Kinderfest Shichigosan: Verkleidete Kinder in Japan
APA/AFP/Yoshikazu Tsuno
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Shichigosan

„Sieben, fünf, drei“: Japans Fest der Kinder

An einem Tag im Jahr stehen in Japan die Kleinen im Mittelpunkt: Das Fest Shichigosan („sieben, fünf, drei“) ist den Kindern dieser Altersstufen gewidmet, die sich verkleiden und naschen dürfen. Höhepunkt ist für viele Familien ein feierlicher Besuch des Familienschreins.

Der 15. November ist in Japan der Tag der Kleinen: Sie stehen im Mittelpunkt, werden in bunte traditionelle Gewänder gekleidet, fotografiert und bekommen eine bestimmte Art von Zuckerl geschenkt, die „Tausend-Jahr-Bonbons“ (chitose-ame).

Shichigosan sei mit der katholischen Erstkommunion vergleichbar, sagt der Japanologe Bernhard Scheid im Gespräch mit religion.ORF.at. So kann es auch eine Weihe durch einen Shinto-Priester geben, alles in allem ist das Fest aber weniger formell, genaue Regeln gibt es nicht. „Manchmal gibt es auch buddhistische Tempel, die das Fest feiern, es ist aber mehr oder weniger ein shintoistisches Fest“, sagt der Experte.

Weiheritual im Shinto-Schrein

Der Umfang der Zeremonie ist unter anderem eine finanzielle Frage: Die Eltern zahlen dem Schrein je nach Angebot einen unterschiedlich hohen Beitrag. Für das Weiheritual hält der Priester einen Wedel mit Papierstreifen über die Kinder und „fegt alle möglichen Unreinheiten weg, die das Kind befallen könnten“, so Scheid.

Kinderfest Shichigosan, eine Familie steht vor dem Hie-Schrein in Tokyo
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Eine Familie vor dem Hie-Schrein in Tokio

Dazu werde ein Gebet gesprochen und die spezifische Schreingottheit um Schutz für das Kind angerufen. Die Zeremonie ist aber nicht unbedingt Standard, die Feier nicht so standardisiert wie bei der katholischen Erstkommunion. „Für die meisten genügt es hinzugehen und sich kurz vor der Gottheit zu verneigen.“

Schritt in Richtung Erwachsenwerden

Für die Kleinen ist Shichigosan „eine tolle Inszenierung“, sagt der Japanologe. Wenn die Kinder einen traditionellen Kimono angezogen bekommen, wirke das zwar wie ein lustiges Kostümfest, „es bedeutet aber auch einen Schritt in Richtung Erwachsenwerden, zumindest aus Sicht der traditionellen Vorläufer dieses Festtages“. Das Shichigosan-Fest soll auf drei ursprünglich unabhängige Zeremonien für Kinder zurückgehen, die jeweils den Übergang eines Lebensabschnitts in den nächsten besiegelten.

Die alten Rituale, die durch Shichigosan verdrängt wurden, hatten in der Familie stattgefunden: Dazu gehörte unter anderem das Wachsenlassen der Haare, das Anziehen der traditionellen weiten Hose (hakama) sowie das Anlegen des Gürtels (obi) über dem Kimono. Um 1700 habe sich der Charakter dieser Rituale ins Öffentliche hinaus verändert, erklärt Scheid.

Aus der Familie in die Öffentlichkeit

Zur Zeit des Shoguns Tokugawa Tsunayoshi (1646–-1709) wurde Shichigosan ein größeres Fest, die Tradition trat aus den Familien heraus und in die Öffentlichkeit. „Die Verbindung mit einem Schreinbesuch scheint erst gegen Ende der Edo-Zeit (1600–1867) zum Standard geworden zu sein“, so Scheid. Mit der Modernisierung Japans in der Meiji-Zeit im 19. Jahrhundert war es Teil der politischen Maßnahmen, um eine Vereinheitlichung herzustellen und auch die Schreine aufzuwerten.

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Familie beim Shichigosan Kinderfest, Meiji-Schrein, Tokyo
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Familie beim Shichigosan-Kinderfest, Meiji-Schrein, Tokio
Japan, Shichigosan Kinderfest
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Die Kleinen stehen im Mittelpunkt
Kinderfest Shichigosan: Verkleidete Kinder in Japan
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Gefeiert werden Mädchen und Buben, die drei, fünf oder sieben Jahre alt sind
Kleines Mädchen mit Zuckerstange beim Meiji -Schrein in Tokyo, Shichigosan, November 2, 2008
Reuters/Toru Hanai
Zu Shichigosan gibt es eine besondere Süßigkeit, die „Tausend-Jahr-Bonbons“ (chitose-ame)
Japan, Shichigosan Kinderfest
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Die Familien gehen mit den Kindern zum Shinto-Schrein
Japan, Shichigosan Kinderfest, Meiji-Schrein, Tokyo
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Meiji-Schrein, Tokio

Erst Anfang des 20. Jahrhunderts wurde das Shichigosan-Fest zu einem allgemeinen Brauch, der heute von großen Teilen der Bevölkerung gepflegt wird. Etwa die Hälfte der Japanerinnen und Japaner feiert heutzutage Shichigosan, das Fest wird in fast ganz Japan begangen.

„Durchgangsriten“

Weitere den Kindern gewidmete Feste sind das Puppenfest (3. März) und das Knabenfest (5. Mai). Ersteres gilt als Mädchenfest, hier werden Puppenhäuser in den Familien aufgestellt, die den kaiserlichen Hof der Heian-Zeit (etwa 800–1200), der Zeit der klassischen Hofkultur, darstellen sollen.

Shinto: „Weg der Götter“

Das Wort „Shinto“ bedeutet „Weg der Götter“. Gemeinsam mit dem Buddhismus ist Shinto die wichtigste Religion in Japan.

Das Knabenfest steht ganz im Zeichen von Karpfen. Fischförmige Fahnen werden aufgehängt. Karpfen – man denke hier eher an schlanke Kois als an fette Weihnachtskarpfen – stehen in der japanischen Kultur für jugendliche Kraft.

Solche „Durchgangsriten“ begleiten Kinder in vielen Kulturen auf ihrem Weg zum vollwertigen Mitglied der Gemeinschaft. Bei Shichigosan ist nicht hundertprozentig festgelegt, wie alt die Kinder genau sein sollten. Grundsätzlich ist der Schreinbesuch für drei- oder fünfjährige Buben beziehungsweise drei- oder siebenjährige Mädchen vorgesehen.

Unterschiedliche Zählweisen

Kompliziert wird die Sache dadurch, dass früher das Lebensalter in Japan anders gezählt wurde: Es zählte das Jahr, nicht der Geburtstag. So konnte ein dreijähriges Kind nach alter Zählung schon vier Jahre alt sein. An diese alte Zählweise erinnere man sich in Japan noch, sagt der Japanologe. „Gerade bei Kinderfesten stellt sich die Frage: Welche Zählart nehme ich jetzt?“ Auf jeden Fall bewegt sich das Alter der Kinder zwischen dem Vorschul- und dem Schulalter.

Allerdings werde das alles nicht so streng gesehen: „Die Schreine machen Ausnahmen.“ Shichigosan ist offenbar besonders beliebt bei Mädchen, die sich wie Prinzessinnen verkleiden können. Den Buben werde hingegen oft „nur“ ein Anzug oder eine Schuluniform angezogen und nicht unbedingt ein traditionelles Gewand.

Wie man einen Kimono anzieht

Geschenke sind zu Shichigosan eher nicht üblich. „Zum Schrein geht die Kernfamilie, man zeigt sich als Familie in den schönsten traditionellen Gewändern, die man hat“, erklärt Scheid. Und das Fest ist nicht zuletzt eine gute Gelegenheit, Kindern Traditionen nahezubringen: „Die Kinder lernen so das Tragen dieser Gewänder.“

Es ist gar nicht so einfach, einen Kimono anzuziehen, denn er besteht aus vielen Schichten und ist schwierig zu binden, auch die dazugehörigen Holzschuhe sind unbequem. „Wenn man das einem Kind einfach so anzieht, wird es das wahrscheinlich nicht mögen – durch das Fest bekommt es etwas Besonderes.“