Missbrauch

Bericht bestätigt Vorwürfe gegen deutschen Lateinamerika-Bischof

Eine unabhängige Untersuchung hat die schweren Missbrauchsvorwürfe gegen den 2017 verstorbenen, von der katholischen Kirche in Kolumbien und Ecuador eingesetzten Priester und späteren Bischof, Emil Stehle, bestätigt.

Stehle habe andere Priester, die des sexuellen Missbrauchs beschuldigt wurden, unterstützt, sich Ermittlungen zu entziehen, teilten die Deutsche Bischofskonferenz und das Hilfswerk Adveniat am Montag in Bonn mit. Dem 2017 verstorbenen früheren Adveniat-Chef werde zudem selbst sexueller Missbrauch vorgeworfen.

Die Vorwürfe gegen Stehle sind nicht neu und waren im Zuge einer Missbrauchsstudie im Bistum Hildesheim im September 2021 bekannt geworden. Die Studie war Ausgangspunkt der von der Rechtsanwältin Bettina Janssen erstellten Untersuchung. Eingang in die Untersuchung fanden Protokolle und Gespräche mit aktuellen und ehemaligen Adveniat-Mitarbeitern sowie die Berichte von acht vom Missbrauch betroffenen Frauen, die sich nach September 2021 gemeldet hatten.

Missbrauchstäter in allen Funktionen

Dem gebürtig aus dem Erzbistum Freiburg stammenden Stehle werden dem Bericht zufolge insgesamt 16 Meldungen von sexuellem Missbrauch zugeordnet. Die Taten soll er in seiner Zeit als Priester in Bogota in Kolumbien, als Adveniat-Geschäftsführer in Essen und später als Weihbischof und dann Bischof von Santo Domingo in Ecuador verübt haben.

Janssen erklärte, „nach den Ergebnissen der Aktenuntersuchung ist es möglich, dass es weitere sexuelle Übergriffe durch Stehle gab.“ Auch könne es sein, dass er weiteren Priestern in Lateinamerika zur Tarnung verholfen habe. Janssen appellierte an die lateinamerikanischen Bistümer, sensible Anstrengungen zu unternehmen, um mögliche weitere Betroffene zu erreichen.

Andere Missbrauchstäter versteckt

Bestätigt habe sich, dass Stehle in den 1970er Jahren drei Priestern half, sich in Deutschland anhängigen Strafverfahren zu entziehen. In zwei Fällen seien die Priester wegen Kindesmissbrauchs gesucht worden, in einem Fall sei der Tatvorwurf den Akten nicht zu entnehmen gewesen. Durch Namenscodierungen, Tarnadressen und Unterhaltshilfen habe Stehle dafür gesorgt, dass die Männer verdeckt in Lateinamerika bleiben konnten.

Der Theologe lebte von 1926 bis 2017. Im Jahr 1972 betraute ihn die Bischofskonferenz mit der Leitung der Koordinierungsstelle für Priester, die befristet für Missionsdienste nach Lateinamerika entsandt wurden. Später wurde Stehle Geschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat.

Heutiger Adveniat-Geschäftsführer entschuldigt sich

Der heutige Leiter der Koordinationsstelle Fidei Donum, Martin Maier, der auch Hauptgeschäftsführer von Adveniat ist, zeigte sich tief erschüttert über die Erkenntnisse und bat um Entschuldigung: „Viel zu lange blieben seine Schandtaten im Dunkeln, erst die Meldungen von Betroffenen haben eine Aufarbeitung möglich gemacht“, so der Jesuit. Die Kirche müsse sich solchen Taten weltweit stellen.

Für die Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz, Beate Gilles, steht fest: „Der Untersuchungsbericht ist kein Schlusspunkt, sondern wird noch zu klärende Konsequenzen nach sich ziehen.“ Die Erkenntnisse würden nun an die zuständigen Diözesen weitergeleitet, in denen konkrete Missbrauchsvorwürfe gegen Diözesanpriester aufgearbeitet würden. Die Entsendung von Priestern und anderen pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern müsse kritisch überdacht werden. Es müsse nachgewiesen werden, dass sie im Bereich sexueller Übergriffigkeit nicht vorbelastet seien; auch müssten sie Präventionsschulungen nachweisen.