Ein Mensch in einem Storm-Trooper-Kostüm liest in einem Buch
Reuters/Toby Melville
Reuters/Toby Melville
Buch

„Star Wars“: Das Evangelium nach George Lucas

Anakin Skywalker – der Erlöser? Die Jedi – eine Art Tempelritter? Dazu noch Jungfrauengeburt, weibliche Lichtgestalten und die Apokalypse: Das Theologenehepaar Claudia und Simone Paganini durchleuchtet das „Star Wars“-Universum nach streng theologischer Methode.

Und natürlich mit einem Augenzwinkern: „Durch die Brille der Bibelwissenschaft“ finden die Paganinis in dem gemeinsam geschriebenen Buch „Im Namen des Vaters, des Sohnes und der Macht. Star Wars und die Bibel“ sehr viele Parallelen zwischen der Bibel und der Kultfilmreihe. „Wir haben versucht, zwei unterschiedliche Leserkreise zusammenzubringen“, sagt Claudia Paganini, Professorin für Medienethik an der Hochschule für Philosophie in München, im Gespräch mit religion.ORF.at.

Der Kampf Gut gegen Böse ist die Hauptidee der Handlung, und dieser Kampf erinnert in mehr als nur einer Hinsicht an die Bibel – vom Warten auf den Erlöser bis zum Endzeitkampf der Apokalypse. „Aber das Gut-gegen-Böse-Schema kann auch auf das Innere übertragen werden, auf Konflikte innerhalb der Seele“, so die Theologin.

Von Nazareth und Tatooine

Eine der offensichtlichsten Parallelen ist Anakins geheimnisvolle Geburt ohne erkennbaren Erzeuger durch seine Mutter Shmi und sein Aufwachsen auf dem gottverlassenen Planeten Tatooine am Rande des Universums – so wie Nazareth auch ein unbedeutender Ort „am Rande des Römischen Reichs“ war. Ob und wie Anakin sein mutmaßliches Potenzial als Erlöser einlöst, kann als umstritten gelten.

Szene des Films „Krieg der Sterne“
IMAGO/United Archives /IFTN Plu
Szene aus „Krieg der Sterne“: Meister Yoda lehrt Luke Skywalker, ein Jedi zu werden

Das mehr als schwierige Vater-Sohn-Verhältnis zwischen Darth Vader und Luke Skywalker biete viel Identifikationspotenzial, erklärt Simone Paganini, der Biblische Theologie an der Universität Aachen lehrt – ebenso wie das früher die Familienkonflikte in den Patriarchengeschichten des Alten Testaments getan hätten. Viele Figuren aus „Star Wars“ würden unter C. G. Jungs Archetypen eine gute Figur machen. Das Motiv „David besiegt Goliath“ findet sich von Anfang an – etwa im Bild der kleinen, kreiselnden Flieger vor der dräuenden Macht des riesigen Todessterns.

Moses und „die Macht“

Der Ursprung der Segensformel „Möge die Macht mit dir sein!“ findet sich übrigens in der Bibel: „Empfange Macht und Stärke“ (Dtn 31,7), wünscht Moses seinem Nachfolger Josua im Buch Deuteronomium. „Der Auftritt des zwölfjährigen Jesus im Tempel (…) findet sein Gegenstück in der Prüfung des jungen Anakin vor dem Jedi-Rat in Episode I“, so das Buch. Die Ermordung der Jedi-Auszubildenden auf Corusant habe eine Entsprechung im Massaker an den unschuldigen Kindern durch König Herodes.

Kanonstreit oder: Wer ist Mara Jade?

Wie im Christentum gibt es auch im „Star Wars“-Universum Kanonstreitigkeiten – denn rund um die damals nicht geschützte Marke „Star Wars“ entstanden seit den 1970er Jahren viele Romane, Games und Comics, die im Buch mit apokryphen Schriften verglichen werden – also mit Texten, die es nicht in die kanonisierte Fassung der Bibel geschafft haben. Oder kennt etwa jemand die ersten beiden Kinder von Han Solo und Prinzessin Leia oder „Mara Jade, die Luke Skywalker geheiratet haben soll“?

Buchhinweis

Buchcover Simone und Claudia Paganini: „Im Namen des Vaters, des Sohnes und der Macht. Star Wars und die Bibel“
Herder Verlag

Simone und Claudia Paganini: Im Namen des Vaters, des Sohnes und der Macht. Star Wars und die Bibel. Herder, 128 Seiten, 14 Euro.

Nicht nur Fans beobachteten solche „Abweichungen“ mit Argusaugen, auch „Star Wars“-Schöpfer George Lucas selbst rief im Jahr 2000 eine Abteilung ins Leben, in der „sämtlich kanonische Bestandteile“ des „Star Wars“-Universums gesammelt werden sollten. Der der Öffentlichkeit nicht zugängliche digitale Speicher, der den „Star Wars“-Kanon beherbergt, trägt den Namen „Holocron“ – laut Buchautoren „bezeichnet dieses Wort ein Jedi-Artefakt, in dem die gesamte Weisheit und das gesamte Wissen des Ordens aufbewahrt werden“.

„Holocron“: Der digitale Kanon

Das vergleichen die Paganinis mit dem Wirken eines Mannes namens Markion, der im zweiten Jahrhundert zu definieren versuchte, welche Schriften Teil des Neuen Testaments sein sollten – und welche nicht. Heute erledigt diese Arbeit ein katholisches Kanon-Handbuch, das als „Denzinger“ bekannt ist.

„Enchiridion Symbolorum“ ist der etwas sperrige eigentlich Name des nach dem ersten Herausgeber, dem deutschen Theologen Heinrich Denzinger, benannten Handbuchs, das eine Zusammenstellung der „wichtigsten Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen“ darstellt, wie das Buch lehrt. Die aktuelle Ausgabe des „Denziger“ umfasst knapp 2.000 Seiten – das Holocron besteht derzeit aus 80.000 digitalen Einträgen.

Die Jedi und die Tempelritter

Die kampferprobten, ehelos lebenden Jedi verortet das Buch „zwischen Tempelrittern, Essenern und Zeloten“. Einen möglichen Ursprung des Begriffs sehen die Theologen in dem hebräischen Wort „Jehudim“, das jüdische Organisationen bezeichnet, „deren Mitglieder sich in den 1960er und 1970er Jahren in Israel dem intensiven Studium der Thora einerseits und der bewaffneten Verteidigung des Staates andererseits widmeten“.

Das Theologenpaar Claudia und Simone Paganini
Vandory
Theologenehepaar Paganini: Auf die Bibel neugierig machen

Auf jeden Fall seien Jedi stets zu zweit unterwegs, erinnert „Star Wars und die Bibel“, wie das auch Jesus seinen Jüngern geboten habe. Die Vernichtung der Jedi und die Zerstörung ihres Tempels durch den satanischen Imperator Palpatine in Episode III werden hier mit der Zerschlagung des Ordens der Tempelritter im Jahr 1307 verglichen. Immerhin habe Lucas „in einer ersten Fassung des Drehbuchs zur klassischen Trilogie die Jedi noch als ‚Templer‘ bezeichnet (…)“.

„Im Namen des Vaters, des Sohnes und der Macht. Star Wars und die Bibel“ soll unterhalten und interessante Fakten liefern, aber die Paganinis verfolgen mit diesem und anderen bibelbezogenen Büchern – etwa über Sex in der Bibel – auch klar ein anderes Ziel. „Der Glaube spielt eine immer geringere Rolle“, sagt Simone Paganini, „aber die Bibel ist mehr, sie hat die westliche Kultur massiv beeinflusst.“ Das Buch soll auch religionsfernere Menschen neugierig machen und ihnen wieder einen Zugang zu biblischen Geschichten verschaffen.