Ethik

Kuchen fürs Rasenmähen: Wer tauscht, lebt besser

Äpfel fürs Babysitten, Kuchen fürs Rasenmähen: Mit Leihplattformen, Tauschkreisen, Secondhandprodukten und Essenskooperativen leben viele nicht nur nachhaltiger, sondern zum Teil auch günstiger. Macht man sich auf die Suche, findet man erstaunlich viele Angebote.

Aufgrund der Teuerung, der Klimakrise und der insgesamt unsicheren Zeiten geraten alternative Wirtschaftsformen ins Bewusstsein vieler Menschen. Statt selbst zum Beispiel eine eigene Bohrmaschine haben zu wollen, genügt manchen jetzt das Ausborgen. So bietet zum Beispiel die Leihplattform leila (eine „Bibliothek der Dinge“) Dinge wie Werkzeuge, Küchenmaschinen oder Kostüme an, die man nur ab und zu braucht und daher nicht unbedingt selbst besitzen muss. Die meisten Gegenstände sind Spenden, die Leihgebühren gering. Betreut wird die Plattform ehrenamtlich von Studentinnen und Studenten.

Die Themen Nachhaltigkeit und ethisches Wirtschaften sind zwar nicht neu, können aber in Krisenzeiten Halt geben und das Ohnmachtsgefühl, das manche befällt, verringern.

Kennzeichen: Regionalität

Kennzeichen von Nachhaltigkeitsinitiativen, die zum Teil schon seit den 1970er Jahren bestehen, ist ihre Regionalität. Das dürfte auch der Grund sein, warum sie nicht bekannter sind. Viele sind als Vereine organisiert (mit Mitgliedsbeiträgen) und zum Teil gut vernetzt mit anderen Nachhaltigkeitsinitiativen – so kooperiert beispielsweise leila mit Reparaturcafes und sogenannten Grätzelgenossenschaften.

Ein Mann mit einem Rasenmäher
Pixabay/andreas160578
Tauschkreise und Regionalwährungen funktionieren mit Zeit als Währung. Jedes Mitglied bietet und tauscht, was er oder sie an Fähigkeiten und Ressourcen hat.

Zu den vielen Ideen, wie nachhaltiger gewirtschaftet werden kann, zählen unter anderem Ansätze wie Talentverbunde und Tauschkreise bzw. Regionalwährungen. Dabei werden Dienstleistungen und Güter im Tausch gegen andere Dienstleistungen und Güter angeboten. Also etwa eine Fahrradreparatur gegen die Änderung eines Kleidungsstücks. Das kann finanziell günstiger sein, kostet aber Zeit.

Währung: Zeit

Die Währung im Tauschkreis ist nämlich die Stunde. Wobei alle Stunden gleich viel wert sind, eine Stunde Rasenmähen genauso viel wie eine Stunde Nachhilfe oder Kuchenbacken. Hauptsächlich würden handwerkliche Tätigkeiten ausgetauscht, sagt Andreas Hargassner vom Talenteverbund Wien und Niederösterreich. Der Vorteil: Stunden haben immer denselben Wert und sind somit inflationssicher.

Eine Stunde sei „nicht nur unsere komplementäre Währung, sie ist auch Ausdruck unserer wertvollen Lebenszeit. Wir wollen unsere Zeit (und unsere besondere Währung) nutzen, um gemeinsam eine freudvolle, sinnvolle und zufriedene Welt zu schaffen“, heißt es auf der Website des Talenteverbunds. Tauschkreise gibt es in allen Bundesländern, der Wiener Tauschkreis wurde von Mitgliedern der Katholischen Jugend in den 1990er Jahren gegründet.

Lebensmittelrettung

Zu einem sorgsamen Umgang mit Ressourcen gehören auch verschiedene Initiativen zur Lebensmittelrettung. Bekannt sind die „Tafeln“, die übriggebliebene, noch genusstaugliche Lebensmittel vor dem Müll retten und an armutsbetroffene Menschen in Sozialeinrichtungen weitergeben. Verantwortlich dafür sind Non-Profit-Organisationen wie unter anderen die Caritas oder das Rote Kreuz.

Hinweis

Der Artikel ist Teil eines Schwerpunkts der ORF-Abteilung Religion und Ethik multimedial zum Thema „Buen Vivir" – gutes Leben für alle“.

Auch Privatpersonen sind bei der Rettung von Lebensmitteln aktiv. Und seit einiger Zeit auch via App: Um ein Drittel des regulären Preises können nicht mehr verkauf-, aber noch genießbare Lebensmittel vor dem Wegwerfen bewahrt werden.

Kreislauf der Dinge

Dem Nachhaltigkeits- und Spargedanken kommen auch Secondhandgeschäfte (solange sie unter dem Label „Vintage“ nicht Dinge über Wert verkaufen) nach. Auch sie haben teilweise soziale Hintergründe wie etwa die „Vinzi-Shops“ in Wien und in Graz (zugunsten obdachloser Männer), die Caritas-Läden „Carla“ und Pfarrflohmärkte. In offene Bücherschränke (in ganz Österreich) können nicht mehr gebrauchte Bücher gestellt und andere mitgenommen werden.

Reparatur- und Wiederverwertungsinitiativen sowie Nachbarschaftsnetzwerke gehören hier ebenfalls dazu. Auch die DKA, die katholische Dreikönigsaktion, zählt die Umweltsoziologin Mirijam Mock zu den gemeinwohlorientierten Initiativen. Sie forscht und lehrt am Institut für Gesellschaftswandel und Nachhaltigkeit der Wirtschaftsuni Wien und beschäftigt sich mit Nachhaltigkeitsinitiativen. Aber auch globalere Modelle wie der Austausch von Wohnraum (Home-Exchange) können dazugezählt werden.

„Enkeltaugliche Alternative“

Einen Schritt weiter gehen landwirtschaftliche Kooperativen, bei denen nicht für den Markt, sondern für eine konkrete Gruppe von Menschen produziert wird. Teilen statt tauschen lautet hier die Devise. Kosten, Ernte und Verantwortung werden in solidarischer Form geteilt.

"Unser gemeinsames Ziel ist es, gutes Essen für alle zu ermöglichen und dabei auf die Menschen, den Boden und die Natur, die uns umgibt, acht zu geben.“ Als „enkeltaugliche Alternative“ wird das System auf der Website Solawi (Solidarische Landwirtschaft) bezeichnet. Solidarische Landwirtschaften gibt es in ganz Österreich.

Ein Mädchen beißt in einen Apfel
APA/dpa/Patrick Pleul
Alternatives Wirtschaften soll auch den zukünftigen Genrationen einen lebenswerten Lebensraum hinterlassen

„Probe für den Ernstfall“

„Antikapitalistische“ Initiativen könnten als „Probe für den Ernstfall“ funktionieren, sagt die Umweltsoziologin Mock. Und laut Studien verliere das Besitzen von Statussymbolen an Bedeutung. Anatina Riester vom Leihladen leila sieht hier allerdings ein Gefälle: Finanziell schwächeren Menschen falle es schwerer, auf Statussymbole zu verzichten, als begüterten Personen.

Die größte Gruppe von Nutzerinnen und Nutzern sind daher nicht vorrangig armutsbetroffene Menschen, sondern eher idealistische, die aus Überzeugung auf alternative Wirtschaftsformen setzen.

Die Menschen, die sich beispielsweise in Tauschkreisen engagieren, seien durchaus spirituell, aber nicht unbedingt religiös, sagt Andreas Hargassner vom Talenteverbund Wien und Niederösterreich. Mit dem Ziel, unabhängiger zu werden, seien heuer zwei neue Tauschkreise in Niederösterreich gegründet worden.

Kontrolle über eigenes Handeln

Durch das Achten auf Nachhaltigkeit (in Produktionsprozessen bzw. durch Secondhandware) werde ein Stück weit die Kontrolle über das eigene Handeln und dessen Auswirkungen wiedergewonnen, sagt Christian Spieß, katholischer Theologe und Sozialethiker an der katholischen Privatuni Linz.

Und zwar insofern, als in alternativen Systemen die produzierenden und auch die konsumierenden Personen einander kennen, was im globalisierten Wirtschaftssystem nicht der Fall ist: Produktionsprozesse laufen anonymisiert ab, kaum jemand kennt den Erzeuger seiner Lebensmittel oder Waren. Das werde eben durch Wirtschaftsalternativen geändert, so Spieß, dadurch entstehe mehr „soziale Kontrolle“.

(Befreiungs-)Theologisch gesehen, sagt der Sozialethiker, sei die globalisierte Ökonomie eine „Struktur der Sünde“, der man sich heute nur bedingt entziehen kann. Die Produktion beispielsweise von Mobiltelefonen oder Computern ist häufig mit der Ausbeutung von Arbeitskräften und Rohstoffen verbunden. Es gehe daher darum, „das Vorteilhaftere“ zu wählen und so „besser“ zu leben – zum Beispiel durch reparierte Geräte, so Spieß.

Politik verantwortlich

Auch wenn das herrschende Wirtschaftssystem nicht plötzlich verändert werden kann, können nachhaltige Ideen zu Geldersparnis führen, die sozialen Kontakte stärken und die Ressourcen der Umwelt schonen. Für breites nachhaltiges Wirtschaften sei aber die Politik verantwortlich, so die Umweltsoziologin Mock. Diese könne die Verantwortung nicht den Konsumentinnen und Konsumenten überlassen.