Bericht

Vertuschungsvorwürfe gegen späteren Papst Johannes Paul II.

Der verstorbene Papst Johannes Paul II. (bürgerlich Karol Wojtyla) soll einem polnischen Medienbericht zufolge vor seiner Papst-Wahl Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche Polens vertuscht haben.

In seiner Zeit als Kardinal und Bischof von Krakau habe Wojtyla von Pädophiliefällen gewusst, berichtete der Privatsender TVN am Sonntag unter Berufung auf Recherchen des Journalisten Marcin Gutowski.

Dem Bericht zufolge soll Wojtyla Priester seiner Diözese, über deren Taten er informiert war, in andere Gemeinden versetzt haben, um Skandale zu vermeiden. Einer der Priester wurde demnach von dem späteren Papst nach Österreich geschickt. Kardinal Wojtyla habe für ihn ein Empfehlungsschreiben an den Wiener Kardinal Franz König geschrieben, ohne ihn über die Vorwürfe gegen den Priester zu informieren.

Erzdiözese Wien: Keine Anschuldigungen bekannt

Der Wiener Diözesansprecher Michael Prüller bestätigte am Montag gegenüber Kathpress, dass es zu dem betreffenden Priester keinen Hinweis aus Krakau auf Missbrauch gegeben habe. "Wir haben das untersucht, als wir Anfang Jänner dieses Jahres eine Anfrage aus Polen erhielten.

In unseren Akten gibt es auch keine Hinweise auf mögliche Taten während der Zeit in Österreich. Auch bei der Unabhängigen Opferschutzkommission ist keine Anschuldigung gegen ihn bekannt.", so Prüller. Ein polnisches Fernsehteam, das vor wenigen Wochen in jener Pfarre der Erzdiözese Wien recherchiert habe, in der der Priester gewirkt hatte, habe von der Bevölkerung offenbar nichts Negatives über den ehemaligen Pfarrer gehört.

Journalist: Zugang zu Archiven verweigert

Gutowski sprach für seine Recherchen mit Opfern pädophiler Priester, deren Angehörigen und ehemaligen Angestellten der Diözese. Er stützte sich auch auf Dokumente der ehemaligen kommunistischen Geheimpolizei SB und Dokumente der Kirche. Die Diözese Krakau habe ihm allerdings den Zugang zu ihren Archiven verweigert, sagte der Journalist.

Papst Johannes Paul II. 1998
APA/Hans Techt
Karol Wojtyla soll vor seiner Wahl zum Papst von Missbrauch gewusst und ihn vertuscht haben, berichtet ein polnischer Journalist

Die katholische Kirche in Polen hatte sich bereits in der Vergangenheit geweigert, Dokumente herauszugeben – selbst an die Justiz oder an eine öffentliche Kommission, die Missbrauchsfälle untersuchte. Ein Zeuge, der anonym bleiben wollte, bestätigte, er habe Kardinal Wojtyla persönlich von pädophilen Handlungen eines Priesters im Jahr 1973 berichtet. „Wojtyla wollte zuerst sichergehen, dass es sich nicht um Bluff handelt“, sagte der Zeuge. „Er sagte, er würde sich darum kümmern und bat, es nirgendwo zu melden.“

Vorwürfe bereits 2022

Schon Ende 2022 war der niederländische Journalist Ekke Overbeek mit der Feststellung an die Öffentlichkeit gegangen, er habe „felsenfeste Beweise“ dafür gefunden, dass Karol Wojtyla als Erzbischof von Krakau dazu beigetragen habe, Missbrauchsfälle in den Reihen der Kirche zu vertuschen.

In Dokumenten fänden sich Informationen zu konkreten Fällen, in denen Wojtyla wissentlich Missbrauchspriester in andere Diözesen versetzt habe. Selbst verurteilten Tätern sei erlaubt worden, in anderen Diözesen weiterzuarbeiten. Overbeek berief sich auf alte Geheimdienstdokumente, die er bei jahrelangen Nachforschungen in polnischen Archiven entdeckt habe.

Postulator: Anschuldigungen „völlig absurd“

Der frühere Anwalt (Postulator) im Heiligsprechungsprozess von Johannes Paul II. Slawomir Oder hatte daraufhin den früheren Papst gegen den Vorwurf von Missbrauchsvertuschung in Schutz genommen. Johannes Paul II. zu beschuldigen, er habe sexuellen Missbrauch von Kindern begünstigt oder unter den Teppich gekehrt, sei „völlig absurd“ und widerspreche den Tatsachen, sagte Oder im Interview der polnischen katholischen Nachrichtenagentur KAI im Dezember. Der damalige Papst habe nicht geduldet, dass Kindern Leid zugefügt wird.

Kirchenrechtler: Enthüllungen „revolutionär“

Thomas Doyle, ein ehemaliger katholischer Priester aus den USA, nannte die Enthüllungen des Journalisten „revolutionär“ Sie zeigten, „was viele Menschen schon seit Jahren vermutet haben: dass Johannes Paul II. von diesem Problem wusste, bevor er Papst wurde“, sagte der Experte für Kirchenrecht, der als einer der Ersten über Missbrauchsfälle durch katholische Geistliche in den USA berichtet hatte.