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Neuapostolische Kirche führt Frauenordination ein

Die Neuapostolische Kirche (NAK) öffnet ihr geistliches Amt für Frauen: Ab Jahresbeginn 2023 können sie in alle Amtsstufen eingesetzt und auch mit Führungsaufgaben auf allen Ebenen betraut werden. Eingesetzt werden sollen sie aber nur dort, wo Gemeinde und Gesellschaft sie akzeptieren.

Im Rahmen eines „virtuellen Gemeindeabends“ wandte sich der internationale Kirchenleiter, Stammapostel Jean-Luc Schneider, am Dienstag in einer Videoansprache an die gut neun Millionen Kirchenmitglieder in aller Welt und gab die Neuerung bekannt und begründete die dahinterstehenden theologischen Überlegungen. Die Neuapostolische Kirche wird von Aposteln geleitet – geistlich wie organisatorisch. Es gibt drei Amtsebenen mit unterschiedlichen geistlichen Vollmachten: das Apostelamt, das priesterliche Amt sowie das Diakonenamt.

Bislang berief die Neuapostolische Kirche nur Männer in die Ämter Diakon, Priester oder Apostel. Diese Praxis sei in der rund 160-jährigen Geschichte der Kirche bislang nicht umfassend lehrmäßig begründet worden, erläuterte der Kirchenleiter in der Ansprache: „Es stellt sich daher die Frage, ob diese traditionelle Beschränkung haltbar ist.“

Stammapostel Jean-Luc Schneider
Neuapostolische Kirche
Der internationale Kirchenleiter, Stammapostel Jean-Luc Schneider, teilte den Gemeinden die Neuerung via Videoansprache mit

Folge von Struktur- und Hierarchiereform

Es seien aber nicht gesellschaftliche Debatten oder staatliche Verfassungen, die diese Frage aufgeworfen hätten. Vielmehr sei die Frage der Frauenordination einer von vielen Aspekten bei der Entfaltung der neuapostolischen Glaubenslehre. Neben ihrem Verständnis von Kirche und Sakrament hat die NAK zuletzt ihr Amtsverständnis ausformuliert. Das mündete 2019 in eine Struktur- und Hierarchiereform.

Antworten auf solche theologischen Fragen könne nur „die sachgemäße Auswertung des biblischen Befundes“ geben, so Stammapostel Schneider. Darüber beriet das oberste Beschlussorgan der NAK, die Bezirksapostelversammlung, in den vergangenen drei Jahren. Das Ergebnis: „Vor Gott, dem Schöpfer, sind Mann und Frau gleichberechtigt. Es gibt keine zwingenden Gründe, Unterschiede zu machen, nicht bei Jesus Christus, nicht in der Apostellehre, nicht in der neuapostolischen Tradition.“

Erste Zeuginnen der Auferstehung

Walter Hessler, Ständiger Vertreter des Kirchenpräsidenten und Seelsorger in der Neuapostolischen Kirche in Österreich betonte im Gespräch mit ORF Religion die Gleichwertigkeit von Mann und Frau. „Betrachten wir den Lebensweg Jesu. Er hat sich den Männern und Frauen zugewandt. Frauen waren nicht zuletzt auch die ersten Zeugen des wiederauferstandenen Jesus“, so Hessler.

„Und wenn auch in den Apostelbriefen Frauen in den ersten christlichen Gemeinden eine wichtige Rolle gespielt haben, so sind das alles wichtige Indizien dafür, dass es im Christentum wirklich um eine Gleichwertigkeit, eine Gleichbehandlung und gleiche Sicht von Mann und Frau geht.“

Frauenordination nicht erzwingen

Vor diesem Hintergrund verkündete der Kirchenleiter jetzt: „Das Apostolat – die Apostel in der Einheit mit dem Stammapostel – entscheidet, dass Frauen aufgrund der Gleichwertigkeit und Gleichwürdigkeit der Geschlechter mit Amtsvollmacht betraut werden können.“ Und: „Der damit verbundene Amtsauftrag wird überall dort erteilt, wo es von der Gesellschaft und Gemeinde angenommen wird", heißt es in der Aussendung.

Auf diese Einschränkung angesprochen sagte Hessler dem ORF, die Frauenordination könne man nicht erzwingen. Dort, „wo das kulturelle Verständnis in einer Region“ der Einsetzung von Frauen widerspricht, also „eine Frau in dieser Funktion nur auf Widerstand stoßen würde, könnte sie diesen Seelsorgeauftrag gar nicht wahrnehmen“.

Daher sage die Kirche, „die Amtsvollmacht steht Männern und Frauen zur Verfügung – gleichberechtigt. Und Männer oder Frauen werden dort eingesetzt, wo sie auch von den Gemeinden, von der Kultur vor Ort angenommen werden und daher ihren Auftrag leisten können“, sagte Hessler. Die Regelungen treten am 1. Jänner 2023 in Kraft.

5.000 Mitglieder in Österreich

Die Neuapostolische Kirche ist eine weltweit tätige christliche Kirche mit Sitz in der Schweiz. Sie zählt mehr als neun Millionen Gläubige in rund 200 Ländern der Erde. Die NAK besteht aus rechtlich selbstständigen Gebietskirchen unter dem gemeinsamen Dach einer einheitlichen Lehre und kollegialer Führungsgremien. Die Kirche finanziert sich aus freiwilligen Beiträgen ihrer Mitglieder. Ihre Geschichte reicht bis in die christlichen Erweckungsbewegungen des 19. Jahrhunderts zurück.

In Österreich hat die Gemeinde rund 5.000 Mitglieder. Ob sich ab Jänner 2023 auch Apostelinnen, Evangelistinnen oder Diakoninnen für diese Gemeinde finden, ist noch nicht absehbar. Hessler: „Ich denke, ich bin nicht alleine damit, dass wir uns davon überraschen lassen, was passieren wird.“