Katholiken

NS-Vergleich: Kardinal fühlt sich missverstanden

In der Debatte über einen Vergleich zwischen aktuellen kirchlichen Diskussionen und solchen aus der NS-Zeit fühlt sich der Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch missverstanden und bleibt bei seinen Aussagen. Er hatte Parallelen zwischen aktuellen Diskussionen innerhalb der römisch-katholischen Kirche und solchen aus der NS-Zeit gezogen.

Seine Äußerungen wurden heftig kritisiert, worauf er Donnerstagabend eine Erklärung abgab. „Ich antworte umgehend, kann aber meine grundsätzliche Aussage nicht zurücknehmen, und zwar schlicht deshalb, weil ich keineswegs den Synodalen Weg mit einer Nazi-Ideologie verglichen habe, und ich werde dies auch nie tun“, so der ehemalige Bischof von Basel.

„Denn diese Erscheinung hat es bereits während der nationalsozialistischen Diktatur gegeben, als die sogenannten ‚Deutschen Christen‘ Gottes neue Offenbarung in Blut und Boden und im Aufstieg Hitlers gesehen haben.“ Die „Deutschen Christen“ waren eine protestantische Strömung, die das Christentum an die rassistische Ideologie der Nazis anpassen wollte.

Der Schweizer Kardinal Kurt Koch
APA/AFP/Vincenzo Pinto
Kardinal Kurt Koch

Im Rahmen des Reformprozesses Synodaler Weg erörtern die deutschen Katholiken derzeit, ob die katholische Lehre stellenweise weiterentwickelt werden muss. So sei die ablehnende Haltung der Kirche zu Homosexualität im Widerstreit mit wissenschaftlichen Erkenntnissen. Diese müssten berücksichtigt werden, fordern Reformer.

„Irritation“ über „neue Quellen“

Koch bestritt in seiner Stellungnahme, dass er den Synodalen Weg mit der Mentalität der „Deutschen Christen“ verglichen habe. „Ich muss wahrnehmen, dass Erinnerungen an Erscheinungen und Phänomene in der nationalsozialistischen Zeit in Deutschland offensichtlich tabu sind. Diejenigen, die sich von mir verletzt fühlen, bitte ich um Entschuldigung und versichere sie, dass dies nicht meine Intention gewesen ist und nicht ist. Meine kritische Rückfrage kann ich allerdings nicht zurücknehmen.“

Der Kurienkardinal hatte in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview der Wochenzeitung „Die Tagespost“ gesagt, ihn „irritiere“, dass neben den Offenbarungsquellen von Schrift und Tradition auch heute wieder zusätzliche Quellen angenommen würden. In diesem Zusammenhang verwies er auf zwei Gruppierungen innerhalb der evangelischen Kirche, die während des NS-Regimes eine wichtige Rolle spielten.

„Wieder in Deutschland“

Ihn erschrecke, so Koch weiter, dass – wieder – in Deutschland versucht werde, in zeitgenössischen Phänomenen Offenbarungsquellen neben Bibel und Tradition zu behaupten. Denn vergleichbares habe es „bereits während der nationalsozialistischen Diktatur gegeben, als die so genannten ‚Deutschen Christen‘ Gottes neue Offenbarung in Blut und Boden und im Aufstieg Hitlers gesehen haben“.

Dagegen habe die Bekennende Kirche (Oppositionsbewegung evangelischer Christen in der NS-Zeit) mit ihrer „Barmer Theologischen Erklärung“ im Jahre 1934 protestiert, deren erste These laute: „Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und müsse die Kirche als Quelle der Verkündigung außer und neben diesem einen Worte Gottes auch noch andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen.“

Scharfe Kritik

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, hatte zum Abschluss der Herbstvollversammlung der Bischöfe in Fulda den Vergleich zur NS-Zeit scharf kritisiert und eine sofortige Entschuldigung Kochs gefordert. Geschehe dies nicht, „werde ich eine offizielle Beschwerde beim Heiligen Vater einreichen“, sagte der Bischof von Limburg.

Auch der Theologe Thomas Söding, Präsidiumsmitglied beim „Synodalen Weg“, kritisierte Kochs Einlassungen scharf. „Mit den Deutschen Christen in einen Topf geworfen zu werden, verbitte ich mir“, sagte der Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) dem Online-Portal Neues Ruhrwort.

Heftige Reaktionen

Der von Koch angesprochene Orientierungstext des „Synodalen Wegs“ differenziere präzise, so Söding. „Koch fällt mit seiner pauschalen Kritik hinter diese Differenzierung zurück.“ Die Deutschen Christen waren eine Bewegung, die Lehre und Organisation der Deutschen Evangelischen Kirche (DEK) mit dem Nationalsozialismus gleichzuschalten.

Als Reaktion auf die umstrittenen Aussagen des Kardinals lud die Stadt Schwäbisch Gmünd den Kurienkardinal wieder aus. Koch werde sich am Samstag nicht wie geplant in das Goldene Buch der Stadt eintragen, teilte ein Sprecher des Rathauses mit. „Im Rahmen der Äußerungen des kirchlichen Würdenträgers und die Diskussionen dazu ist eine solche Veranstaltung derzeit aus Sicht der Stadt nicht durchführbar“, sagte ein Stadtsprecher.

„Keine Absicht, jemanden zu verletzen“

Ihm sei es um die „Barmer Theologische Erklärung“ gegangen, betonte Kardinal Koch in seiner nun am Donnerstagabend bekanntgewordenen Erklärung. „Damit habe ich in keiner Weise den Synodalen Weg mit der Mentalität der ‚Deutschen Christen‘ verglichen und auch nicht vergleichen wollen.“ Im Blick habe er lediglich jene Christen, die unter Berufung auf den Zeitgeist die Lehre der Kirche verändern wollten. „Ich hoffe, weiterhin davon ausgehen zu können, dass diese Behauptung nicht die Meinung des Synodalen Weges ist.“

In seiner Erklärung betonte Koch, er habe niemanden verletzen wollen. „Ich bin einfach davon ausgegangen, dass wir auch heute aus der Geschichte, auch aus einer sehr schwierigen, lernen können. Wie die heftige Reaktion von Bischof Bätzing und andere zeigen, muss ich nachträglich feststellen, dass dieser Versuch mir misslungen ist. Und ich muss wahrnehmen, dass Erinnerungen an Erscheinungen und Phänomene in der nationalsozialistischen Zeit in Deutschland offensichtlich tabu sind.“ Seine kritische Anfrage könne er allerdings nicht zurücknehmen.

Der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz erklärte auf Anfrage, dass Bätzing die Erklärung Kochs erhalten habe. „Der Vorsitzende wird die Antwort von Kardinal Koch lesen und sich derzeit nicht äußern.“