Gefaltete Hände eines polnischen Priesters
APA/AFP/Janek Skarzynski
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Polen

Missbrauchskommission: Kirche soll Aktenvernichtung stoppen

Polens staatliche Kommission zur Aufarbeitung von sexuellem Kindesmissbrauch hat von der römisch-katholischen Kirche erneut die Freigabe von Akten über beschuldigte Geistliche gefordert und verlangt, Akten nach einer Verurteilung nicht so schnell zu vernichten.

Die Kirche leiste viel Präventionsarbeit gegen sexualisierte Gewalt, „aber wenn es um den Zugang zu Dokumenten geht, gibt es eine unverständliche Barriere“, kritisierte Kommissionschef Blazej Kmieciak am Dienstag in Warschau bei der Vorstellung des neuen Jahresberichts. Der Botschafter des Vatikans in Polen habe seine Bitte um die Bereitstellung von Akten nicht beantwortet.

Sobald Diözesen Akten über kirchliche Verfahren gegen Beschuldigte an den Vatikan übergäben, kämen sowohl die polnische Justiz als auch die Aufarbeitungskommission nicht mehr an sie heran, so Kmieciak. Zudem beklagte er, dass die polnischen Bischöfe der Bitte der Kommission nicht nachkämen, Akten nach einer Verurteilung länger aufzubewahren. Sie würden weiter nach zehn Jahren vernichtet, wie es das Kirchenrecht vorsehe.

Analyse von Dokumenten notwendig

Um die Wahrheit festzustellen, brauche man neben Zeugenaussagen auch die Analyse von Dokumenten, so der Professor für Medizinrecht. Anders als die Kirche lobte Kmieciak die Justiz des Landes, weil sie Akteneinsicht gewähre.

Der Kommission wurden seit vergangenem Sommer 57 Fälle mitgeteilt, in denen Geistliche sexuellen Kindesmissbrauch begangen haben sollen. Sie erfasst Fälle von Missbrauch von Kindern unter 15 Jahren aus den Bereichen Bildung, Kultur, Freizeit und Sport sowie Religionsgemeinschaften. Die Kommission soll unter anderem Vorschläge für einen besseren Schutz von Minderjährigen machen.

Geistliche größte Täter-Gruppe

Der staatlichen Kommission zufolge sind Geistliche eine der Haupttätergruppen bei sexuellem Missbrauch von Kindern. Die 2020 eingesetzte Kommission zum Schutz von Minderjährigen vor Missbrauch stellte am Dienstag in Warschau ihren zweiten Jahresbericht vor.

Seit Juli 2021 seien 513 Fälle von Kindesmissbrauch aufgearbeitet worden, darunter 318 neue Fälle, sagte der Vorsitzende Blazej Kmieciak. Er bestätigte die Erkenntnis aus anderen Ländern, dass die Täter bei Kindesmissbrauch oft mit den Opfern verwandt seien. Bei den untersuchten Taten mache dies einen Anteil von 38 Prozent aus.

Mehr Mädchen als Buben betroffen

Doch wo die Täter nicht mit dem missbrauchten Kind verwandt gewesen seien, bildeten Geistliche die größte Gruppe. Die Kommission hatte es mit 57 solcher Fälle zu tun. Im Vergleich dazu wurden bei Lehrern, Erziehern und Vormündern (9 Fälle), Sporttrainern (6) oder Ärzten (2) weniger Fälle erfasst, wie die Agentur PAP meldete.

Dabei traf diesen Angaben zufolge Missbrauch mehr Mädchen als Buben. Ihrem Auftrag nach nimmt die Kommission Anzeigen entgegen und leitet sie an die Staatsanwaltschaft weiter. Sie verfolgt den Verlauf von Strafverfahren und forscht zur Wirksamkeit des Schutzes von Kindern.