Bischof als Kriegsberichterstatter der anderen Art

Kriegsberichterstattung der anderen Art hat der ausgebildete Kunsthistoriker und künstlerisch tätige Innsbrucker Bischof Hermann Glettler geschaffen. 16 Fotoarbeiten sind bis 31. August in einer Ausstellung in Wien zu sehen.

In „trotziger Hoffnung, dass das Böse nicht das letzte Wort haben wird“, sind die Bilder in der Wiener Kirche am Keplerplatz zu besichtigen. Unter dem an die Abendmahlsworte Jesu anknüpfenden Titel „This is my body“ werden Handy-Aufnahmen von den Spätnachrichten, ZIB2 und anderen Sendeformaten ausgestellt. Es seien „rohe, flüchtige Foto-Dokumente seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine“, wie es in einer Aussendung über diesen „Versuch, die nervösen Medienbilder festzuhalten“, heißt.

Die Hintergründe dieser ungewöhnlichen Verarbeitung verstörender Kriegsereignisse schilderte Glettler im Vorfeld der Ausstellungseröffnung Im Juni in persönlichen Worten: „Begreifen funktioniert nicht. Vermutlich Verlegenheit und Hilflosigkeit, um nicht in die Falle der Gewöhnung zu fallen. Oder abzudrehen, wegzuschalten.“

Hinweis

Die Ausstellung „This is my body“ ist bis 31. August 2022 in der Kirche St. Johann Evangelist in Wien (Keplerplatz 6, 1100 Wien) zu sehen.

Im Krieg „umsorgte und entsorgte“ Körper

Neben Gefühlen von Entsetzen, Trauer und Wut habe sich in dieses nächtliche Sammeln der Bilder von Verwüstung und Zerstörung laut dem Bischof „auch ein wenig Gebet eingemischt. Klage. Vielleicht nur eine persönliche Übung, um die Betroffenheit nicht zu verlernen. Auch das Weinen nicht.“

Ein von Bischof Hermann Glettler gestaltetes Foto
Hermann Glettler
Eine der Fotoarbeiten von Bischof Hermann Glettler

Angesichts der vielen Körper, die im Krieg „umsorgt und entsorgt“ würden, sei ihm das vertraute Jesus-Wort „Das ist mein Leib!“ in den Sinn gekommen. Christus identifiziere sich mit allen Menschen, besonders mit den Bedrängten und Geschundenen, wies der Bischof hin. Somit stelle sich angesichts des vom Krieg verwundeten, verworfenen Leibes auch die Frage nach dem verklärten Leib: „Der Leib Christi?“

„Korrektiv für die unerträgliche Bildinformation“

Das rohe Bildmaterial habe der seit den 1990er-Jahren in Ausstellungen präsente Künstler nachträglich bearbeitet, teilweise beschnitten, überblendet, mit einer diskret verschleiernden, opaken Scheibe versehen. Die geometrische Scheibe sei ein „Korrektiv für die unerträgliche Bildinformation“, erklärte Glettler. Denn: „Wer zusieht, ist auch nicht unschuldig.“

Eine weitere Besonderheit: Die Fotos wurden unter Einbeziehung von jungen Leuten, darunter auch Flüchtlingen aus der Ukraine, mit Werkzeugen und Nägeln zerkratzt. „Eine persönliche Form der Trauer, eine notwendige Abwehr und Aneignung des Dargestellten zugleich“, erläuterte Glettler.

Kunst als Weg zu Gott

Der 1965 in Übelbach, Steiermark, geborene Hermann Glettler sieht sich nicht nur als Priester und Bischof, sondern auch als Kunstvermittler, der das Vertrauen zwischen Kirche und heutigen Kulturschaffenden wieder aufbauen möchte. Öffentliche Aufmerksamkeit erregte er damit bereits von 1999 bis 2016 als Pfarrer in Graz St. Andrä, das er zu einem Brennpunkt der Begegnung von zeitgenössischer Kunst und christlichem Glauben machte.

Wer Hermann Glettler auf Instagram folgt, weiß, dass er sein Leben als Bischof und seine Beobachtungen als aufmerksamer Christ in vielen Fotos darstellt. Anfang Dezember 2020 entstand auf der Insel Lesbos beim Besuch des dortigen Flüchtlingslagers eine Fotoserie, die Glettler unter dem Titel „Wasted Lives“ ausstellte.