Das katholische Kirchenoberhaupt könne „vielleicht nicht allzu viele Reformen durchsetzen“, habe aber „zumindest einen unumkehrbaren Reformprozess in Gang gebracht“, kommentierte der emeritierte Wiener Universitätsprofessor in einem Gastbeitrag für die „Wiener Zeitung“ (Samstag-Ausgabe) den weltkirchlichen Synodalen Prozess.
Letzteren sehe auch er als „konsequente Fortsetzung des Zweiten Vatikanischen Konzils“, sagte Zulehner mit Blick auf eine gleichlautende Stellungnahme des Synoden-Generalsekretariats zum 60. Jahrestag der Konzilseröffnung am 11. Oktober.
Kirche „in ihrem Wesen synodal“
Die Kirche sei eine „Weggemeinschaft, die der Welt von heute dient“ und auch „in ihrem Wesen synodal“, so Zulehner, der Parallelen zu dem von Papst Franziskus anvisierten Zukunftsbild bereits in den ersten christlichen Jahrhunderten sah: Die in der griechischen und römischen politischen Kultur übliche genaue Sitzordnung bei Versammlungen seien von den Urchristinnen und Urchristen aufgehoben worden, da bei ihnen durch die Taufe auf revolutionäre Weise „alle gleich“ gewesen seien an Würde und Berufung.

Diskriminierungen und soziale Ränge seien überwunden worden, womit „alle in der ersten Reihe sitzen“ konnten. „Die Weggemeinschaft war in ihrem Wesen egalitär“, so Zulehner. Im Lauf der Zeit habe sich dieses Grundverständnis allerdings gewandelt – besonders mit dem Eintritt ins Römische Reich, bei dem die vormalige Untergrundbewegung zur „durchorganisierten Reichskirche“ geworden sei, so der Religionssoziologe weiter.
„Massenkirche“ und Zweiteilung
Durch schnelle Taufen sei eine „Massenkirche“ entstanden, bei denen die fundamentale Gleichheit der Getauften aufgegeben wurde zugunsten einer Zweiteilung in Klerus und Volksmasse. Die „entsynodalisierte Kirchengestalt“ habe ihren Höhepunkt dann im Ersten Vatikanischen Konzil (1869/70) erreicht, als vergeblich versucht worden sei, eine „Zwei-Stände-Kirche“ festzuschreiben mit einem Klerus, dessen Dienst in gewaltförmige Vollmacht umgewandelt wäre. Zulehner: „Es ist jene Form der Amtsausübung, die Papst Franziskus heute mit dem Begriff ‚Klerikalismus‘ geißelt und überwinden will.“
Im Zweiten Vatikanischen Konzil von 1962 bis 1965 sei die Kirche dann hinsichtlich ihrer sozialen Gestalt wieder „zu den biblischen Gründungsurkunden“ zurückgekehrt, schrieb der Wiener Pastoraltheologe. Der spätere Papst und am Konzil als Theologe tätige Josef Ratzinger habe 1963 von der Wiedergewinnung der verlorene „Brüderlichkeit“ gesprochen.
„Bremse“ durch Franziskus’ Vorgänger
Als Kirchengemeinschaft seien nicht länger nur die Priester, Bischöfe und der Papst verstanden worden, sondern wiederum alle Getauften. So rasch die Umsetzung des Konzils unter den Päpsten Paul VI. und Johannes Paul I. auch angegangen worden sei, hätten dann jedoch Johannes Paul II. und Benedikt XVI. den Reformschwung abgebremst. Papst Franziskus habe jedoch wieder Bewegung in den Prozess gebracht, so Zulehner.