Brennende Kerzen mit der Aufschrift „WeRemember“ am Holocaust-Gedenktag 2023
APA/Alex Halada
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Holocaust-Gedenktag

Religionen gedenken der Opfer des Holocaust

Religionsgemeinschaften gedenken am internationalen Holocaust-Gedenktag der Opfer des Nationalsozialismus. Unter ihnen sind die christlichen Kirchen, Zeugen Jehovas und die Israelitische Kultusgemeinde Wien.

„Die Kirche sieht ihre unsagbaren Verstrickungen und ihren Anteil von Schuld am Antisemitismus der Nationalsozialisten“, betonte der Linzer Bischof Manfred Scheuer, in der Österreichischen Bischofskonferenz für den Kontakt zum Judentum und das Gedenken an die Opfer der Nationalsozialisten zuständig, in einer Aussendung am Freitag anlässlich des Internationalen Tags des Gedenkens an die Opfer des Holocaust. "Diese Mitschuld „kann nicht ungeschehen gemacht werden“.

Der internationale Gedenktag am 27. Jänner sei „eine wichtige Erinnerung, da Antisemitismus sowie Hass und Diskriminierung gegen religiöse Minderheiten leider nicht mit dem NS-Regime untergingen“, schrieben die österreichischen Zeugen Jehovas in einer Aussendung anlässlich des Holocaust-Gedenktags.

„Mahnmal“ gegen religiöse Intoleranz

Der Gedenktag stelle ein besonderes Mahnmal gegen diese Art religiöser Intoleranz dar und sollte jeden an die Inschrift des Monuments der KZ-Gedenkstätte Dachau erinnern: „Nie wieder“.

Zeugen Jehovas seien immer politisch neutral und damit objektiv betrachtet für keine Regierung eine Gefahr. Trotzdem würden sie oft Zielscheibe totalitärer Regime, so die Aussendung. „Von den circa 800 Zeugen Jehovas, die 1938 in Österreich lebten, wurden 80 Prozent von den Nationalsozialisten verfolgt, rund 154 kamen zu Tode.“ Jehovas Zeugen lehnen sämtliche politisch motivierten Aktionen ab, darunter auch den „Hitlergruß“ und gerieten ins Visier der Gestapo.

Antisemitismus „leider weiterhin aktuell“

Aktuell bleibe das Übel des Antisemitismus leider weiterhin, schrieb Scheuer: „Als christliche Kirchen warnen wir vor zunehmenden Hassbotschaften – nicht nur im Internet – bzw. Antisemitismus und prangern die Tendenz an, die Ereignisse des Holocaust zu verharmlosen, zu bezweifeln oder gar zu leugnen.“ Verachtung und Hass entwickele sich allmählich, warnte der Bischof, „aus Worten, Stereotypen und Vorurteilen, durch rechtliche Ausgrenzung, Entmenschlichung und Gewalteskalation“.

Historikerin: Wachsender Antisemitismus seit 15 Jahren

Die israelische Historikerin Dina Porat beobachtet seit 15 Jahren ein Wachsen des Antisemitismus, der sich in der jüngeren Vergangenheit zugespitzt habe. Sie lehrt an der Universität Tel Aviv und war viele Jahre lang Chefhistorikerin der Gedenkstätte Jad Vaschem – für die sie jetzt immer noch als Konsulentin tätig ist. Auf Einladung der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) war sie kürzlich in Wien.

Sendungshinweis

„Religion aktuell“, Freitag, 27.1.2023, 18:55 Uhr, Ö1.

In den Jahren seit dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie habe der Antisemitismus deutlich zugenommen. „Man hat sich in vergangenen Jahrhunderten ja auch immer gefragt: woher kommen Krankheiten? Und die Antwort war oft: von den Juden.“

Im Fall von CoV habe die Verschwörungstheorie gelautet: „Jüdinnen und Juden sind verschlagen, klug und geldgierig. Sie bringen ein Virus in Umlauf und entwickeln dann einen Impfstoff dagegen. Auf diese Weise werden sie noch viel reicher, als sie jetzt schon sind“, so Porat im Gespräch mit der Ö1-Sendung „Religion aktuell“.

Scheuer: Verstrickung in Schuldzusammenhänge

„Der Gedenktag an die Opfer der Shoah ist für Christen verbunden mit dem Eingedenken in die Verstrickung in Schuldzusammenhänge des Antisemitismus“, hielt Scheuer fest. Die jahrhundertelang tradierten antijüdischen Stereotypen in der Theologie, vor allem die Anklage des Gottesmordes, hätten bei Christen zu einem Gefühl der Selbstgerechtigkeit und einer Mentalität, die sich vor der notwendigen Solidarität mit den ausgegrenzten und später dem Tod preisgegebenen Opfern des nationalsozialistischen Regimes, beigetragen, so der Bischof.

Die Kirche trage den Antijudaismus als mahnenden Teil ihrer Geschichte mit. Das Aufbrechen dieser Strukturen ist eine bleibende Aufgabe und kann nicht ungeschehen gemacht werden. „Es bleibt: Sie verantwortet dunkle Nacht. Dieser Verantwortung kann sich die Kirche nicht entziehen, kann sich die Gesellschaft nicht entziehen“, so Scheuer.