Wien

Predigtwettbewerb: Pfarrer gegen ChatGPT

Einem besonderen Wettbewerb hat sich der katholische Priester Tom Kruczynski aus der Erzdiözese Wien gestellt: In einem YouTube-Video testet der Pfarrmoderator von Brunn am Gebirge (NÖ) die „Predigtkompetenz“ von ChatGPT .

Darin trägt Kruczynski der Software auf, eine Predigt zum Thema „Seligpreisungen“ zu verfassen. Im Gegenzug liest er eine eigene Predigt in dem Video vor und überlässt abschließend dem Publikum das Urteil über die Qualität beider Texte. „Ich habe mich gefragt, wer predigt besser, Mensch oder Maschine?“, erklärte der Geistliche in einer Aussendung der Erzdiözese am Montag über seine Motivation.

ChatGPT ist aktuell in aller Munde. Das auf Künstlicher Intelligenz (KI) basierende Tool des US-amerikanischen Unternehmen OpenAI hat bereits mehr als 100 Millionen Nutzer. Auf der Basis von einigen Millionen vorhandenen Texten beantwortet das Programm Fragen oder erstellt Texte zu beliebigen Themen.

Ergebnis „erstaunlich“

„Im Klartext heißt das: Du bittest eine Maschine um einen Text oder stellst eine Frage und sie schreibt dir dazu ein Traktat“, erklärte Kruczynski. Berührungsängste mit der neuen Technologie kenne er nicht. Der 48-Jährige arbeitete vor seinem Eintritt ins Wiener Priesterseminar als Software- und Datenbankentwickler. Seit sechs Jahren veröffentlicht er zudem Predigten und kurze Gedankenanstöße auf YouTube.

Das Ergebnis sei „erstaunlich“ gewesen, erzählte Kruczynski, das Programm habe einen „sauberen Predigttext“ erstellt. Ihm gehe es aber nicht darum zu zeigen, dass die künstliche Intelligenz den Prediger ablösen könne, sondern vielmehr darum herauszufinden, was der Mensch mehr zu bieten habe als die Maschine: „Natürlich mache ich das auch, weil mich interessiert, was spricht uns an Predigten an, was macht den Unterschied?“, so der Pfarrer.

Ethische Fragen durch neue Technologie

Die Frage sei, ob eine bloße Ansammlung von Fakten und dessen, was Theologen zu einem bestimmten Thema gesagt haben, genug ist. „Denn, künstliche Intelligenz denkt ja nicht selber, sondern weiß die Texte, mit der man sie gefüttert hat, in neuer, origineller Weise zu verbinden.“ Aber „ist das so anders als das, was wir tun? Das Urteil überlasse ich Ihnen“, so Kruczynski in seinem Video.

Er könne Einwände, Bedenken und Fragen, die die neue technologische Entwicklung auslöse, durchaus verstehen, aber halte es für unvertretbar, das Feld anderen Mitwerbern auf dem „modernen Marktplatz der Weltanschauungen“ zu überlassen. Die Entwicklung werde rasant weitergehen und die Anwendung kritiklos zu übernehmen hält er für problematisch.

Neue Ära in digitaler Kommunikation

Dass mit ChatGPT eine neue Ära in der digitalen Kommunikation begonnen habe, sei aber „offensichtlich“. Damit gingen auch brisante ethische, politische, philosophische und nicht zuletzt theologische Fragen einher. Kruczynski zeigte sich in der Aussendung überzeugt: Um sich kompetent an der unvermeidlichen Diskussion über den „Quantensprung“ in der digitalen Kommunikation und dessen Folgen beteiligen zu können, braucht es Kenntnis und Erfahrung.