Katholisch

Synode in Prag: LGBTQ-Thema entzweit Kirche

Die Kontinentalversammlung zum Synodalen Prozess in Prag hat innerkirchliche Konfliktlinien zum Vorschein gebracht – etwa beim Thema LGBTQ (Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle, Queer). Die erste Phase der Versammlung ging am Donnerstag zu Ende.

Eine differenzierte Zwischenbilanz haben die Österreich-Delegierten die Theologin Regina Polak und der Theologe Markus Welte gezogen. Sie betonten am Mittwoch gegenüber Kathpress, dass nun die unterschiedlichen europäischen Positionen, Wünsche und Erwartungen in ihrer ganzen Bandbreite und Widersprüchlichkeit offen auf dem Tisch lägen, der weitere Prozess nun aber noch weitgehend offen sei.

Insgesamt sei durch die intensive Arbeitsweise in Prag ein „beeindruckendes, aber auch heterogenes und widersprüchliches Bild an unterschiedlichen Vorstellungen zutage getreten“, brachte es etwa Welte auf den Punkt. Viele Teilnehmende habe das überrascht, mitunter auch ratlos gemacht.

Priester mit einer Bibel
Reuters/Ints Kalnins
Römisch-katholische Geistliche in Europa haben sich einer offenen Debatte über die Zukunft der Kirche gestellt

Es sei offensichtlich, „dass die Positionen etwa im Bereich des Umgangs mit LGBTIQ-Menschen unvereinbar miteinander sind“. Daraus ergebe sich ein hoher Gesprächsbedarf in den Delegationen, der phasenweise auch in Sprachlosigkeit münde.

Ost-West-Linien erkennbar

Die Hauptaufgabe in Prag liege wohl darin, so Welte, „diese Spannungen offen zu benennen und gemeinsam auszuhalten“. Grundsätzlich habe er den Eindruck, „dass einander alle Delegationen dabei mit einem hohen Maß an Wertschätzung begegnen, auch wenn die vertretenen Positionen sehr konträr sind“.

Auffällig sei aber auch, dass der Austausch zwischen Delegationen mit ähnlichen Fragestellungen höher sei. Hier zeigten sich deutliche Ost-West-Linien.

Polak: Zu viel Innerkirchliches

Wie Polak ausführte, reiche die Bandbreite der Positionen vom Wunsch nach Veränderungen der kirchlichen Lehre und Strukturen bis zur Ablehnung ebendieser Veränderungen – insbesondere mit Blick auf die neuralgischen Themen Frau in der Kirche, Inklusion von z.B. gleichgeschlechtlichen Partnerschaften oder LGBTIQ-Personen. Ebenso heterogen seien die Vorstellungen bezüglich der Lösungen der offenkundigen Spannungsfelder.

Die Fokussierung auf innerkirchliche Themen führe aber leider dazu, „dass Themen, die die Sendung der Kirche in der Welt betreffen – abgesehen von der Forderung nach Evangelisierung und Mission -, vergleichsweise zu kurz kommen“, bedauerte Polak.

Austausch und Allianzen

Diese Situation sei einerseits bemerkenswert, da diese öffentlich sichtbar werdende Heterogenität für viele in der Kirche Europas offenbar ein Novum sei; zugleich freilich auch „Bedingung der Möglichkeit, in einen substantielleren Austausch zu kommen“. Zugleich führten die damit verbundenen Spannungen auch zu Verunsicherung, Ratlosigkeit, aber auch Allianzenbildung.

Dies tue zwar dem geistlichen Charakter des Prozesses nicht besonders gut, sei aber angesichts der Unklarheit, wie man zu Ergebnissen oder Entscheidungen kommt, eine aus ihrer Sicht logische Folge, so Polak.

Theologische Argumente untergeordnet

So stünden die unterschiedlichen Positionen einander relativ unvermittelt gegenüber. Fazit der Theologin: „Der Prozess ist also offen – mit all den Stimmungen und Verhaltensweisen, die sich mit offenen Prozessen verbinden.“ Generell werde der Wunsch nach einem gemeinsamen Weitergehen breit geäußert, wobei: „In einer Versammlung, die sich immer wieder auf den Heiligen Geist beruft, wären gegenteilige Äußerungen wohl auch nur schwer möglich.“

Persönlich falle ihr zudem auf, „dass nach wie vor für viele unklar ist, wie die Unterscheidung vonstattengehen kann und dass theologische Argumentationen eine marginale bis keine Rolle spielen.“

Noch kein Abschlussdokument

Österreich ist in Prag neben Polak und Welte auch noch mit dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Erzbischof Franz Lackner, und der Innsbrucker Hochschul-Rektorin und Theologin Petra Steinmair-Pösel vertreten. Ausgangspunkt für die mehrtägigen Beratungen ist das Vorbereitungsdokument „Mach den Raum deines Zeltes weit“ (Jes 54,2), das Ende Oktober 2022 vom Vatikan veröffentlicht wurde.

Die erste Phase der Versammlung – an ihr nehmen 200 Personen vor Ort sowie 390 Online-Delegierte teil – ging am Donnerstag mit der Verlesung des Entwurfs für ein Schlussdokument zu Ende. Der 20 Seiten lange Text soll in den kommenden Wochen von einem Redaktionsteam in eine endgültige Form gebracht werden. Bis dahin haben die teilnehmenden 39 Delegationen aus allen Teilen Europas Gelegenheit, Ergänzungs- und Formulierungsvorschläge zu machen.

Entwurf benennt heiße Eisen

In dem vorläufigen Entwurf, der nicht in schriftlicher Form verbreitet wurde, wurden sehr unterschiedliche Beiträge aus mehr als 40 Ländern zusammengetragen. Spannungen zwischen „konservativen“ und „progressiven“ Strömungen werden als solche offen benannt, ebenso die Verletzungen als Folge des Missbrauchsskandals. Enthalten sind auch divergierende Standpunkte zu Themen wie der Weihe von Frauen oder zur Inklusion von Varianten von Liebe und Sexualität, die der kirchlichen Morallehre nicht entsprechen.

Konkrete Vorschläge zur Überwindung dieser Gegensätze werden in dem Text nicht gemacht. Das Papier stellt jedoch weitgehenden Konsens darüber fest, dass die synodale Form des Beratens und Entscheidens in der Kirche weiterentwickelt werden sollte. Von 10. bis 12. Februar tagen die 39 Vorsitzenden aller Bischofskonferenzen in Europa. Sie werden sich mit dem Abschlussdokument befassen und planen dazu eine Stellungnahme.