Iran

Auflösung der iranischen Sittenpolizei nicht offiziell

Die Sittenpolizei im Iran, die für die Einhaltung der Kleidungsvorschriften von Frauen zuständig ist, soll nach Aussage des iranischen Generalstaatsanwaltes Mohammed Dschafar Montaseri am Wochenende aufgelöst worden sein.

Eine offizielle Bestätigung des zuständigen Innenministeriums fehlt. Nach mehr als zwei Monaten heftiger Proteste im Iran verkündete Montaseri am Samstagabend die Auflösung der Sittenpolizei: „Die Sittenpolizei hat nichts mit der Judikative zu tun und wurde von denen, die sie geschaffen haben, abgeschafft“, zitierte ihn die Nachrichtenagentur ISNA in einer Antwort auf eine Frage bei einer Konferenz.

Es sei nun abzuwarten, wie sich diese Ankündigung auswirken werde, erklärte dazu eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin. Sie wies darauf hin, dass der Generalstaatsanwalt die Sittenpolizei nicht selbst auflösen könne. Eine offizielle Bestätigung für einen solchen Schritt sei ihr bisher nicht bekannt.

Verbrannte Kopfbedeckungen und Parolen

Die angebliche Auflösung der Sittenpolizei wurde von Medien als Geste gegenüber den Demonstrierenden gewertet, die überall im Land auf die Straße gehen. Auslöser dieser Proteste war der Tod der 22-jährigen Kurdin Mahsa Amini nach ihrer Festnahme durch die Sittenpolizei Mitte September.

Sie soll gegen die Kleiderordnung verstoßen haben, die Frauen seit 1983 das Tragen eines Kopftuchs vorschreibt. Der im Iran übliche Hidschab soll Haare, Hals, Schulter- und Brustbereich von Frauen bedecken. Seit Beginn der Proteste tragen immer mehr Frauen kein Kopftuch mehr. Vielerorts verbrannten Frauen ihre Kopfbedeckung und riefen Parolen gegen die Regierung.

Forderung nach Aufhebung des Hidschab-Gesetzes

Die wichtigste reformorientierte Partei des Landes, die Union der Islamischen Iranischen Volkspartei, hatte bereits im September die Aufhebung des Hidschab-Gesetzes gefordert. Erst am Samstag hatte die Partei Teheran erneut nahegelegt, „offiziell das Ende der Aktivitäten der Sittenpolizei zu verkünden“ und „friedliche Demonstrationen zuzulassen“.

Am Freitag hatte Generalstaatsanwalt Montaseri angekündigt, dass das iranische Parlament und die Justiz das Gesetz überprüfen, das Frauen zum Tragen eines Kopftuchs verpflichtet. „Das Parlament und die Justiz arbeiten“ an diesem Thema, sagte er. Er kündigte Ergebnisse in „ein oder zwei Wochen“ an, äußerte sich aber nicht dazu, was an dem Gesetz geändert werden könnte.

Kleidungsvorschriften immer noch in Kraft

Ob eine Auflösung der Sittenpolizei zu großen Reformen führen kann, wird von einigen europäischen Medien bezweifelt. So schrieb die spanische Tageszeitung „El mundo“: „So weit wir wissen, bleiben die Vorschriften von 1983, die eine Bestrafung wegen eines falsch sitzenden Kopftuchs zulassen, noch in Kraft. Und man weiß, dass die Justiz weiter dafür sorgen wird, dass die Vorschriften eingehalten werden.“ Es handle sich um einen „kleinen demokratischen Triumph“, doch der Weg in die Freiheit sei im Iran noch lang.

Die französischsprachige Tageszeitung „Les Dernieres Nouvelles d’Alsace“ schrieb, dass die Ankündigung, die Sittenpolizei aufzulösen, niemanden täuschen könne. „Sie ist ein Trick, ein Sündenbock, der in einigen Wochen oder Monaten wieder unter einem anderen Namen aktiviert wird. Denn die Unterdrückung und Beherrschung der Frau sind Teil des Fundaments des Regimes“, so das Tagesblatt aus Straßburg.

14.000 Verhaftungen seit Protestbeginn

Die Sittenpolizei, die auf den Straßen des Iran seit 2006 unter anderem die Einhaltung der Kopftuchpflicht kontrollierte, wurde unter dem ultrakonservativen Staatschef Mahmud Ahmadinedschad gegründet. Sie sollte „die Kultur des Anstands und des Hidschabs verbreiten“. Ursprünglich sprachen die Sittenpolizisten Warnungen aus, bevor sie vor 15 Jahren anfingen, hart durchzugreifen und Frauen festzunehmen.

Nach Angaben von UNO-Menschenrechtskommissar Volker Türk von vergangener Woche wurden 14.000 Menschen beim Vorgehen der Staatsführung gegen die Proteste festgenommen, darunter auch Kinder. Auch zahlreiche Prominente aus Kunst, Sport und Politik sind von Festnahmen betroffen.