Llaima Vulkan bricht aus
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Apokalypse

Die alte Erzählung vom Weltuntergang

Katastrophenszenarien sind „en vogue“ – und das nicht erst in Zeiten der Klimakrise. Beinahe jede Religion kennt die Erzählung vom Untergang der Welt, die Popkultur ließ sich ebenfalls von der Apokalypse inspirieren. Oft vergessen wird, dass die Geschichte vom Weltuntergang auch eine Geschichte der Hoffnung ist.

„Das Wort Apokalypse stammt aus dem letzten Buch des Neuen Testaments, der Offenbarung des Johannes“, sagt Ulrich Körtner, evangelischer Theologe an der Universität Wien: „Meist wird es in unserer Umgangssprache mit dem Weltuntergang gleichgesetzt.“ Dabei bedeute das aus dem Griechischen stammende Wort „eigentlich gar nicht Weltuntergang, sondern Enthüllung oder Offenbarung“. Von ihr erzählt die Offenbarung des Johannes.

Kaum ein anderer apokalyptischer Text hat eine derart kultur- und bewusstseinsprägende Kraft entfaltet wie dieser, sagt Karin Peter, katholische Theologin an der Universität Wien. Zahlreiche Bildmotive des großen Endzeitdramas wurden in unterschiedlichsten Formen in Literatur, Kunst und Musik aufgegriffen. Der Text erzählt, dass ein Mann namens Johannes das Endzeitgeschehen in einer Vision sieht.

Inspiration für Aktivismus und Kunst

In der Vision werden sieben Siegel einer Buchrolle geöffnet, sieben Posaunen geblasen und sieben Schalen geleert. All das hat furchtbare Folgen für das Leben auf der Erde. Naturkatastrophen treten ein, Krieg, Tod und Hunger ziehen über das Land. Wenig verwunderlich, dass Bilder wie diese heute auch von Klimaaktivisten und Klimaaktivistinnen herangezogen werden.

Eine Greenpeace-Aktivistin verkleidet als einer der vier apokalyptischen Reiter während einer Protestaktion in Kopenhagen.
Reuters/Christian Charisius
Ein Greenpeace-Aktivist verkleidet als einer der vier apokalyptischen Reiter

Um auf die verheerenden Folgen des Klimawandels aufmerksam zu machen, traten 2013 etwa Greenpeace-Aktivisten als apokalyptische Reiter verkleidet bei einer Demonstration in Kopenhagen auf. Der Vergleich zwischen der Apokalypse und aktuellen Folgen der Klimaerwärmung sei verständlich, so Peter: „Denn auch in den biblischen Texten sind es immer auch menschengemachte Krisen, die hierbei in den Blick genommen werden.“ Aufgrund ihrer starken Aussagekraft hätten die Bilder auch Kunst und Kultur inspiriert.

Reiter der Apokalypse in Popkultur

Vor allem in der Popkultur könne man immer wieder auf die vier apokalyptischen Reiter treffen. Metallica besingen sie in ihrem „The Four Horsemen“, sie sind Figuren in Computerspielen wie „World of Warcraft“, aber auch in Serien wie „Supernatural“. In dem Antikriegsfilm „Apocalypse Now“, der 1979 auf dem Filmfestival von Cannes Premiere feierte, wurden die todbringenden Helikopter zu modernen Reitern der Apokalypse. In einer der berühmtesten Szenen greifen US-amerikanische Kriegshubschrauber ein vietnamesisches Dorf an, im Hintergrund ertönt Richard Wagners „Ritt der Walküren“.

Die apokalyptischen Reiter: Holzschnitt von Albrecht Dürer
Albrecht Dürer, Public Domain, via Wikimedia Commons
Die Reiter der Apokalypse in einem Holzschnitt von Albrecht Dürer

In der Bibel, ihrem Ursprungsort, gelten die Reiter der Apokalypse als Vorboten des Weltuntergangs und verkörpern Machtmissbrauch der Obrigkeit, Krieg, Hungersnot, Teuerung, Tod und Pest. Bereits sie würden deutlich zeigen, dass es in der Offenbarung des Johannes trotz aller drastischen Schilderungen nicht einfach um eine Lust am Untergang gehe, sagt Peter: „In erster Linie ist der Blick auf die Gegenwart gerichtet. Man wollte erklären und verdeutlichen, wie die Gegenwart gestrickt ist.“

Zentrales Anliegen: Gesellschaftskritik

Der Verfasser der Offenbarung des Johannes richtete sich an frühchristliche Gemeinden, die von den Römern bedroht und zum Teil verfolgt wurden. Wie Körtner erklärt, versuchte der Verfasser des Textes, sie zu trösten und zum Durchhalten zu motivieren. Die Apokalyptik als Denkbewegung sei im Judentum entstanden, so Körtner:

„Als die Nachfolger Alexanders des Großen, die Seleukiden und die Ptolemäer, Palästina erobert und beherrscht hatten, stellten sich die toragläubigen Juden die Frage, ob Gott sie verlassen hat.“ Die Antwort sei ein klares Nein gewesen und die Aufforderung, am Glauben festzuhalten, so Körtner. Auch die Offenbarung des Johannes zeige: „Apokalyptische Texte stellen die Machtfrage. Und darin liegt eine sozialkritische Funktion.“

Vor diesem Hintergrund gewinne auch die drastische Bildsprache neue Bedeutung, sagt Peter: „Die Texte wählen eine symbolische Ausdrucksweise. Oft wird das Geschehen in einer himmlischen Parallelwelt dargestellt, um zu verdeutlichen, was in der Gegenwart geschieht.“ Ein Phänomen, das sich auch im Koran erkennen lässt, in Form einer Selbstkritik etwa in Sure 74: „Wir waren nicht unter den Betenden, und wir speisten nicht die Armen, und wir schwatzten mit den Schwatzenden.“

Eine Szene aus der letzten Phase der Ragnarök, nachdem die Welt in Brand gesteckt wurde
Public Domain
Eine Szene aus der letzten Phase der Ragnarök, nachdem die Welt in Brand gesteckt wurde

Gerade die ethische Dimension ziehe sich durch die apokalyptischen Texte aller Religionen. Im Gegensatz zu jüdischen, christlichen und islamischen Darstellungen kennt die nordische Mythologie neben dem „ethischen Verfall der Menschheit“ auch einen Verfall der Götterwelt. Geschildert wird ein solcher etwa in Ragnarök, der Erzählung von der Geschichte und dem Untergang der Götter.

Problematische Gewaltdarstellungen

Bereits in ihrer Doktorarbeit hatte Peter zu der Frage geforscht, wie mit Texten umgegangen werden kann, die Gewalt in derart drastischen Formen schildern wie die Offenbarung des Johannes. „Problematisch werde es immer dann, wenn die Texte dazu benutzt werden, Menschen eindeutig in Gruppen zuzuordnen und sie in sute und schlechte zu unterteilen“, so Peter. Das sei nicht nur in der Geschichte passiert, sondern könne in einzelnen Gruppen auch heute noch beobachtet werden.

Sendungshinweis

Wie popkulturelle Darstellungen der Apokalypse klingen und welche Rolle die Apokalypse heute im Christentum spielt, hier zum Nachhören.

Die dualistische Sichtweise apokalyptischer Texte komme aus dem Versuch, „Verborgenes ans Licht zu rücken“, also die Botschaft Jesu zu enthüllen. Dieser Dualismus dürfe aber nicht allzu schnell auf konkrete historische Verhältnisse übertragen werden: „Gerade, wenn Linien so klar gezogen werden zwischen Gut und Böse, ist es problematisch, weil die Wirklichkeit doch mehr Graustufen birgt.“

„Apokalypse ist mehr als Weltuntergang“

Während die Schilderungen der Gewalt und des Untergangs auch heute noch vielfach präsent sind, gehe die Hoffnungsperspektive in der modernen Apokalyptik mitunter verloren. Die moderne Apokalyptik diene dann nur mehr dazu, zu warnen und zur Umkehr aufzurufen. Letztlich hofft man darauf, dass die jetzige Zeit möglichst lange dauert – eine paradoxe Vorstellung aus Sichtweise der biblischen Apokalyptik, so Körtner.

Kirchenfenster: Lamm Gottes und Buch mit den sieben Siegeln
Public Domain
Jesus, durch das Lamm Gottes symbolisiert, und das Buch mit den sieben Siegeln

Denn die biblische Apokalyptik kenne nicht nur eine Zeit des Unheils und eine Phase der katastrophischen Ereignisse, sondern auch eine Zeit des Heils. Auch diese wird in der Offenbarung des Johannes geschildert. Deswegen hofft man gerade auf das, was nach dem Weltuntergang kommt, so Körtner. In apokalyptischen Texten der Bibel gehe es letztlich um einen Neustart, eine Chance für eine bessere, gerechtere und lebenswertere Welt.

„Hoffnung trotz aller Widrigkeiten“

Bezeichnend für das Christentum sei vor allem die Überzeugung, dass das Heil nicht einfach nur in einer fernen Zukunft liege, sondern mit dem Tod und der Auferstehung Jesu Christi jetzt schon begonnen habe, so Körtner. Darin liege ein echtes Potenzial, sagt Peter.

„Texte wie die Offenbarung des Johannes können dazu motivieren, wirklich auf aktuelle Gegebenheiten und ungerechte Situationen schonungslos hinzublicken, auch wenn es einem selbst vielleicht gerade gut geht“, so Peter. Vor allem aber würden apokalyptische Texte zu einer Hoffnung trotz aller widrigen Umstände ermutigen und dazu an einer besseren Zukunft aktiv mitzuwirken.

Mit Apokalyptik gegen die Angst

Körtner zeigt sich zudem davon überzeugt, dass die Apokalyptik ein gutes Mittel sein könne, um Ängste aufzugreifen, „weil sie Ängste ernst nimmt und sprachfähig macht“. Das sei wichtig, seien doch viele Ängste durchaus nachvollziehbar: „Nicht mehr nur die atomare Gefahr mache ein Ende der Welt, wie wir sie kennen, denkbar, auch die Folgen der Klimaveränderung und in einer fernen Zukunft die mögliche Ausdehnung der Sonne.“

Es gebe also keine Garantie, dass die Menschheit überlebt oder die Welt, wie wir sie kennen, Bestand hat. Gerade angesichts dieses Umstandes würden die apokalyptischen Texte der Bibel „Hoffnungsbilder zeichnen, die über das hinausgehen, was man irdisch erhoffen kann“, so Körtner.