Ein bemaltes Kreuz und ein Bild von Händen, die Bohnen halten, als Dekoration an einer Wand der „Spanish Catholic Center agency“ der  Diözese der „Washington Catholic Charities“
Reuters/Jonathan Ernst
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Rezension

Ex-Caritas-Präsident für „farbenprächtige“ Kirche

In seinem neuen Buch „Zukunft muss nach Besserem schmecken“ plädiert der ehemalige Präsident der Caritas Österreich, Franz Küberl, für ein Christentum, „das sich im Alltag zeigt“. Was das heißt und was eine zukunftsfähige Kirche braucht, erzählt er im Gespräch mit religion.ORF.at.

Küberl war als erster Laie Präsident der Caritas Österreich (1995–-2013) und Direktor der steirischen Teilorganisation (1994–-2016). Wie er im Interview erzählt, ist er davon überzeugt, dass der Glaube und damit auch „das Gehäuse Kirche“ nur dann Sinn hat, „wenn es nach Zukunft schmeckt“. Was das heißt, beschreibt er in seinem neuen Buch. Küberl zufolge steht die römisch-katholische Kirche vor zahlreichen Herausforderungen. Trotzdem ist er optimistisch: „Ich sehe die Kirche der Zukunft ein wenig farbenprächtiger, als sie jetzt ist.“

Es sei wichtig, dass die römisch-katholische Kirche auch Unterschiede zulasse: „Es sind nicht alle Menschen auf der Welt und nicht alle Länder in derselben Verfassung, dass sie alles gleich machen, vielmehr braucht es die lokale Inkulturation.“ Weltweit werde die Kirche darauf achten müssen, dass man diese „unterschiedlichen Geschwindigkeiten zulässt und, dass diese Unterschiedlich-schnell-unterwegs-Seienden im Gespräch miteinander bleiben“.

„Grenzen des Helfens“ anerkennen

Eine zukunftsstiftende Kirche könne laut Küberl nur dann entstehen, wenn man in der Hoffnung und Zuversicht unterwegs ist, dass alles einmal gut werden kann. Dabei gibt Küberl sich keinen Illusionen hin: Retten könne man die Welt nicht. Gerade seine Erfahrungen als Präsident der Caritas Österreich hätten ihm gezeigt, dass es immer wieder auch Situationen gibt, in denen man als Einzelne und Einzelner hilflos ist. Das müsse aber nicht Hoffnungslosigkeit nach sich ziehen.

Der ehemalige Caritas-Präsident Franz Küberl
ORF/Danijel Brazda

Die persönlichen „Grenzen des Helfens“, müsse man aber anerkennen, so Küberl: „weil man nicht alles zusammenbringt, da gehört auch Fairness und Ehrlichkeit dazu und auch Einfühlsamkeit, dass man das in einer richtigen Weise sagt.“ Auch sei es wichtig anzuerkennen, dass Menschen beizustehen auch heißt Verantwortung zu übernehmen, so Küberl: „Und das muss man auch können.“

„Kirche entscheidet sich nicht in Rom“

Gerade weil der und die Einzelne alleine nicht alles schaffen kann, brauche es auch Systeme, die Menschen unterstützen und jenen Andockmöglichkeiten bieten, die helfen wollen und können. Mit Blick auf die Kirche sagt Küberl: „Ich glaube, die spannende Frage ist, ob die Gläubigen nahe genug bei dem sind, wie sich Leben abspielt.“ Seine Erfahrung sei, dass es viele Menschen guten Willens gibt, denen es sehr gut geht: „Die Frage ist, ob sie in der Lage sind zu kapieren, wie es anderen geht, denen es nicht so gut geht, und ob sie den Mut aufbringen, sich auf diese Menschen zuzubewegen.“

Cover von „Zukunft muss nach Besserem schmecken“, ein Buch von Franz Küberl
Tyrolia

Buchhinweis

Franz Küberl: Zukunft muss nach Besserem schmecken. Die Herausforderungen für Kirche und Gesellschaft, Tyrolia, 144 Seiten, 22,00 Euro.

Küberl ist überzeugt, dass es hierfür viele Möglichkeiten gibt: „Da sind dem Einfallsreichtum keine Grenzen gesetzt. Und das halte ich für spielentscheidend. Denn die Kirche entscheidet sich nicht in Rom, sondern sie entscheidet sich an jedem Ort, wo Menschen gläubig unterwegs sind. Und die prägen auch das Bild von der Gläubigkeit und davon, ob es Hoffnung und Zuversicht gibt oder ob das Ganze verstaubt und knöchern wirkt.“

Neue Wege des Aufeinander-Hörens

Wie Küberl schreibt, seien ihm in seiner Zeit als Präsident der Caritas Österreich immer wieder Menschen begegnet, die nicht mehr davon überzeugt waren, dass die Religionen Teil der Lösung großer Weltprobleme seien können. Eine Kritik, die er für durchaus nachvollziehbar hält. Gleichzeitig sei es aber möglich, die römisch-katholische Kirche bedeutend weltoffener auszurichten.

Die römisch-katholische Kirche habe während des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) erstmals festgehalten, dass der Mensch der Weg der Kirche ist und dass jeder Mensch einmalig ist, betont Küberl: „Das ist in dieser Weise bis dahin nicht gesagt worden und Einmaligkeit heißt, dass jede Person auf seine oder ihre Weise eben die Gläubigkeit, wie sie sie verstehen kann, lebt.“ Die römisch-katholische Kirche sollte das ernst nehmen und neue Formen des Gesprächs und der Auseinandersetzung, des Begleitens und des Aufeinander-Hörens entwickeln.

„Ohne Werke ist der Glaube tot“

Für Küberl persönlich ist etwa der Jakobusbrief Motivation, in dem betont wird, dass der Glaube ohne Werke tot ist: „Das hat mich immer auch motiviert und angetrieben. Das ist Teil meines inneren Glaubensverständnisses, dass man in der Art und Weise, wie man lebt, was man tut, was man initiiert, deutlich macht, wofür man steht, wessen Geistes Kind man ist.“ Das Evangelium biete zahlreiche ungemein vielschichtige Anregungen, was man und wie man etwas tun soll, so Küberl.

Sendungshinweis

Warum so mancher „Schützling“ Franz Küberl zum Vorbild wurde, erzählt er auf Ö1 in „Lebenskunst“

Als Beispiel verweist er etwa auf die Gleichnisse, Wunder und Heilungen, die Jesus den biblischen Erzählungen zufolge vollbracht hat. Jesus begegnet Menschen, anerkennt sie und bietet dann sachgerechte Hilfe an, so Küberl: „Es ist ein spannender Dreischritt, denn ohne Kontaktaufnahme, ohne dass man Menschen auf Augenhöhe begegnet, würde Hilfe gar nicht funktionieren.“ Daran könne und solle man sich ein Beispiel nehmen.

Zukunftstugenden der katholischen Kirche

Küberls Motivation für Schwächere einzustehen und gleichzeitig bereit zu sein, von allen Menschen zu lernen, zeigt sich deutlich auch in „Zukunft muss nach Besserem schmecken“. So widmet er sich auch zeitgenössischen gesellschaftlichen Herausforderungen, wie der Digitalisierung und der Globalisierung und fragt in einem abschließenden Kapitel, welche „Zukunftstugenden“ die römisch-katholische Kirche braucht, um zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beitragen zu können. Entscheidend sei neben Barmherzigkeit der Umgang mit Macht und Autorität.

Was Küberls Buch bereichert und es auch für der römisch-katholischen Kirche fernstehende Menschen interessant macht, ist der große Erfahrungsschatz, den er mit den Leserinnen und Lesern teilt. Neben Berichten über weltweite Einsätze und Reisen als Präsident der Caritas Österreich, spricht Küberl auch Zweifel und Perspektiven der Hoffnung an und lädt die Leserinnen und Leser zum Nachdenken über eine bessere Zukunft ein.