NGK_Ben (Luzer Twersky) und Adel (Haitham Omari) – Filmszene aus „Nicht ganz koscher“
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„Nicht ganz koscher“: Ein Roadtrip durch die Wüste

Am 5. August kommt mit „Nicht ganz koscher“ ein Roadmovie der besonderen Art in die Kinos. Mit Augenzwinkern, aber auch großer Ernsthaftigkeit erzählen die deutschen Drehbuchautoren und Regisseure Stefan Sarazin und Peter Keller darin von der Begegnung eines streng gläubigen Juden und eines Beduinen. Das Drehbuch schrieben sie in der Wüste.

Um den Verkupplungsversuchen seiner Familie zu entgehen, bietet sich der ultraorthodoxe Jude Ben (Luzer Twersky) aus Brooklyn an, nach Alexandria zu fliegen. Denn die einst größte jüdische Gemeinde der Welt ist geschrumpft. Nun fehlt ihr der zehnte Mann, um das anstehende Pessachfest zu feiern. Zu allem Übel läuft die Gemeinde damit auch noch Gefahr, das Anrecht auf ihren Besitz zu verlieren. Ben scheint die Rettung zu sein. Doch er verpasst den Flug.

Die Reise über den Landweg gestaltet sich schwierig, die Vorbehalte gegen orthodoxe Juden sind groß: Ben wird aus dem Bus geworfen. Als Anhalter trifft er auf den Beduinen Adel (Haitham Omari). Dieser verspricht ihm, ihn mitzunehmen, doch zuvor muss er seine eigenen Probleme lösen. Ihr Weg führt sie tief in die Wüste und zu der Frage, wie religiös-kulturelle Differenzen überwunden werden können. „Nicht ganz koscher“ ist ein kluger Film, der große Fragen mit einer erfrischenden Leichtigkeit thematisiert, ohne dabei banal zu werden oder vorschnell Antworten zu geben.

Inspiration in der Wüste Sinai

Eine erste Inspiration für den Film hatte Sarazin vor beinahe 20 Jahren. In der Wüste Sinai lernte er Beduinen kennen. „Diese Wortkargheit und auch diese Geradlinigkeit, die Beduinen zum Teil haben, auch die Undurchsichtigkeit“ faszinierten ihn. Mit einem von ihnen, Adel, freundete er sich an. Die Idee für den Film entstand, blieb aber zunächst vage: Im Mittelpunkt ein Beduine, der um sein Land und seine Identität kämpft, auf der anderen Seite westliche Kapitalisten und ein weltfremder amerikanischer Jude, der im Sinai ein wertvolles Stück Land geerbt hat.

NGK_Ben (L. Twersky) und Adel (H. Omari) am Lagerfeuer – Filmszene aus „Nicht ganz koscher“
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Ben, gespielt von Luzer Twersky, und Haitham Omari in der Rolle von Adel

Wirklich Form nahm der Film erst einige Jahre später an, erzählt Sarazin: Eine Freundin, Freyja Weinert, mit der er sich des Öfteren über die Geschichte ausgetauscht hatte, hatte den entscheidenden Einfall, als sie sagte: „Warum geht dein Jude nicht als zehnter Mann durch die Wüste nach Alexandria? Wie beim Exodus bloß in die andere Richtung?“ Die Idee der religiösen und kulturellen Pole, die sich daraus entwickelte, überzeugte auch Peter Keller: „Damit eine universelle Geschichte zu erzählen, fand ich reizvoll.“

Die Idee für das Buddy-Road-Movie mit religiösem Hintergrund war geboren. Wie Keller und Sarazin gegenüber religion.ORF.at erzählen, schrieben sie das Drehbuch in exakt 40 Tagen in der Wüste Sinai. Wie Keller erklärt, geht es ihnen auch darum, mit dem Film zu zeigen, dass „die Probleme zwischen den Menschen, die wir auf unserem Planeten haben, eigentlich nicht in der Form möglich sind, wenn man sich als Mensch begegnet und als Menschen respektiert und offen und offenen Herzens ohne Arg aufeinander zugeht“.

Drehbuch mit Lola ausgezeichnet

Für das Drehbuch mit dem Titel „No Name Restaurant“ erhielten Sarazin und Keller bereits 2011 die Lola für den Deutschen Drehbuchpreis. Die Jury begründete ihre Wahl damit, dass es nicht nur intelligent geschrieben sei, sondern „auf sehr unterhaltsame und fantasievolle Weise das Philosophieren über die Grundlagen des Menschseins mit einem handfesten Abenteuer und viel Situationskomik verbindet“.

Der Erfolg der beiden liegt sicher auch an der gründlichen Recherche und den zahlreichen Reisen, die dem Projekt vorangegangen sind. Sie führten Sarazin und Keller in den Nahen Osten, nach Jerusalem und schließlich nach New York, um dort für den Film Einblicke in das Leben der ultraorthodoxen jüdischen Gemeinden zu gewinnen. Der Film selbst wurde in 34 Tagen und zwei Drehperioden gedreht. Die ersten Aufnahmen fanden 2017 in Haifa statt, der Hauptteil wurde 2019 in Palästina, Jerusalem und Jordanien gefilmt.

Peter Keller, Haitham Omari, Luzer Twersky, Stefan Sarazin (von links nach rechts)
Holger Jungnickel
Peter Keller, Haitham Omari, Luzer Twersky, Stefan Sarazin (v. l. n. r.)

„Von der Tagespolitik eingeholt“

Gearbeitet wurde mit lokalen Teams, bis auf Schlüsselpositionen wie Kamera, Ton, Maske, Kostüm- und Szenenbild, die aus Deutschland kamen. Twersky, der Ben verkörpert, entstammt selbst einer chassidischen Gemeinde in Brooklyn, aus der er ausbrechen musste, um Schauspieler werden zu können. Omari (Adel) ist ein muslimischer Palästinenser aus Ostjerusalem. Auch die anderen Darsteller und Darstellerinnen kommen, wie Sarazin erzählt, „aus genau diesen realpolitischen spannenden Situationen“, die auch der Film thematisiert.

Keller erinnert sich, dass sie die Tagespolitik beim Dreh immer wieder eingeholt hätte. Dabei zeigte sich, dass die größten Probleme nicht im Zwischenmenschlichen lagen, sondern im Politischen. Es habe zum Teil viel Überzeugungskraft gebraucht, das ganze Team, mit ihren unterschiedlichen Pässen, immer durch die Checkpoints zu bekommen, so Sarazin.

Ein Film, der zum Nachdenken anregt

„Nicht ganz koscher“ kommt an vielen Stellen ohne große Worte aus. „Es ist eine lakonische Art des Erzählens, die den Charme und den feinen Humor des Films ausmacht“, sagt Keller. Eine Inspiration dazu fanden sie während ihrer Reisen in der Wüste. Sarazin: „Die Wüste macht einen ja auch oft sprachlos. Also die Wüste ist nichts für Plaudertaschen. In der Wüste wird man bald stumm. Da ist es zu heiß, da ist es zu leer, da ist es zu leise.“

NGK_Gaon (Makram Khoury) beim Pessahmahl – Filmszene aus „Nicht ganz koscher“
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Der jüdischen Gemeinde in Alexandria fehlt in „Nicht ganz koscher“ der Nachwuchs

Dass die beiden Hauptdarsteller einander im Film oft wenig sagen, einander nur vorsichtig beäugen, regt zum Nachdenken an. Dasselbe gilt für die Frage nach den Frauen. Denn sie sind, nicht zuletzt aufgrund der Liebesgeschichten, immer wieder stark präsent, ohne viel im Bild zu sein. Ein Grund hierfür sind auch die patriarchalen Strukturen der drei monotheistischen Religionen, die nicht eigens thematisiert werden, wohl aber mit anklingen.

„Nicht ganz koscher“ gibt spannende Einblicke in große Themen jüdisch-orthodoxer Gemeinden, der Beduinen und der politischen Situation in Alexandria. Die märchenhafte Annäherung an diese erzeugt dabei eine Leichtigkeit, die Lust auf mehr macht.