Geschlechterfrage

Theologin: „Vater-Mutter-Unser“ beten

„Die Mütterlichkeit Gottes“ sei „lange vernachlässigt“ worden, das hat die katholische Theologin Martina Bär in einem Interview mit der Wiener Kirchenzeitung „Der Sonntag“ (aktuelle Ausgabe) gesagt. Heute könne man guten Gewissens „Vater-Mutter-Unser“ beten.

Die Grazer Theologin sprach sich dafür aus, die fixierten Geschlechterbilder aufzubrechen, „weil Gott all das übersteigt, was wir überhaupt denken können“. Die Katholisch-Theologische Fakultät in Graz hat als einzige einen Schwerpunkt für Frauen- und Geschlechterforschung.

Bär ist dort seit April Professorin für Fundamentaltheologie. „Die geschlechtliche Identität, also die Tatsache, ob jemand Mann oder Frau oder intersexuell ist, betrifft jeden Menschen ganz existenziell“, betonte Bär. Dass wir in einer patriarchal geprägten Zeit leben, sei in den zwei Jahren Pandemie „wie in einem Brennglas“ deutlich geworden.

Noch immer „patriarchale“ Gesellschaft

Es zeige sich daran, dass in dieser Zeit die Gewalt gegenüber Frauen zugenommen hat, aber auch an Berichten von Frauen, an denen die Hausarbeit hängen geblieben ist, obwohl sie gleichzeitig berufstätig waren.

Bär wisse von ihren männlichen Kollegen an der Universität, dass sie während der Pandemie viele Publikationen herausgebracht hätten, ihre weiblichen Kolleginnen viel weniger. „Allein an diesem arbeitstechnischen Output kann man ablesen, wie patriarchal unsere Gesellschaft doch noch geprägt ist.“

Gott – eine beschützende Bärin

Gender-Forschung in der Theologie bedeute, danach zu fragen, welchen Anteil die Religion daran hat, dass in der Gesellschaft den Frauen eine untergeordnete Rolle zugeschrieben wird, und nach Maßnahmen zu suchen, die die fixierten Rollenbilder aufbrechen können.

„Mich persönlich interessiert das Gottesbild. Reden wir nur vom männlichen Gott, oder greifen wir die Ergebnisse der biblischen Exegese auf, die belegt, dass Gott auch mit weiblichen Metaphern beschrieben worden ist?“ Martina Bär verwies auf Gottesbilder wie die beschützende Bärin (Hosea 13,8) und die Henne, die ihre Küken unter ihre Flügel nimmt (Lukas 13,34).

„Sich der Moderne öffnen“

Die Einschätzung, dass sich die Zukunft der Kirche an der „Frauenfrage“ entscheiden werde, wie derzeit oft zu hören ist, teilt Martina Bär nicht ganz. „Ich glaube, die Zukunft wird sich daran entscheiden, ob die Kirche es schafft, sich der Moderne zu öffnen“, was die „Frauenfrage“ impliziere. Das andere sei, wie sie es schaffe, mit dem Missbrauchsskandal umzugehen. „Ob sie weiterhin versucht, kirchliche Machtstrukturen zu bewahren, oder ob sie sich wirklich auf die Seite der Opfer stellt“, gab Bär zu bedenken.

Bär hat zuvor in der Schweiz und als Gastprofessorin in Berlin gelehrt, ist verheiratet und hat ein Kind. „Das funktioniert im Moment ganz gut, weil ich einen Mann habe, der mich unterstützt und viel Sorge um unser Kind hat.“ Ungleichbehandlung auf ihrem Karriereweg hat sie nicht erfahren. Bei der Bewerbung auf eine Professur habe sie viel Rückenwind von einem Frauennetzwerk in Berlin erhalten. „Es war schnell klar, wenn man sozusagen in die Machtbereiche der Universität eintritt, muss man sehr selbstbewusst auftreten.“ Die Grazer Fakultät beschreibt sie als besonders familienfreundlich. „Das ist wie ein Sechser im Lotto, man hat mir sogar angeboten, das Kind notfalls zur Professorenkonferenz mitnehmen zu können.“

Studium in Tübingen und Madrid

Martina Bär ist 1976 in Wangen im Allgäu geboren. Sie studierte in Tübingen und Madrid. Bär promovierte über die Gottebenbildlichkeit von Mann und Frau und habilitierte über die Gottesrede in (post-)modernen Städten.

Ihre Lehrtätigkeit führte Bär nach Erfurt, Luzern, Zürich und Berlin. Die neue Professorin für Fundamentaltheologie der Universität Graz spricht am Montag, 11. Juli bei „radio klassik Stephansdom“ über theologische Geschlechterforschung, weibliche Gottesbilder und die Zukunft der Kirche (17.30 Uhr).