Eine kleine Privatuniversität in dem US-Bundesstaat Minnesota mit rund 3.000 Studierenden wurde Gegenstand einer nationalen Kontroverse über die Freiheit der Wissenschaft, Redefreiheit und Islamophobie. Die Professorin Erika Lopez Prater hatte in ihrem Kunstgeschichte-Seminar an der Hamline Universität im vergangenen Semester eine Zeichnung aus dem 14. Jahrhundert gezeigt. Darauf zu sehen ist der Erzengel Gabriel, wie er auf den Propheten Mohammed zeigt und ihm die erste koranische Offenbarung überbringt, wie die New York Times (Onlineausgabe) berichtet.
Die Zeichnung stammt aus einer der ältesten islamischen Geschichtsbücher der Welt, dem „Compendium of Chronicles“, geschrieben von dem Perser Rashid-al-Din (1247–1318). Musliminnen und Muslime glauben, dass der Koran die Worte Allahs enthält, die dem Propheten Mohammed durch den Engel Gabriel diktiert wurden. Im Islam ist jedoch das Verbot, den Propheten darzustellen, weit verbreitet. Nicht der Prophet, sondern Gott soll angebetet werden. Ein weiteres Gemälde, das Prater den Studierenden vorführte, zeigt Mohammed mit einem Schleier.
Zeigen des Bildes angekündigt
Dass die Darstellung Mohammeds für viele Musliminnen und Muslime ein Sakrileg ist, habe auch die Professorin Prater gewusst und daher gewisse Vorsichtsmaßnahmen getroffen, wie die „New York Times“ berichtet. In der Lehrveranstaltungsbeschreibung habe sie angegeben, dass im Seminar Bildnisse von heiligen Figuren gezeigt werden – dezidiert habe sie Mohammed und Buddha erwähnt. Sie habe die Studierenden zudem gebeten, sich an sie zu wenden, wenn sie Bedenken haben. Laut der Professorin habe dies aber niemand getan.
Am Tag, an dem sie das Bild im Onlineunterricht zeigte, kündigte sie einige Minuten davor an, dass die Zeichnung in ein paar Minuten zu sehen sein würde, falls jemand gehen wolle. Niemand habe den Kurs verlassen oder sich negativ geäußert. Doch danach sei eine muslimische Studentin auf Prater zugekommen und habe sich beschwert. Die Studentin beklagte sich bei der Universität, die stark auf Diversität und Inklusion setzt. Sie fühle sich durch diesen Vorfall nicht als Teil der Gemeinschaft, sondern an den Rand gedrängt, marginalisiert.
Islamophobie-Vorwurf
Andere muslimische Studierende der Universität unterstützten den Protest gegen Prater. Das Zeigen der Bilder sei ein Angriff auf ihre Religion gewesen. Die Präsidentin der Universität, Fayneese S. Miller, war eine der Unterzeichnerinnen einer E-Mail, in der erklärt wurde, der Respekt vor muslimischen Studierenden hätte schwerer wiegen müssen als die Freiheit der Lehre.
Der Professorin wurde schließlich mitgeteilt, dass ihre Dienste im nächsten Semester nicht mehr benötigt werden. In der Kommunikation der Universitätsverwaltung mit Studentinnen und Studenten sowie Dozentinnen und Dozenten hieß es, das Vorgehen Praters sei eindeutig islamophob gewesen.

Kritik an Universität
In der akademischen Welt wird kritisiert, dass Prater ihren Lehrauftrag verloren hat. So startete etwa Christiane Gruber, eine Professorin für Islamische Kunst an der Universität von Michigan, eine Petition, in der sie beklagte, dass Prater Unrecht getan wurde und forderte, dass der Vorfall untersucht wird. 7.000 Menschen unterzeichneten die Petition.
In einem Essay für „The Chronicle of Higher Education“ kritisierte Amna Khalid, Professorin für Geschichte am Carleton College in Minnesota und selbst Muslimin, das Vorgehen der Universitätsverwaltung. Die Hamline Universität habe sich den Studierenden gebeugt, die sich beklagt hatten, verletzt worden zu sein, wie die britische Zeitung „Daily Mail“ (Onlineausgabe) am Montag berichtete.
Bilderverbot „extremer Standpunkt“
Als Muslim sei sie darüber aufgebracht, dass man das Zeigen eines Bildes von Mohammed als islamfeindlich bezeichnete. Der Standpunkt, dass Darstellungen des Propheten im Islam verboten sind, sei ein „äußerst extremer“ und „konservativer“ Standpunkt, und die Universität habe sich diesem angeschlossen, anstatt die „reiche Geschichte und Vielfalt des islamischen Denkens“ anzuerkennen.
Die Professorin, die ihren Lehrauftrag verloren hat, hatte das Zeigen der Bilder damit argumentiert, dass sie „die islamische Kunst nicht als etwas Monolithisches darstellen“ wollte. Das Bild aus dem 14. Jahrhundert sei ihr als Studierende auch gezeigt worden.
Studierende sollen sich „respektiert“ fühlen
Die Universität hatte ihr Vorgehen im Dezember in einer schriftlichen Stellungnahme wie folgt erklärt: „Fragen darüber, wie islamische Kunst am besten diskutiert werden kann, wurden von vielen Akademikerinnen und Akademikern aufgeworfen und sind sicher ein Thema, das es wert ist, diskutiert zu werden".
Doch „für jene, von uns, die mit der Verantwortung betraut wurden“, die nächste Generation von Führungskräften und engagierten Bürgerinnen und Bürgern auszubilden, sei es wichtig, „dass sich unsere muslimischen Studierenden sowie alle anderen Studierenden innerhalb und außerhalb des Hörsaals sicher, unterstützt und respektiert fühlen“.