Katholisch

Geistliche verurteilen Missbrauchsfall in Osttirol

Mit Erschütterung und der Bitte um Verzeihung haben Lienzer Geistliche nach der Verurteilung eines 66-jährigen Ordensbruders wegen sexuellen Missbrauchs in Osttirol reagiert.

Der Ordensbruder aus einem Kloster in Osttirol war wegen sexueller Übergriffe auf eine minderjährige Ministrantin angeklagt und nicht rechtskräftig zu dreieinhalb Jahren verurteilt worden, wie Ende November bekannt wurde.

In einem offenen Brief haben der Lienzer Dekan Franz Troyer und der Leiter des Franziskanerklosters, Guardian Martin Bichler, nun ihre „tiefe Betroffenheit und ohnmächtiges Verstummen“ angesichts des Falls geäußert. Im Blick auf „dieses Verbrechen“ dürfe nicht zur Tagesordnung übergegangen werden.

Vertrauensverhältnis ausgenützt

Der Ordensbruder, der einen guten Kontakt zu der alleinerziehenden Mutter pflegte, habe dieses Vertrauensverhältnis ausgenützt und mit Geschenken an die Familie weiter verstärkt, so die Geistlichen. „Es ist schwer, dieses Unrecht auszuhalten. Wir bedauern es sehr.“

Viele hätten sich gefragt: „Wie kann mitten unter uns so etwas geschehen und von der Umgebung nicht bemerkt werden?“, heißt es in dem Brief weiter. Nach seiner Verurteilung lebe der Mann bis zu seinem Haftantritt zurückgezogen im Kloster und müsse „vorläufig jeden Kontakt zu den Menschen unterlassen“.

Gleichzeitig bitten die Geistlichen um Vertrauen in die Arbeit der Kirche: „Es wäre schade, wenn die wichtige Kinder- und Jugendarbeit in unseren Pfarren und Vereinen ständig unter Generalverdacht stehe würde.“ Die Diözese organisiere seit Jahren Schulungen für ehren-und hauptamtliche Mitarbeitende, in denen ein korrektes Verhältnis zwischen Nähe und Distanz und die Wachsamkeit für eigenes und fremdes Fehlverhalten eingeübt werde. In Osttirol werde man in Kürze eine Schulung mit dem Schwerpunkt Kinder- und Jugendarbeit anbieten.

Opfer und Täter im Blick

Bereits unmittelbar nach Bekanntwerden des Falls hatte sich der Provinzial der betroffenen Gemeinschaft, Fritz Wenigwieser, gegenüber Kathpress erschüttert gezeigt. Der Orden wolle besonders auf das Opfer sehen, weshalb die Begleichung der Therapiekosten für die betroffene Frau wie auch die Zusammenarbeit mit den Ermittlungsbehörden „selbstverständlich“ gewesen seien und man auch überlegen werde, welche Wiedergutmachung geschehen könne.

Darüber hinaus habe es schon im vergangenen Jahr – noch vor Bekanntwerden des Falls in Tirol – in Österreich wie auch in weltweit allen Regionen der Ordensgemeinschaft Schulungen für die Missbrauchs-Prävention gegeben. Auch in Zukunft werde man den Fokus besonders auf die Prävention legen.

„Gratwanderung“

Als „Gratwanderung“ bezeichnete Wenigwieser den künftigen Umgang mit dem nunmehr verurteilten Ordensbruder innerhalb seiner Gemeinschaft. „Früher war es üblich, jemanden nach einem derart kapitalen Fehler aus dem Orden auszuschließen. Inzwischen hat man gemerkt, damit der Gesellschaft keinen Dienst zu erweisen.“

Als Regionalleiter sei es ihm ein Anliegen, einen verantwortungsvollen Umgang mit dem zum Täter gewordenen Betroffenen zu finden, denn: „Wir können ihn ja nicht irgendwo parken.“ Werde die Haftstrafe schlagend, „so werden wir im Orden überlegen, wer ihn im Gefängnis besucht“.