Jerusalem

Erzbischof: Kirchen fehlt Ansprechpartner in Israel

Den Kirchen in Israel mangelt es nach Worten des katholischen Erzbischofs Pierbattista Pizzaballa an einem klaren Status im israelischen Rechtssystem. „Wir haben keinen Ansprechpartner, an den wir uns wenden können“.

Das sagte das Oberhaupt der lateinischen Katholiken im Heiligen Land am Donnerstagabend bei einer Veranstaltung des „Jerusalemer Zentrums für jüdisch-christliche Beziehungen“. Der italienische Franziskaner zeichnete dabei das Bild einer sich zuungunsten der Kirchen verändernden politischen Realität in Jerusalem. De facto gebe es keinen Status quo mehr.

Das für Jerusalem existenzielle Gleichgewicht zwischen den Religionsgemeinschaften existiere nicht mehr. Stattdessen gelte das Recht des Stärkeren. „Wer die Macht hat, entscheidet“, so Pizzaballa laut Katholischer Nachrichten-Agentur (KNA). Die Christen als kleinste Gemeinschaft seien von den Veränderungen am stärksten betroffen.

Kirchen politisch isoliert

Da es trotz langjähriger Verhandlungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Israel bisher nicht zu einem Abkommen gekommen sei, fehle den Kirchen ein klarer juristischer Status, so der Lateinische Patriarch von Jerusalem. Zugleich stünden sie vor neuen Herausforderungen. Dazu gehöre die Tatsache, dass es keinen Respekt der Regierung vor den Kirchen mehr gebe und die Kirchen politisch isoliert seien.

Der lateinische Patriarch von Jerusalem, Pierbattista Pizzaballa
APA/AFP/Hazem Bader
Der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Pierbattista Pizzaballa, ist wegen der politischen Realität in Israel. Das für Jerusalem existenzielle Gleichgewicht zwischen den Religionsgemeinschaften existiere nicht mehr.

Die Kirchen würden wie etwa bei dem umstrittenen Nationalparkprojekt im sogenannten heiligen Altstadtbecken von Jerusalem vor vollendete Tatsachen gestellt, „ohne dass wir je gehört wurden oder jemanden haben, an den wir uns wenden können“, so Pizzaballa.

Spannungen wachsen

Wachsende Spannungen zwischen den Religionsgemeinschaften und anhaltende Übergriffe auf Christen in Form von Spuckattacken, Hass-Graffiti oder Friedhofsschändungen hinterließen bei den Christen ein Gefühl der Frustration und des Vertrauensverlustes. Mit Blick auf die neue israelische Regierung sagte Pizzaballa, es sei zu früh für ein Urteil. Gleichzeitig herrsche Sorge über mögliche Konsequenzen.

Radikale Kräfte im Land könnten sich in Sicherheit und unter dem Schutz von Teilen der Regierung fühlen und die Übergriffe auf Christen fortsetzen. „Von einem politischen Standpunkt aus sehen wir nicht, wie sich die Situation ändern könnte. Wir stehen vor sehr herausfordernden Zeiten“, so Pizzaballa.

Experte kritisch

Einen Wandel in der israelischen Politik gegenüber Christen attestierte auch Amnon Ramon vom „Jerusalem Center for Policy Research“ in seinem Beitrag bei der Veranstaltung. Er verglich Israels Vorgehen bei zwei umstrittenen Immobiliengeschäften, dem Verkauf des ursprünglich französischen Pilgerzentrums Notre-Dame de France des Assumptionisten-Ordens Ende der 1960er-Jahre und dem Verkauf mehrerer Liegenschaften der griechisch-orthodoxen Kirche in und um die Jerusalemer Altstadt.

Im Fall von Notre-Dame habe Israel gegen die Besitzrechte zugunsten der Beziehungen zur christlichen Welt votiert und das Zentrum nach Verhandlungen an den Vatikan zurückgegeben. Bei den griechisch-orthodoxen Liegenschaften hingegen habe der Staat die jüdischen Käufer bei der Übernahme unterstützt. Ramon sah darin eine deutliche Verschlechterung in den Beziehungen Israels zu den Christen und der christlichen Welt. Dabei müsse das eigentliche Interesse Israels eine „Stärkung der vielfältigen christlichen Präsenz in Jerusalem sein“.