Reisen zu entfernten Galaxien samt futuristischen Technologien werden in der Science-Fiction-Literatur seit mehr als 100 Jahren beschrieben, und zum Teil seien diese Ideen sehr „hellsichtig“, wie der Astronom und Astrophysiker Franz Kerschbaum sagt. Etwa, was die Fortbewegung auf der Erde und die Telekommunikation betreffe. Für die Religionswissenschaftlerin Theresia Heimerl kommt in diesem Genre auch eine Ehrfurcht vor dem All zum Ausdruck.
Als wesentlichen Motor für die Sehnsucht nach dem Himmel bzw. für das Interesse am Himmel sieht Kerschbaum die Suche nach sich selbst und nach dem Woher und Wohin. Diese Fragen beschäftigten die Menschheit von Beginn an, wie archäologische Funde belegen.

Sehnsucht durch den Blick hinauf
Während im Englischen zwischen heaven und sky unterschieden wird, kennt die deutsche Sprache nur einen Begriff: Blauer Himmel (Erdatmosphäre), Sternenhimmel (Weltraum) und sogar das ganze Universum werden als Himmel bezeichnet. „Der Himmel hat aber auch noch die Konnotation, wo wir vielleicht hinkommen, wenn wir brav waren – im Gegensatz zur Hölle“, so der Astronom. Gerade diese Mehrdeutigkeit sei reizvoll.
Beobachte man den Sternenhimmel länger, finde man Verlässlichkeit, Klarheit und Berechenbarkeit. Gerade in einer Welt des Umbruchs und der Unsicherheit brachte der Himmel Ordnung und Struktur in das „Chaos“ auf der Erde. Zum Beispiel hätten die Ägypterinnen und Ägypter gewusst, „wenn sie den Sirius zum ersten Mal wieder am Himmel sehen, kommen bald die Nilfluten“.
Franz Kerschbaum
ist Professor für beobachtende Astrophysik an der Universität Wien.
Er selbst sei beim Anblick des Sternenhimmels mehr Mensch als Astronom und habe eine „große Sehnsucht nach dem Himmel“. Mit den funkelnden Sternen, den Wolken und Farben, die schon mit freiem Auge sichtbar sind, habe der Himmel eine starke ästhetische Komponente. Der Blick hinauf, sagt Kerschbaum, habe etwas „Erhabenes“.
Der Himmel als Konzept
Antworten auf die menschlichen Erfahrungen beim Blick in den Himmel versuchen auch die Religionen zu geben. Praktisch alle religiösen Traditionen würden den Himmel als Ort des Übernatürlichen, Transzendenten, von Gottheiten, einer Gottheit oder höheren Wesen konzipieren, sagt die Religionswissenschaftlerin Theresia Heimerl. Alle diese Konzepte waren bzw. sind unerreichbar und bis zum Aufkommen der Naturwissenschaft waren viele Himmelserscheinungen unerklärlich. Die Deutungshoheit hatten Religionen inne.
Speziell in der christlichen Tradition werde der Himmel eng mit Jenseitsvorstellungen verbunden und als „besserer Ort im Gegensatz zu dieser Welt“ verstanden, so die Religionswissenschaftlerin. Ein Beispiel dafür sind Himmelsreisen, die besonderen religiösen Personen zugeschrieben werden – etwa die Himmelfahrt Marias, der in der christlichen Tradition am 15. August gedacht wird.

„Gottes Plan“ in den Sternen
Schon in der frühen Menschheitsgeschichte wurde die Bedeutung der Sterne für das Leben auf der Erde erkannt und gedeutet. Archäologische Funde geben Aufschluss über präzise astronomische Kenntnisse – etwa bei der Anasazi-Kultur im Südwesten der USA. Im Zeitraum zwischen 400 und 1.300 n. Chr. entstand dort ein kalendarischer Tempel mit Nischen, die nur am längsten Tag im Jahr vom Sonnenlicht angestrahlt wurden.
Theresia Heimerl
ist römisch-katholische Theologin und Professorin für Religionswissenschaft an der Uni Graz.
Im 16./17. Jahrhundert suchte Johannes Kepler mit wissenschaftlichen Methoden nach dem „Plan Gottes“ in den Sternen. Die Naturwissenschaft frage nach der Ordnung im Chaos und nach Gesetzmäßigkeiten, das müsse aber heute nicht mehr unbedingt mit der Gottesfrage verbunden sein, sagt Kerschbaum. Bei aller naturwissenschaftlicher Erkenntnis könne aber trotzdem am Ende gefragt werden, warum eine Gesetzmäßigkeit so und nicht anders ist.
Als Beispiel nennt Kerschbaum den Blitz. Früher wurde ein Blitz als unmittelbare Strafe Gottes angesehen. Heute sind die physikalischen Zusammenhänge dieses Phänomens zwar geklärt, dennoch könnten auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fragen, ob es einen Sinn dahinter gibt.
Unvorstellbare Dimensionen
Die unendlichen Dimensionen des Alls sind für Kerschbaum ein weiterer Sehnsuchtsfaktor und durch die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse lässt sich das, was man beim Blick in den nächtlichen Himmel vielleicht intuitiv erfasst, ansatzweise festmachen: Knapp 400.000 Kilometer ist beispielsweise der Mond von der Erde entfernt. Wobei das noch nah sei, sagt der Astronom.

Diese Distanz könne man sich noch vorstellen, denn „ein gut ausgefahrenes Auto fährt etwa 400.000 Kilometer“. Die Sonne ist schon 150 Millionen Kilometer weit weg, da hört es mit der Vorstellungskraft auf.
Urlaub im All
Dass kürzlich superreiche Privatpersonen wie Jeff Bezos und Richard Branson ins All geflogen sind, kann vermutlich auch als eine Art Sehnsucht nach dem Himmel gedeutet werden. Kerschbaum sieht das zwar als „im wahrsten Sinn des Wortes komplett abgehobenes Erlebnis“ mit einer schlechten Umweltbilanz, aber auch schlicht als ein fernes Urlaubsziel. Diese momentan möglichen, vereinzelten Kurzreisen („Hüpfer“) seien aber zu kurz, um einen wirklichen Überblick bzw. ein Gefühl für die Dimensionen zu bekommen.
Früher oder später werde es auch etwas längere Aufenthalte am Mond oder Mars geben, schätzt Kerschbaum – allerdings auch eher als „Minderheitenprogramm“ mit eingeschränktem Urlaubsfeeling (im Anzug im siloartigen Schutzgebäude). „Alles, was machbar ist, wird gemacht – ob’s gut oder schlecht ist.“
Kein „Planet B“
Das Bewusstsein für die Größe des Alls und damit verbunden die Kleinheit der Erde relativiert laut Kerschbaum einiges. Die Erde sei ein „kleines blaues Punkterl“ und statt uns so wichtig zu nehmen, sollten die Menschen „glücklich sein, dass wir hier gelandet sind“. Denn, so der Astronom, drumherum sei es „ganz und gar lebensfeindlich“, „da gibt’s nichts, wo wir uns wohlfühlen könnten“.