Nigeria

Zunehmend Entführungen von Priestern und Ordensfrauen

Im nigerianischen Bundesstaat Imo sind Ende August vier Ordensfrauen entführt und zwei Tage später wieder freigelassen worden, wie Kathpress am Montag berichtet. Die Entführungen von Ordensleuten und Priestern in Nigeria haben zugenommen und gehen nicht immer glimpflich aus.

Erst Ende Juni hätten Bewaffnete einen verschleppten Priester ermordet. Schätzungen zufolge sollen in diesem Jahr mindestens vier katholische Geistliche bei Entführungen getötet worden sein. In der ersten Jahreshälfte wurden insgesamt 18 entführt, so die Zeitung „The Punch“.

Die Sicherheitsfirma SBM Intelligence mit Sitz in der Hafenmetropole Lagos gibt an, dass von Juli 2021 bis Juni 2022 insgesamt 3.420 Menschen im ganzen Land verschleppt wurden. 564 kamen bei Entführungen ums Leben. Das Unternehmen konnte Lösegeldzahlungen in Höhe von umgerechnet knapp vier Millionen Euro verifizieren. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen.

Priester in Angst, Kirchen schließen

Besonders betroffen ist der Bundesstaat Kaduna. Dort gilt vor allem der Süden seit Jahren als unsicher. Immer wieder kommt es zu Massakern, Konflikten der verschiedenen ethnischen Gruppen und Verschleppungen. Priester und Pastoren geraten offenbar zunehmend in den Fokus. „18 Baptistenkirchen mussten wir bereits schließen“, bedauert John Joseph Hayab, Vorsitzender der Christlichen Vereinigung Nigerias (CAN) im Bundesstaat Kaduna. Und weiter: „Pfarrer sind nicht mehr bereit, dauerhaft in ländlichen Regionen zu arbeiten. Auch ich habe Angst und kann meine Aufgaben nicht mehr so wahrnehmen wie früher. Ich muss meine Reisen einschränken.“

Hayab wird sofort informiert, wenn in Kaduna wieder ein Pastor in die Hände von Entführern gerät. Längst nicht alle Entführungen schaffen es überhaupt in die Medien. Für Hayab ist klar: „Es ist das Ergebnis der schlechten Regierungsführung, die schon vor vielen Jahren begonnen hat.“ Vereinzelt gebe es zwar Erfolge der Regierung, so Hayab. Die Straße zwischen Kaduna und der Hauptstadt Abuja, die in den vergangenen Jahren zum Zentrum von Entführungen geworden ist, sei heute wieder sicherer. „Die Entführungswelle ist aber keinesfalls vorbei.“

Menschen in entlegenen Dörfern schutzlos

Die schlechte wirtschaftliche Lage ist aus Sicht von Ordensfrau Rosemary Ukata Ursache für die Verschleppungen. Sie ist aus der Hauptstadt Abuja in den Bundesstaat Abia gezogen. In Zusammenarbeit mit Frauen baut sie im Dorf einen Bauernhof auf, um Bewohnern Versorgung und Einkommen zu sichern. „Wir müssen Alternativen bieten“, sagt sie. Schutz durch Polizei oder Militär gibt es gerade in entlegenen Regionen nicht.

„Plötzlich kann jemand mit einer Kalaschnikow vor dir stehen und innerhalb von Stunden viele Millionen Naira erbeuten.“ Deshalb sei es wichtig, die Umgebung genau zu beobachten: „Wenn zum Beispiel der Verkehr auf einer Straße ins Stocken gerät, bedeutet das oft: Bewaffnete haben eine Straßensperre errichtet, und nichts bewegt sich mehr.“

Reiche Kirchengründer „falsches Bild“

Dass aktuell mehr Priester und Pastoren verschleppt werden, liege mitunter auch an deren Lebensstil. In Nigeria sind einige Kirchengründer zu Multimillionären geworden. Sie besitzen riesige Villen im In- und Ausland, Luxusautos und Privatjets. „So entsteht ein falsches Bild. Schon wenn ich in einem Auto zu einer Veranstaltung fahre, kann das falsch interpretiert werden: Wenn jemand in einem Pkw unterwegs ist, dann ist dort Geld zu holen.“

Bisher von Entführungen verschont geblieben ist Makurdi, Hauptstadt des Bundesstaates Benue in Zentralnigeria. „In der Stadt sind wir sicherer als auf dem Land“, sagt Priester Remigius Ihyula, der das Caritas-Komitee für Gerechtigkeit, Entwicklung und Frieden (JDPC) der Diözese Benue leitet. „Wir erleben, dass Priester nicht mehr in Gemeinden in Dörfern leben können. Sie fahren beispielsweise nur noch für Beerdigungen dorthin.“

Allerdings leiden nicht nur Geistliche, sondern alle, betont Ihyula: „Menschen können ihre Felder nicht mehr bestellen und nichts mehr ernten. Immer mehr kommen zu uns und bitten um Nahrung.“ Die Krise sei ernst, sagt der Priester. „Ich bin 48 Jahre alt. Eine Situation wie die aktuelle habe ich in Nigeria noch nie erlebt.“