Vatikan-Archive

Jüdische Bittschreiben an Pius XII. werden erforscht

Ein neues Projekt zur Erforschung jüdischer Bittschreiben an Papst Pius XII. (1939–1958) haben deutsche Wissenschaftler mit Vertretern der katholischen Kirche und der jüdischen Gemeinschaft bei einer Tagung in München gestartet.

Der Kirchenhistoriker Hubert Wolf und sein Team werden in den kommenden zehn Jahren die Bittschreiben von rund 15.000 verfolgten jüdischen Menschen aus ganz Europa während der NS-Zeit an Pius XII. für eine Online-Edition bearbeiten.

Von dem Forschungsprojekt mit dem Titel „Asking the Pope for Help“ erhoffe sie sich Impulse für die Erinnerungskultur, sagte die frühere deutsche Vatikan-Botschafterin Annette Schavan und Vorsitzende der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ bei der Tagung am Montag in München.

„Mit Biografien und Leiden beschäftigen“

„Erinnerung klärt auf und fordert, uns mit den Menschen, die Opfer wurden, mit ihren Biografien und mit ihrem Leiden zu beschäftigen und Verantwortung wahrzunehmen für das, was heute zu tun ist, damit die Würde eines jeden Menschen unantastbar bleibt“, sagte Schavan. Mit mehreren Partnern, darunter dem deutschen Außenministerium, zählt die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ zu den Förderern des Projekts.

Papst Pius XII. bei einer Ansparche auf dem Petersplatz, undatieres Archivbild
APA/AFP/ANSA/STRINGER
Das vatikanische Archiv zum Pontifikat von Pius XII. (1939–1958) wurde geöffnet.

Vor rund drei Jahren hatte der Vatikan sein Archiv zum Pontifikat von Pius XII. (1939–1958) für die Forschung geöffnet. Dabei entdeckte Wolf die Bittbriefe. Der Historiker sprach von einem Paradigmenwechsel. In dem Projekt stehe nicht der Papst im Fokus.

Opfern „wieder eine Stimme geben“

Es gehe darum, „jüdischen Menschen, deren Andenken die Nationalsozialisten auslöschen wollten, wieder eine Stimme zu geben und ihr Schicksal öffentlich sichtbar zu machen“. Erforscht werden solle aber auch, welche Schreiben dem Papst vorgelegt wurden, wie oft der Heilige Stuhl helfen konnte und ob es einen Unterschied zwischen getauften und nicht getauften Juden gab.

Der Trierer Weihbischof Jörg Michael Peters sagte, aus den Briefen spreche Verzweiflung in einer ausweglosen Lage. Mit ihnen hätten die Verfasser die letzte Hoffnung verbunden, doch noch dem Tod zu entkommen.

Diese Perspektive wie die Erforschung von Strukturen geleisteter oder verweigerter Hilfe seien für das Verständnis für Geschichte gleich bedeutsam und auch wichtig für den Kampf gegen Antisemitismus in der Gegenwart. Peters ist in der Deutschen Bischofskonferenz für die religiösen Beziehungen zum Judentum zuständig.