlich auf eine „gesunde Dezentralisierung“ der Kirche ab, erklärte Kardinal Christoph Schönborn nach der Veröffentlichung der Konstitution. „Mit diesem Leitwort will Franziskus die Verstärkung der gemeinsamen Verantwortung zwischen Papst und Römischer Kurie einerseits und den Ortskirchen anderseits zum Ausdruck bringen“, so der Wiener Erzbischof.

Nach Ansicht des Salzburger Erzbischofs Franz Lackner wird sich die Kurienreform „zweifellos auch auf die Ortskirchen der ganzen Welt auswirken“. Auch alle in den Diözesen seien aufgefordert, „unsere Strukturen im Licht des Evangeliums neu zu denken“, erklärte der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz „Wir tun gut daran, die Aufforderung, die der Papst implizit an uns alle richtet, aufzugreifen.“

Lackner verwies auch darauf, dass es die neue Kurienverfassung künftig allen Getauften ermögliche, Leitungspositionen in vatikanischen Abteilungen einzunehmen. Damit würden zum einen Führungspositionen im Vatikan unabhängig vom Geschlecht zugänglich, so der Bischofskonferenz-Vorsitzende: „Zum anderen wird die bislang notwendige Verschränkung von Weihe und Leitung neu bedacht – sowohl der Dienst der Laien als auch der Dienst der Geweihten in der Kirche werden damit neu motiviert, neu gestaltet, neu belebt.“

„Mentalitäts- und Handlungsveränderungen“

Der Papst ziele auf grundlegende Mentalitäts- und Handlungsveränderungen ab, analysierte der an der Universität Salzburg lehrende Kirchenrechtler und Organisationsentwickler Andreas Graßmann in den österreichischen Kirchenzeitungen. Wie gut das gelingt, wird die Umsetzung von „Praedicate evangelium“ in den Alltag der Kurienverwaltung zeigen.

Die Apostolische Konstitution ist der Grundtext der Kurienreform. Dieser muss noch in eine konkretere Kurienordnung überführt werden. Zudem muss jede vatikanische Einrichtung ihre eigenen Statuten aktualisieren und an die neue Kurienverfassung anpassen. Dazu richtete der Papst eine eigene Kommission ein, welche die Umsetzung der Kurienreform koordinieren und überwachen soll.

Offene Personalien

Offen ist auch noch, wer von den bisherigen Behördenleitern die neuen, fusionierten Einrichtungen leiten soll. Chef der Missionskongregation ist derzeit der philippinische Kurienkardinal Luis Tagle (64); dem Rat für Neuevangelisierung steht bisher Erzbischof Rino Fisichella (70) vor. Kardinal Giuseppe Versaldi (78), bisher Chef der Bildungsbehörde, dürfte bald emeritieren. Ebenso der Leiter des Kulturrates, Kardinal Gianfranco Ravasi (79).

Zeitung: Bald zahlreiche Neubesetzungen

Die Freiburger „Herder Korrespondenz“ meldete in ihrer aktuellen Juni-Ausgabe, dass Papst Franziskus bei einem Treffen der Leiter aller Kurienbehörden am 9. Mai angekündigt hat, zahlreiche Führungspositionen im Vatikan in Kürze neu besetzen zu wollen. Betroffen sein sollen laut den Informationen der Zeitschrift auch der Chef der Glaubenskongregation, Kardinal Luis Ladaria (78), sowie Kardinal Marc Ouellet (77), der die Bischofskongregation leitet.