Hauptgebäude der Universität Wien im Herbst
ORF.at/Carina Kainz
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Kunstgeschichte

Experte: Mohammed-Bilder im Islam „Tradition“

Die Entlassung einer Kunsthistorikerin wird in den USA derzeit heftig diskutiert. Für Aufregung sorgte ein historisches Bild Mohammeds, das sie in ihrem Kurs gezeigt hatte. Warum das überrascht, erklärt der Kunsthistoriker Markus Ritter von der Universität Wien gegenüber religion.ORF.at.

Im Oktober hatte die US-amerikanische Kunsthistorikerin Erika Lopez Prater eine Zeichnung von Mohammed aus dem 14. Jahrhundert gezeigt. Die Zeichnung stammt aus der „Sammlung von Chroniken“, einem der ältesten mit Illustrationen erhaltenen islamischen Geschichtsbücher. Nach der Beschwerde einer muslimischen Studentin erklärte die Hamline Universität, eine kleine Privatuniversität in St. Paul in Minnesota, dass man Praters Dienste im nächsten Semester nicht mehr brauche. Die ganze Debatte kann Ritter zufolge wohl nur mit Blick auf den US-amerikanischen Kontext verstanden werden.

„Da geraten zwei liberale Konzepte aneinander: Einerseits der Wille zur Redefreiheit über jedwedes Thema und andererseits der Wille, Minoritäten eine Stimme und Respekt zu geben.“ Die Frage, ob historische Darstellungen Mohammeds in Lehrveranstaltungen gezeigt werden dürfen, sei für Ritter neu. Die Vorstellung, dass Mohammed nicht dargestellt und eine Darstellung nicht angesehen werden dürfe, sei nur eine von verschiedenen Positionen innerhalb des Islams: „Selbst sehr konservative Positionen des Islams halten es für zulässig, Mohammed unter bestimmten Bedingungen darzustellen.“

Ritter: „Kunstgeschichte ist nicht Anbetung“

Im Hintergrund der Vorstellung, der Prophet dürfe nicht abgebildet werden, steht die Sorge „um Götzenbilder“, erklärt Ritter. Die kritische Einstellung Bildern gegenüber werde von der Sorge getragen, dass nur Gott angebetet wird und kein Mensch, nicht einmal der Prophet Mohammed. Ritter: „In muslimischen Diskussionen ist das ein Kerngedanke.“

Persische Miniaturmalerei aus dem 16. Jahrhundert: Mohammeds Aufstieg in den Himmel
Public Domain
Persische Miniaturmalerei aus dem 16. Jahrhundert: Mohammeds Aufstieg in den Himmel

Es sei von vornherein klar, dass es in einem akademischen wissenschaftlichen Umfeld und damit eben auch in kunsthistorischen Lehrveranstaltungen nicht um Anbetung geht, so Ritter: „Es geht um die Diskussion darüber, wie Mohammed malerisch dargestellt wird. Welche Vorbilder eine Rolle spielen und wie aus einer muslimischen Sicht mit malerischen Strategien gearbeitet wird, um bestimmte Vorstellungen über Mohammed in der Zeit zum Ausdruck zu bringen.“

Islamische Tradition der Mohammed-Darstellungen

Wie Ritter erklärt, gibt es eine lange islamische Tradition von Mohammed-Darstellungen, die in erhaltenen Handschriften bis ins 13. Jahrhundert zurückreicht. Das Bild, das Prater in ihrem Kurs gezeigt hatte, stelle den Propheten Mohammed etwa mit Gesicht und einer meditativen, aufmerksamen, gesammelten Pose dar. „Es zeigt ihn als Menschen. Und das entspricht einer grundlegenden muslimischen Auffassung, dass Mohammed zunächst einmal ein gewöhnlicher Mensch ist, dem aber durch die Gnade Gottes, Gottes Wort zuteilwurde“, so Ritter.

Die Überzeugung, dass Mohammed als letzter Prophet besonders verehrungswürdig sei, werde mit derartigen Bildern zum Ausdruck gebracht. Andere Darstellungen würden Mohammed etwa mit einer Aureole um den Kopf oder Körper zeigen und damit seine Besonderheit hervorheben, so Ritter. Ab dem 15. Jahrhundert würde Mohammed häufig ohne Gesicht dargestellt: „Das wird dann leer gelassen oder es wird durch einen Gesichtsschleier verdeckt, um der Vorstellung gerecht zu werden, dass man sich nicht festlegen möchte, wie genau Mohammed ausgesehen hat.“

Markus Ritter, Professor für islamische Kunstgeschichte an der Universität Wien
Privat
Markus Ritter ist Professor für islamische Kunstgeschichte an der Universität Wien

Gleichzeitig gebe es eine reiche literarische Tradition von Mohammed-Beschreibungen, in denen er bis ins letzte Detail beschrieben wird, erklärt Ritter. Sowohl literarisch als auch mit Bildern sei innermuslimisch verhandelt worden, wie Mohammed als Prophet und als Mensch darzustellen sei, so der Kunsthistoriker.

Darstellungen im Film

Auch in Spielfilmen habe es immer wieder Versuche gegeben sich diesen Fragen anzunähern. Der von Moustapha Akkad in englischer und arabischer Sprache produzierte Film „Mohammed – Der Gesandte Gottes“ (der arabische Titel ist ar-Risala, dt. „Die Botschaft“) von 1976 zeige etwa weder den Propheten noch seine Frauen oder die ersten Kalifen. Auch seine Stimme sei nicht zu hören, seine Worte würden lediglich durch andere zitiert.

Während dieser Film aus dem arabischen Raum als zulässig galt, sorgte ein anderer für Furore. Der iranische Film „Mohammed“ von 2015 zeigt die Kindheit des Propheten. Auch hier sei das Gesicht des Propheten nie zu sehen, jedoch sein Rücken. Bereits vor seiner Premiere sorgte der Film für Diskussionen. Die renommierte sunnitische Al-Ashar-Universität in Kairo rief schließlich dazu auf, den Film zu verbieten. Gerade die unterschiedliche Bewertung derartiger Darstellungen zeige auch regionale und innerislamische Unterschiede, so Ritter.

„Keine generelle Bilder-Ablehnung im Islam“

Gerade aufgrund der mitunter sehr unterschiedlichen Ansichten, wie mit Bildern umzugehen sei, sei es wichtig zu differenzieren. Ritter sieht es als eine Aufgabe auch der islamischen Kunstgeschichte aufzuzeigen, dass es zwar „eine Abneigung gegen figürliche Darstellungen in bestimmten Zusammenhängen gibt“, dass eine generelle Ablehnung aber keineswegs für die gesamte sogenannte islamische Welt gelte.

„In persisch- und teils türkischsprachigen Regionen hat die Bildkunst historisch einen erheblich größeren Stellenwert, als das über weite Strecken in arabischsprachigen Regionen der Fall war“, so Ritter. Ebenso wichtig sei es Ritter zufolge, über Grundlagen aufzuklären, wie etwa über die Stellung des Korans im Islam. Im Gegensatz zu anderen Heiligen Schriften wie etwa der Bibel gilt er als wörtliche Offenbarung Gottes. „Es ist mir wichtig, in der Lehre darauf hinzuweisen, dass eine Inschrift, die aus dem Koran zitiert, einen so großen Stellenwert aus muslimischer Sicht hat“.

Vielfalt im Islam

Die Reaktion der Universitätsleitung der Hamline Universität sei überraschend. Ritter: „Das Tragische ist, dass ausgerechnet dieser konservativen Position der Vorzug gegeben und eine Debatte darüber unterbunden wurde.“ Auch weil das eigentlich gegen die durch die Religionsfreiheit garantierte Vielfalt der Positionen gehe, die es auch innerhalb des Islams gibt.

In seinen eigenen Lehrveranstaltungen hätte Ritter ähnliche Diskussionen bisher nicht erlebt. Den Vorfall in den USA habe er aber mit seinen Studierenden besprochen. Es sei wichtig, Debatten Raum zu geben. Auch sei er offen für Anfragen. Derartige historische Bilder im universitären Kontext nicht zu zeigen, findet Ritter jedoch falsch: „Solche Bilder sind von Muslimen für Muslime gemacht worden, sie sind Teil der muslimischen Geschichte.“