Adam und Eva, Gemälde von Lucas Cranach dem Älteren aus dem Jahr 1531
Gemeinfrei/Wikipedia
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Deutschland

Kardinal fordert Debatte über katholische Sexuallehre

Der Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx hat eine Debatte über die kirchliche Sexualmoral gefordert. Sexualität sei eine „Gabe Gottes“, sagte Marx am Samstag bei der Eröffnung der Sonderschau „Verdammte Lust! Kirche. Körper. Kunst“ im Diözesanmuseum Freising.

In Theologie, Predigt und Seelsorge sei in der Vergangenheit oft ein negatives Bild menschlicher Sexualität gezeichnet worden: „Sie wurde mit Schuld und Sünde bewehrt, was auch zu Verdrängung und Doppelmoral geführt hat“, sagte der Erzbischof dem Bayerischen Rundfunk.

Die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche habe gezeigt, dass es im Beziehungsfeld von Kirche und Sexualität eine Grundproblematik gebe, sagte der Erzbischof. „Leidenschaft, Lust und Sex gegen Vernunft, Liebe und Moral? Es klingt manchmal ein wenig so, als gebe es entweder ein sündiges, triebgesteuertes und unvernünftiges Leben oder das Ideal der reinen Liebe.“ Diese Vorstellung habe aber wenig mit der Wirklichkeit zu tun, sagte Marx.

Kardinal Reinhard Marx vor Mikrofonen
APA/AFP/Lennart Preiss
Kardinal Reinhard Marx fordert eine Debatte über die katholische Sexualmoral

Ausstellung über Kirche, Körper und Kunst

Bei der Ausstellungseröffnung fügte er hinzu, dass die katholische Lehre über die Sexualität „auch ein katholisches Trauma“ darstelle: „Unser Problem ist nicht das Lehramt, sondern, dass sich das Lehramt übernommen hat in Fragen, die gar nicht da hingehören.“

Bis 29. Mai sind mehr als 150 Kunstwerke zu sehen, von der Antike bis ins frühe 19. Jahrhundert. Vertreten sind Künstler wie Leonardo da Vinci, Tintoretto, Lucas Cranach, aber auch Artemisia Gentileschi und Guido Reni.

Umgang mit Sexualität

Die Ausstellung kann nach Ansicht von Marx zur Auseinandersetzung mit der Frage anregen, „ob diese Gabe Gottes, dieser Raum, der uns geschenkt ist durch die Schöpfung, kreativ, lebensdienlich entfaltet wird, oder zu einer toxischen Wirklichkeit erklärt wird, wo man eigentlich nur noch Fehler machen kann“.

Mit Blick auf das Reformprojekt Synodaler Weg verwies er auf die „große Diskussion darüber, dass ein Text über die Sexualität nicht – noch nicht jedenfalls – die Zweidrittelmehrheit der Bischöfe gefunden hat“. Aber immerhin hätten 60 Prozent einem Text zugestimmt, der vor 20 Jahren niemals überhaupt auf die Tagesordnung der Bischofskonferenz gekommen wäre.

„Thema nicht beendet“

„Das Thema ist nicht beendet, wenn wir meinen, nun haben wir all die Schattenseiten, all das, was im Bereich zu Sexualität und Theologie gesagt wurde, hinter uns gelassen, und nun stehen wir vor dem Zeitalter der befreiten Sexualität“, erklärte der Kardinal weiter. Es werde immer eine Lebensaufgabe bleiben.

Angesichts aktueller Herausforderungen, auch im Zusammenhang mit der Diskussion um Missbrauch, sei es „geradezu notwendig das Thema aufzurufen, nicht nur im intellektuellen Bereich, nicht nur im Rahmen einer moraltheologischen Debatte, sondern auch im Blick auf die Kunstgeschichte“.

„Lebensdienliche Moral“ entwickeln

Auch im Bayerischen Rundfunk forderte Marx am Wochenende eine neue Debatte über die katholische Sexuallehre und sagte wörtlich: „Es ist um der Menschen willen an der Zeit, eine lebensdienliche Moral und Lehre weiterzuentwickeln, die auf der Höhe der gegenwärtigen Debatten die Menschenfreundlichkeit Gottes verkündet.“

Weiter sagte er im BR: „Leidenschaft, Lust und Sex gegen Vernunft, Liebe und Moral? Es klingt manchmal ein wenig so, als gebe es entweder ein sündiges, triebgesteuertes und unvernünftiges Leben oder das Ideal der reinen Liebe.“ Die Gefahr einer derart verengten Perspektive sehe er auch im kirchlichen Kontext. Zu oft werde dort ein negatives Bild menschlicher Sexualität gezeichnet, was auch „zu Verdrängung und Doppelmoral geführt hat“.