68 Beschuldigte

Italiens Bischöfe veröffentlichen Missbrauchsanzeigen

Im Zeitraum 2020/2021 sind 68 Personen bei der italienischen Bischofskonferenz (CEI) als mutmaßliche Täter von sexuellem Missbrauch angezeigt worden. Viele der gemeldeten Vorfälle sind aktuell.

Das geht aus dem ersten Bericht der Fachstelle zum Schutz von Minderjährigen und gefährdeten Personen hervor, mit dem die Bischofskonferenz nun erstmals Zahlen zu Missbrauchsfällen in ihren Diözesen bekanntgab. Die gemeldeten Fälle betreffen 89 mutmaßliche Opfer, davon 61 in der Altersgruppe der 10- bis 18-Jährigen. Unter den mutmaßlichen Verantwortlichen waren die meisten Täter zum Zeitpunkt der Tat zwischen 40 und 60 Jahre alt, geht aus dem Bericht hervor. 30 Verdächtigte waren Geistliche, 23 Laien und 15 Ordensleute. 54,7 Prozent der Personen, die die Missbrauchsfälle meldeten, sind Frauen.

Die Anzeigen beziehen sich zu 52,8 Prozent auf aktuelle Fälle und zu 47,2 Prozent auf frühere Fälle. Das Umfeld, in dem die mutmaßlichen Straftaten begangen wurden, ist meist eine Pfarre oder der Sitz einer Vereinigung, oder auch ein Ausbildungshaus beziehungsweise Seminar, geht aus dem Bericht hervor.

Disziplinarmaßnahmen und Voruntersuchungen

Nach der Übermittlung des Berichts an die kirchliche Behörde überwogen unter den ergriffenen Maßnahmen „Disziplinarmaßnahmen“, gefolgt von Voruntersuchungen und die Übermittlung des Falls an das vatikanische Dikasterium für die Glaubenslehre, die für Missbrauchsvorwürfe gegen kirchliche Personen zuständig ist.

Aus dem Bericht geht auch hervor, dass die Personen, die die diözesanen Stellen zur Meldung von Missbrauchsfälle leiten, in mehr als zwei Dritteln der Fälle Laien sind (77,8 Prozent). Unter den Laien überwiegen die Frauen, die zwei Drittel der Verantwortlichen ausmachen. Außerdem werden die Beratungszentren der Diözesen in den meisten Fällen (83,3 Prozent) von einem Expertenteam unterstützt.

Der Bericht der Bischofskonferenz beinhaltet auch eine Analyse der nationalen Präventionsmaßnahmen in den Jahren 2020 und 2021. Schwerpunkt dabei sind die sogenannten Anhörungszentren, an die sich Missbrauchsbetroffene in Italien wenden können. Insgesamt 90 dieser Einrichtungen gibt es landesweit, regionale wie überregionale.

613 Meldungen in 20 Jahren

Die Bischofskonferenz gab bei einer Pressekonferenz am Donnerstag in Rom auch Auskunft über die vergangenen 20 Jahre. Da seien 613 Meldungen zu mutmaßlichen Missbrauchsfällen an die vatikanische Glaubensbehörde übermittelt worden, erklärte der Generalsekretär, Erzbischof Giuseppe Baturi.

Bei der Zahl 613 handele es sich um Akten, die dazu von den zuständigen Behörden angelegt wurden. Um wie viele konkrete Einzelfälle es sich handelt, sei derzeit ungewiss. In den Aufzeichnungen könnten sowohl bereits bekannte Fälle ebenso wie Daten zu Serientätern enthalten sein. „Es könnten also mehr oder weniger Fälle sein“, so Baturi.

Untersuchung angekündigt

Auf Grundlage dieser Daten plant die Bischofskonferenz eine Untersuchung, die diese Akten analysieren soll. Dazu könnten auch unabhängige Fachleute herangezogen werden. Dieser bereits im Juni angekündigte Bericht über die vergangenen 20 Jahre ist neben der Analyse der Präventionsmaßnahmen 2020/2021 der zweite Schritt, den die Kirche in Italien in Zusammenhang mit der Missbrauchsaufklärung in ihren eigenen Reihen unternimmt.

Die italienische Bischofskonferenz hat 2019 eine Fachstelle für Kinderschutz ins Leben gerufen. Die neue Dienststelle soll die Bischofskonferenz sowie die einzelnen Diözesen und Ordensgemeinschaften in Fragen der Prävention und Fortbildung beraten und unterstützen.