Islam

Verpflichtender Lehrgang für Halal-Ermächtigungen

Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) führt einen verpflichtenden Lehrgang für Halal-Ermächtigungen ein, wie die IGGÖ am Mittwoch bekanntgab. Kritik an den „orthodoxen“ Regeln kommt von der Türkische Kulturgemeinde in Österreich (TKG).

Vielen der über 700.000 österreichischen Musliminnen und Muslimen sei die Verfügbarkeit von Halal-Lebensmitteln, also jenen, die den islamischen Speisegeboten entsprechen, ein großes Anliegen, so die IGGÖ. Ob Produzentinnen und Produzenten jedoch tatsächlich die vorgegebenen Qualitätsstandards erfüllen, sei in der Vergangenheit nicht immer uneingeschränkt nachvollziehbar gewesen.

„Gerade rund um das islamische Opferfest, das dieses Jahr am Samstag, den 9. Juli 2022 beginnt, gewinnt diese Frage jedoch an Bedeutung“, hieß es. Zu dieser Zeit gingen bei IGGÖ für gewöhnlich die Mehrzahl der Anträge auf sogenannte Halal-Ermächtigungen ein, deren Erwerb Voraussetzung für die Durchführung von Schächtungen nach islamischem Ritus ist.

Erhöhung der Standards

Als Religionsgemeinschaft müsse die Glaubensgemeinschaft dafür Sorge tragen, dass alle Prozesse in der Produktion von Halal-Lebensmitteln tatsächlich den religiösen Bestimmungen sowie den gesetzlichen Regelungen in Österreich entsprächen, so die Aussendung weiter. "Deshalb setzen wir uns für eine deutliche Erhöhung der Standards für Halal-Produkte ein“, so IGGÖ-Präsident Ümit Vural.

Halal

Unter „halal“ („rein“, „erlaubt“) versteht man die islamischen Reinheitsgebote, die in den heiligen Schriften festgelegt sind. Sie betreffen unter anderem die Ernährung und auch die Schlachtung von für den Verzehr vorgesehenen Tieren.

Die IGGÖ sei in den vergangenen Monaten im Austausch mit dem zuständigen Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) und Tierschutzorganisationen gestanden und habe „intensiv an der Etablierung eines maßgeschneiderten Lehrgangs für Unternehmen und Personen, die bei der IGGÖ um eine Halal-Zertifizierung ihrer Produkte bzw. um eine Halal-Ermächtigung ansuchen, gearbeitet“.

Kritik an „orthodoxen“ Halal-Regeln

Die in Wien aktive Türkische Kulturgemeinde in Österreich (TKG) übte am Mittwoch Kritik an der Ankündigung der IGGÖ und sprach in einer Aussendung von „problematischen Aussagen“ der Glaubensgemeinschaft, die mit „objektiven wissenschaftlichen Mitteln“ nicht verifizierbar seien. „Die Muslim*innen in Österreich leben seit über sechzig Jahren ohne Halal Zertifizierungen etc. sehr glücklich“, so die TKG. Die Mehrheit wolle keine „aus dem Ausland dirigierte“ parallele Lebenstrennung in Österreich. So teile man in Österreich die Gesellschaft in eine „Helal-Haram-Gesellschaft“, argumentiert die TKG.

„Orthodoxe“ Halal-Regeln und Islamic Finance bzw. Islamic Banking würden gegen das EU-Recht und das EU-Diskriminierungsverbot verstoßen. „Unternehmen, Produkte, Konsumenten und Arbeitnehmer, die nicht ‚halal‘ sind, werden in Österreich und in der EU diskriminiert. Es werden der Gleichheitsgrundsatz, das Gleichbehandlungsgesetz, das Gleichbehandlungsgebot und das Diskriminierungsverbot der EU verletzt“, heißt es in der Aussendung. Zertifizierungen seien zudem keine religiösen Praktiken, sondern wirtschaftliche Aktivitäten.

Auch Tierhaltung und Hygiene Thema

Laut IGGÖ zählen den Inhalten der Fortbildung unter anderem islamisch-theologische Grundlagen und die Anforderungen an Halal-Lebensmittel, Erläuterungen zu den Abläufen des Zertifizierungsprozesses, die Vermittlung von Kenntnissen aus dem Bereich des Tierschutzgesetzes und der Tierhaltung sowie Grundlagen der Hygiene.

Diese Fortbildung sei nun erstmals im Juni 2022 von Fachexpertinnen und -experten im Bildungshaus der IGGÖ angeboten worden. Eine positive Absolvierung gelte ab sofort als Voraussetzung für jede zukünftige Verleihung einer Halal-Ermächtigung oder Zertifizierung durch die IGGÖ und sei daher auch verpflichtend für all jene gewesen, die um eine Genehmigung für Schächtungen anlässlich des diesjährigen Opferfestes angesucht haben.

„Vorbehalte gegen Riten abbauen“

„Verstöße gegen die im Lehrgang vermittelten Richtlinien führen ab sofort zu einem sofortigen Entzug der Berechtigung“, so die IGGÖ. „Durch unsere neuen Zertifizierungsverfahren wollen wir nicht nur das Vertrauen der österreichischen Muslim*innen in die Halal-Konformität der von ihnen erworbenen Lebensmittel stärken, sondern nicht zuletzt auch die in der Bevölkerung zum Teil bestehenden Vorbehalte gegen bestimmte islamische Riten abbauen,“ so Vural abschließend.