Bericht

Franziskanerkustos beklagt „vergessenen Krieg“ in Syrien

Der Franziskanerkustos des Heiligen Landes, Francesco Patton, beklagt, dass der Krieg in Syrien fast vollständig aus dem Interesse der Weltöffentlichkeit verschwunden ist. Mehr als elf Jahre seien seit Beginn des Krieges vergangen, der Millionen Vertriebene und Hunderttausende Tote und Vermisste gefordert hat.

Leider dauere der Konflikt auch heute noch an „und bricht wie ein Feuer unter der Asche in verschiedenen Teilen Syriens aus, während sich die wirtschaftliche Situation allmählich immer mehr verschlechtert“. Patton äußert sich in einem Grußwort im soeben erschienenen Jahresbericht 2021 der österreichischen Initiative Christlicher Orient (ICO).

„Ein Land, das reich an Weizen und Oliven, Öl und Gas ist, wird fast vollständig seiner Ressourcen beraubt und die Bevölkerung hungert“, zeigt sich Patton empört: „Ein Land, das reich an einer jahrtausendealten Geschichte und einer außergewöhnlichen Kultur ist, sieht seine Kinder heute damit kämpfen, einem normalen Schullehrplan zu folgen und einen ausreichenden Bildungsabschluss zu erreichen.“

Christliche Gemeinde „stark reduziert“

Der Franziskanerkustos beklagt weiters, dass die Christen in Syrien immer weniger werden. „Das Land, das die zweite Wiege des Christentums war, (…) sieht nun, dass die christliche Gemeinde zahlenmäßig stark reduziert ist und ihre Kinder von Verzweiflung und dem Wunsch, zu emigrieren, beseelt sind.“

Der Franziskanerkustos des Heiligen Landes, Francesco Patton (li.)
APA/AFP/Hazem Bader
Franziskanerkustos des Heiligen Landes, Patton (li.): „Feuer aus Hass, Krieg und Unordnung“

In Syrien oder auch in der Ukraine sehe man, wie sich das „Feuer aus Hass, Krieg und Unordnung wie ein Lauffeuer ausbreitet und eine Welle des Leids erzeugt, die eine wachsende Zahl von Ländern, Völkern und Menschen erreicht.“ Der Kustos spricht von einer „Globalisierung des Hasses“, die Hand in Hand gehe mit einer „Globalisierung der Lügen“, unterstützt „durch unterschiedlich verkleidete Wirtschafts- und Machtmotivationen“.

Kaum noch Interesse

Auch ICO-Obmann Slawomir Dadas beklagt im Jahresbericht, dass der Nahe Osten und die notleidende Bevölkerung seit dem Krieg in der Ukraine kaum noch auf Interesse stoßen würden. Die ICO wolle sich dieser Entwicklung entgegenstemmen und die schwierige Situation der Menschen vor Ort in der Öffentlichkeit präsent halten, so Dadas. – Der ICO-Obmann ist in seiner Funktion als Pfarrer in Wels und Generaldechant der Diözese Linz aber auch sehr aktiv in der Hilfe für Flüchtlinge aus der Ukraine.

Syrien-Tagung in Salzburg

Die aktuelle Situation in Syrien steht im Mittelpunkt der diesjährigen Jahrestagung der ICO am 19./20. September in Salzburg. Mit dabei sind u. a. der armenisch-apostolische Bischof von Damaskus, Armash Nalbandian, der Franziskaner P. Ibrahim Alsabagh aus Aleppo und der oberösterreichische Jesuit P. Gerald Baumgartner, der seit rund eineinhalb Jahren in Homs lebt und wirkt. Zu Wort kommen werden auch der Salzburger Erzbischof Franz Lackner und der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler.

Von Expertinnenseite werden die deutsche Journalistin und Syrien-Kennerin Kristin Helberg und die Wiener Orientexpertin Gudrun Harrer Beiträge liefern. Auch Österreichs Botschafter in Syrien, Peter Krois, wird bei der Tagung über seine Erfahrungen berichten. Die Tagung im Bildungshaus St. Virgil, bei der die Salzburger „Pro Oriente“-Sektion Mitveranstalter ist, steht unter dem Titel „Syrien – Wege zum Frieden?!“

Baumgartner wird über die Tagung hinaus am Dienstag, 20. September, um 18.30 Uhr in Linz im Pfarrzentrum Don Bosco (Fröbelstraße 30) einen Vortrag über seine Arbeit in Homs halten. Alsabagh ist am Mittwoch, 21. September, um 19.30 Uhr im Wiener Ordenszentrum „Quo vadis?“ (1., Zwettlerhof, Stephansplatz 6) zu Gast.

Zahlreiche Hilfsprojekte

Die in Linz ansässige Initiative Christlicher Orient unterstützt seit mehr als 30 Jahren die Christinnen und Christen im Orient. Zahlreiche Hilfsprojekte werden jedes Jahr in Syrien, im Irak, im Libanon, in Palästina und in Jordanien umgesetzt. Laut Jahresbericht konnte die ICO 2021 insgesamt 93 Projekte mit einem Wert von gut 1,3 Millionen Euro realisieren.

In Syrien waren es 30 Projekte (Gesamtvolumen mehr als 522.000 Euro), im Libanon 31 (434.000 Euro), im Irak 25 Projekte (212.000 Euro) und in den Palästinensergebieten drei Projekte (130.000 Euro). Ebenfalls drei Projekte wurden in der Türkei umgesetzt (16.500) und eines in Jordanien (7.000 Euro).