Universität Wien vor der ÖH-Wahl 2021
ORF.at/Peter Pfeiffer
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Bildung

„Dramatisch“ weniger Theologiestudierende

Besorgt blicken die katholisch-theologischen Fakultäten in Österreich auf die Entwicklung ihrer Studierendenzahlen. In den vergangenen zehn Jahren kam es zu einem starken Rückgang der Zahlen an allen Fakultäten.

Teils würden nur noch halb so viele Studierende ein theologisches Studium beginnen wie noch vor zehn Jahren. „Wir sind in einer dramatischen Situation. Das muss man einfach sehen. Und da ist wichtig zu überlegen, was jetzt zu tun ist“, sagte der Salzburger Theologe und vormalige Dekan der Salzburger Fakultät, Alois Halbmayr, in einer aktuellen Folge des Theologie-Podcasts „Diesseits von Eden“. Die Folge heißt „Angestaubt & abgehängt? Wer braucht noch TheologInnen?“

Es gebe zwar „einzelne Lichtpunkte“, so die Linzer Theologin Isabella Guanzini, etwa im Blick auf neue Studienangebote, in denen theologische Anteile mit anderen geistes- oder etwa kultur- und wirtschaftswissenschaftlichen Anteilen zusammengeführt werden, zugleich aber dürfe man „nicht die Augen davor verschließen“, dass die Zahlen insgesamt weiter sinken und dass man diese auch mit innovativen neuen Studiengängen und Kooperationen nur bedingt stabilisieren könne.

„Kein Vollstudium, aber immerhin“

In Salzburg etwa gebe es 13 Neuanmeldungen in der Fachtheologie, beim neuen Bachelorstudium „Christliche Kultur, Kommunikation und Transformation“ immerhin 30. Die Katholische Privat-Universität Linz (KU) meldet aktuell 20 Anmeldungen für das neue Bachelorstudium „Grundlagen des Christentums“ und das Diplomstudium.

Die Dekanin der Wiener Katholisch-Theologischen Fakultät, Andrea Lehner-Hartmann, geht von „rund 100“ neuen Studierenden aus und die Brixner Philosophisch-Theologische Hochschule meldete in dem Podcast bislang zehn Anmeldungen für das Vollstudium und 40 für den neuen Universitätslehrgang „Angewandte Ethik“. „Das ist natürlich kein Vollstudium, aber immerhin“, so der Brixner Dekan, Alexander Notdurfter.

Gründe vielfältig

Die Gründe für diese Entwicklung seien vielfältig, führte die Wiener Dekanin und Religionspädagogin Lehner-Hartmann aus: Zum einen gingen die Studierendenzahlen insgesamt zurück, dann habe man es mit einer weiterhin „schwindenden religiösen Sozialisation“ zu tun. Und auch „die kirchliche Großwetterlage“ sei aktuell „nicht dazu angetan, Studierende zu motivieren“.

Dekan Notdurfter ergänzte dazu, dass die Brixner Hochschule die „demografische Entwicklung“ und die niedrigen Geburtenraten zu spüren bekomme. Zudem seien die Hürden, die die kanonischen Studien etwa mit den Sprachanforderungen (Latein, Griechisch, Hebräisch) errichten, sehr hoch und für heutige Studierende teils nur mehr schwer zu überspringen. Auch seien die „Rahmenbedingungen in den kirchlichen Berufen nicht sehr motivierend für junge Leute“.

Öffentlicher Relevanzverlust der Theologie

Neben diesen externen Gründen kämen jedoch auch hausgemachte Probleme dazu, räumte Guanzini ein: „Das Selbstverständliche der akademischen Theologie ist extrem brüchig geworden. Ich würde von einer Isolierung der Theologie im kulturellen Bereich und von einem Relevanzverlust vor allem im Rahmen der öffentlichen Diskurse sprechen.“ Um diesen Relevanzverlust aufzufangen, sei es unabdingbar, den gesellschaftlichen Diskurs bewusst zu suchen und sich als Theologinnen und Theologen diesem zu stellen, so der einhellige Tenor.

Entsprechend beantworteten die Gesprächspartner die Ausgangsfrage „Wer braucht noch TheologInnen?“ mit dem Hinweis, Kirche, Gesellschaft und Universität können auch zukünftig nicht auf theologische Expertise verzichten: Die Kirche brauche Theologie, „wenn sie nicht zum folkloristischen Objekt der Religionswissenschaft“ werden wolle; die Gesellschaft, „wenn sie religiöse Erfahrung adäquat einordnen möchte“ und schließlich die Universität, „da die Theologie dort ein Wissen einbringt, das hilft, die Wissenschaft über ihre eigenen Grenzen aufzuklären“, so Guanzini.

St. Pölten: Theologische Hochschule geschlossen

Nach 231 Jahren hat indes die Philosophisch-Theologische Hochschule St. Pölten (PTH) ihre Tore geschlossen. Der Beschluss zur Stilllegung („Sistierung“) war bereits im Jahr 2019 auf Empfehlung des diözesanen Wirtschaftsrates gefasst worden. Nun folgte der offizielle Schlussakt in Form einer Festakademie und eines Dankgottesdienstes am 11. Oktober im St. Pöltner Dom.

Die PTH St. Pölten bot bisher die Möglichkeit zum Studium der Fachtheologie, der Religionspädagogik sowie einen MA-Lehrgang Kanonistik und verschiedene Kurse zur akademisch-theologischen Erwachsenenbildung. Die Anfänge der PTH reichen bis ins 18. Jahrhundert zurück.

Zuletzt noch 112 Studierende

Zunächst eröffnet als theologische Hauslehranstalt, gewann sie ab Mitte des 19. Jahrhunderts wissenschaftliche Bedeutung und wurde im Jahr 1971 zur „Philosophisch-Theologischen Hochschule der Diözese St. Pölten“. Seither wurde neben der fachtheologischen auch eine religionspädagogische Studienrichtung geführt. Zuletzt waren noch 112 Studierende an der PTH eingeschrieben, die ihr Studium zu Ende führen konnten.

Der Beschluss zur Stilllegung erfolgte 2019 auf Empfehlung des diözesanen Wirtschaftsrates und nach Rücksprache mit der vatikanischen Bildungskongregation. „Diese Entscheidung treffe ich durchaus schweren Herzens“, sagte Bischof Schwarz damals. Die Diözese müsse aber „ganz genau hinschauen, ob und welche Angebote der Kirche weiter sinnvoll sind, und verantwortungsvoll mit dem diözesanen Haushalt umgehen“.