Ökumene

Weltkirchenrat verurteilt Ukraine-Krieg und fordert Klimaschutz

Der ökumenische Weltkirchenrat hat einen Entwurf für eine gemeinsame Resolution vorgestellt, in dem „alle Konfliktbeteiligten“ in der Ukraine zu einem Waffenstillstand aufgefordert werden. Kritik übt der Rat an Vertreibungen und Menschenrechtsverletzungen durch Israel und er fordert mehr Klimaschutz.

Zwei wegweisende Erklärungen zum Krieg in der Ukraine und zum Klimaschutz bereitet derzeit die Vollversammlung des Weltkirchenrats (Ökumenischer Rat der Kirchen, ÖRK) in Karlsruhe vor. Der am Montag veröffentlichte erste Entwurf verurteilt den Krieg, vermeidet aber Schuldzuweisungen an den russischen Präsidenten Wladimir Putin sowie Kritik an der russisch-orthodoxen Kirche wegen ihrer Unterstützung und Rechtfertigung des Kriegs.

Der Entwurf soll in den nächsten Tagen im Plenum der Vollversammlung ebenso diskutiert und verabschiedet werden wie ein weiterer Text, bei dem es um den Klimaschutz geht.

„Sofortiger Waffenstillstand“

Hinsichtlich der Ukraine heißt es im Entwurf, die Vollversammlung „verurteilt diesen illegalen und nicht zu rechtfertigenden Krieg. Wir erneuern den Ruf nach einem sofortigen Waffenstillstand, um das Sterben und die Zerstörung zu stoppen, und nach Dialog und Verhandlungen, um einen nachhaltigen Frieden zu erreichen“.

An „alle Konfliktbeteiligten“ geht der Appell, die Grundsätze des internationalen Völkerrechts insbesondere im Hinblick auf den Schutz der Zivilbevölkerung und der zivilen Infrastruktur sowie die humane Behandlung von Kriegsgefangenen zu respektieren.

Stellung gegen Krieg beziehen

Die Anwesenheit von Vertretern der Kirchen der Ukraine und Russlands in Karlsruhe hat laut dem Entwurf „als eine praktische Gelegenheit für Begegnung und Dialog gedient und als ein Zeichen unseres anhaltenden Engagements dafür, miteinander in Dialog zu treten über die Dinge, die uns trennen“.

Weiter bekräftigt der Entwurf den Aufruf des Weltkirchenrats vom Juni „an unsere christlichen Schwestern und Brüder in den russischen und ukrainischen Kirchen, ihre Stimmen zu erheben, um gegen die anhaltenden Tötungen, die anhaltende Zerstörung, Vertreibung und Enteignung der Menschen in der Ukraine Stellung zu beziehen“.

Warnung vor Atomkrieg

In der fünfseitigen Erklärung wird „die stark gestiegene Militarisierung, Konfrontation und Spaltung auf dem europäischen Kontinent“ als eine der vielen Folgen des Kriegs in der Ukraine beklagt. Sie gehe einher mit einer riesigen und meist unkontrollierten Verbreitung von Waffen in der Region und einer neuen und sich zuspitzenden Gefahr eines Atomkonflikts, welcher eine Katastrophe schrecklichen und wahrscheinlich globalen Ausmaßes auslösen würde.

„Eine neue Trennlinie wird quer durch den Kontinent gezogen, und beide Seiten sind bis an die Zähne bewaffnet.“ Es bestehe die Gefahr, dass künftig auch andere größere Länder versuchen könnten, kleinere Nachbarländer unter dem Vorwand der Verteidigung nationaler Interessen einzunehmen.

Folgen für Kirchen „gravierend“

Auch für die Kirchen selbst seien die Folgen des Krieges „schon jetzt gravierend, einschließlich der Entscheidung der Ukrainischen Orthodoxen Kirche, alle ihre Verbindungen mit dem Moskauer Patriarchat zu brechen“, heißt es weiter. Das Streben nach Einheit unter Gläubigen bleibe „eine dringende, aber unerfüllte Aufgabe für die weltweite Kirche – aber durch Krieg verursachte Traumata und Misstrauen verkomplizieren diese Aufgabe“.

Unterstützung für Nahost-Christen

Der Lage in Nahost widmet sich ein weiterer am Montag präsentierter Resolutionsentwurf. Ebenfalls auf fünf Seiten wird darin die Situation von Christinnen und Christen in Israel, in den Palästinensergebieten sowie in Syrien und Irak als dramatisch bezeichnet. Christliche Gemeinschaften seien vielfach Opfer von Kriegen, Extremismus und Menschenrechtsverletzungen – und somit in der „historischen Wiege unseres Glaubens“ in ihrer Existenz gefährdet.

Mehr internationale Unterstützung für die Christen in der Region sei nötig, darunter auch in Israel, sei doch beispielsweise in Jerusalem die christliche „Präsenz und Identität“ in Gefahr. Die Rechte aller Bewohner – Muslime, Juden, Christen, Palästinenser und Israelis – müssten gleichermaßen geschützt werden, so die Forderung.

Menschenrechtsverletzungen an palästinensischen Christen

Israels Politik wird deutlich kritisiert, gleichzeitig prangert die Resolution Missstände und Gewalt auf palästinensischer Seite an. Den im Vorfeld der Versammlung des Weltkirchenrats erhobenen Vorwurf einer israelischen „Apartheid-Politik“ gegenüber den Palästinensern greift das Papier nicht auf. Allerdings wirft der Resolutionsentwurf Israel Vertreibungen und Menschenrechtsverletzungen von palästinensischen Christen vor.

Vielfach werde deren Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Katastrophal sei die humanitäre Lage im Gazastreifen. Den israelischen Siedlungsbau kritisiert die Resolution als völkerrechtswidrig. Zugleich verurteilt der Resolutionsentwurf Gewalttaten der Hamas und anderer palästinensischer Terrorgruppen. Deren Gewalttätigkeiten und Angriffe auf Israel befeuerten die „Spirale der Gewalt“ und seien für die aktuelle Konfliktlage mitverantwortlich.

Explizit anerkennt die Resolution den „rechtmäßigen Platz des Staates Israel in der internationalen Staatengemeinschaft“, Israels Hoheitsrechte sowie die „legitimen Bedürfnisse nach Sicherheit“. Ein echter Friede werde aber, so der Entwurf, nur durch ein Ende der „illegalen Besetzung“ palästinensischer Gebiete möglich.

Ökologischer Umbau

Weiters will der Dachverband von weltweit 350 christlichen Kirchen und Gemeinschaften bis Donnerstag auch einen Appell für sofortiges Handeln zum Schutz von Umwelt, Klima und Artenvielfalt verabschieden. Im am Montag vorgelegten Entwurfstext kritisiert der Rat, dass Politik und Wirtschaft zu lange nicht auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum menschenverursachten Klimawandel reagiert hätten. Nun bleibe kaum noch Zeit zum Umsteuern.

Das Papier fordert beispielsweise, den Abbau von Kohle und Gas umgehend zu beenden und vollständig auf erneuerbare Energien zu setzen. Der ökologische Umbau dürfe dabei nicht zulasten der ohnehin schon benachteiligten Gruppen und Staaten gehen, so die Forderung. Reiche Staaten müssten arme Staaten finanziell unterstützen und für bereits erlittene Schäden des Klimawandels entschädigen. Jeder Mensch weltweit habe ein Recht auf saubere und gesunde Umwelt. Eindringlich fordert der Weltkirchenrat ein gerechteres Wirtschaftssystem.

Kirchen sollen CO2-neutral werden

Die Resolution ruft zudem Christinnen und Christen weltweit auf, in ihren eigenen Gemeinschaften für die ökologische Wende zu kämpfen. Es brauche eine „Ökumenische Dekade zum Kampf für eine gerechte und nachhaltige Welt“. Dazu gehöre auch, dass alle Kirchen Treibhausgase einsparten und umweltfreundlicher arbeiteten. Der ÖRK-Dachverband selbst wird aufgerufen, eine eigene Umweltkommission einzurichten und wo immer möglich auf Flugreisen zu verzichten. Bis spätestens 2050 müsse die ÖRK-Arbeit CO2-neutral werden.

Treffen kostet 16,4 Millionen Euro

Die 11. Vollversammlung des Weltkirchenrats tagt noch bis Donnerstag in Karlsruhe. Versammelt sind rund 4.000 Delegierte, Beraterinnen und Experten aus mehr als 120 Staaten. Im ÖRK vertreten sind vor allem evangelische, anglikanische und orthodoxe Kirchen. Die römisch-katholische Kirche hat Gaststatus.

Wie am Dienstag bekannt wurde, betragen die Gesamtausgaben des Treffens rund 16,4 Millionen Euro. Die Bundesrepublik Deutschland unterstützt das Welttreffen von 350 Kirchen und christlichen Gemeinschaften mit 5,5 bis 6 Millionen Euro, die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) steuert 1,5 Millionen Euro bei. Rund 9 Millionen Euro finanziert der ÖRK selbst. Die Vollversammlung findet nur alle acht Jahre statt.

Der reguläre ÖRK-Jahresetat – ohne Vollversammlung – lag laut dem Finanzbericht 2021 zuletzt bei rund 22,5 Millionen Euro. Ein großer Teil der Einnahmen fließt dabei aus Kirchen in Europa an die ÖRK-Zentrale nach Genf.