Eine Frau und ein Mann sitzen in der Abendsonne nebeneinander am Boden.
dpa/Markus Heine
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Medizinethik

Umstrittene Methode: „Social egg freezing“

„Social egg freezing“ wurde entwickelt, um mit Hilfe eigener eingefrorener Eizellen möglichst lange gute Schwangerschaftschancen zu haben. In Österreich ist diese Methode verboten. Religion.ORF.at hat mit Expertinnen und Patientinnen über die Chancen und Risiken der Methode gesprochen.

Die Möglichkeit reife, unbefruchtete Eizellen einzufrieren, gibt es bereits seit den späten 1990er Jahren. Die Methode heißt „Egg freezing“ und ist nach geltendem Recht in Österreich nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen erlaubt, und zwar nur dann, wenn aufgrund von Krebs oder der Unterleibserkrankung Endometriose damit zu rechnen ist, dass die Eizellreserve verloren geht.

Wenn keine medizinische Indikation vorliegt und Eizellen eingefroren werden, um später auf junge Eizellen zurückgreifen zu können, um die Chance auf eine Schwangerschaft zu erhöhen, spricht man von „Social egg freezing“. Im Gegensatz zu Österreich ist in Ländern wie etwa Tschechien, Deutschland, Spanien, Großbritannien und den USA auch diese Methode erlaubt. Die Nachfrage steigt.

Weniger funktionsfähige Eizellen im Alter

Claudia Bozzaro ist Leiterin der Abteilung Medizinethik am Institut für Experimentelle Medizin der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Wie sie erzählt, sei es heute üblich, dass Frauen zunehmend später schwanger werden: „Man könnte jetzt auf der einen Seite sagen, dass das kein Wunder ist, weil im Schnitt alle älter werden und sich so vielleicht auch die Zeit der Reproduktion nach hinten verschiebt.“ Das Problem sei aber, „dass sich die biologische Grenze der Fortpflanzungsmöglichkeiten nicht auch entsprechend nach hinten verschoben hat.“.

Ein Mitarbeiter zeigt den Arbeitsvorgang beim Einfrieren von Eizellen in einem Forschungszentrum
Reuters/Heo Ran
In Ländern wie Tschechien oder Deutschland ist „Social egg freezing“ erlaubt.

Bis zum 35. Lebensjahr hat eine Frau meist sehr funktionsfähige Eizellen und damit gute Chancen auf eine Schwangerschaft. Danach nimmt sowohl die Quantität als auch die Qualität der Eizellen ab. Gleichzeitig steigt die Gefahr von genetischen Defekten. Hierfür spielt auch das Alter der Männer eine wichtige Rolle. Für viele Frauen sei das angesichts der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ein Problem, sagt Bozzaro: „Denn das biologisch gesehen perfekte Alter, um Kinder zu bekommen fällt in denselben Zeitraum, der in modernen Gesellschaften für Ausbildung und Berufstätigkeit vorgesehen ist.“

Bozzaro: „Frauen geraten noch mehr unter Druck“

Von Frauen würde aber erwartet, dass sie berufstätig sind und Kinder bekommen, so Bozzaro. Zudem seien viele Familien auf zwei Einkommen angewiesen. Die Methode des „Social egg freezing“ sei auch eine Reaktion auf dieses Problem. Die Medizinethikerin sieht die Entwicklung kritisch, denn Methoden wie „Social egg freezing“ könnten langfristig dazu führen, dass Frauen noch mehr unter Druck geraten.

Es könnte von ihnen erwartet oder sogar gefordert werden, dass sie ihre Eizellen in jungen Jahren einfrieren und die Karriere der frühen Familienplanung vorziehen. Wie der britische „Guardian“ bereits am 15. Oktober 2014 berichtete, bieten Firmen wie Apple, Facebook und Google ihren Mitarbeiterinnen den Eingriff bereits aktiv an.

Wie die Medizinethikerin befürchtet, könnte eine solche Entwicklung aber auch den Druck von Gesellschaft und der Politik nehmen: Wozu Rahmenbedingungen ändern oder Unterstützung bereitstellen, wenn Fragen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den Bereich der Medizin verlagert werden können, kritisiert Bozzaro.

Chancen und Risiken

Vor allem stört Bozzaro, dass Frauen oftmals suggeriert werde, „sie würden sich mit dieser Maßnahme eine Art Versicherung erkaufen, dass das Kinderkriegen auch in Zukunft noch möglich sein wird“. Dies sei aber nicht garantiert. Zudem werde zu wenig kommuniziert, dass „Schwangerschaften in älteren Jahren mit mehr Schwangerschaftsrisiken behaftet sind“.

Eine menschliche Eizelle wird am in einem Speziallabor in Deutschland injiziert.
APA/dpa-Zentralbild
Es sei nicht garantiert, dass eine Schwangerschaft mit eingefrorenen Eizellen auch gelingt , so die Medizinethikerin Bozzaro.

Dass das Verbot von „Social egg freezing“ mit den Schwierigkeiten rund um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie begründet wird, sieht Maria Röthlisberger kritisch. Sie ist Ärztin in einer Kinderwunschklinik in Wien und betreut unter anderem auch Patientinnen, die „Social egg freezing“ im Ausland in Anspruch nehmen. Die Probleme rund um Vereinbarkeit von Familie und Beruf würden sich nicht in nächster Zeit lösen lassen, so Röthlisberger: Vielmehr nehmen man Frauen durch das Verbot von „Social egg freezing“ in Österreich „die Möglichkeit einer Vorsorge“.

Röthlisberger: „Karriereplanung ist selten Thema“

Wie Röthlisberger erzählt, gehe es den wenigsten Frauen, die ihr gegenüber den Wunsch nach „Social egg freezing“ äußern, um Fragen der Karriereplanung oder Vereinbarkeit: „Die allermeisten kommen, weil sie derzeit keinen passenden Partner haben.“ Eine Erfahrung, die auch Nicole Raseck teilt. Sie ist Teamleiterin der Patientenbetreuung Deutschland von fertilly, einem Start-up, das Frauen, Männer und Paare zu den Themen Fruchtbarkeit, Kinderwunsch und Familienplanung berät.

„Social egg freezing“ sei für viele einfach „eine Option in der Zukunft“, sagt Raseck: „Das heißt nicht, dass man später die eingefrorenen Eizellen unbedingt braucht.“ In der Regel gehe es den meisten Frauen darum, den Druck zu nehmen und eine Absicherung zu haben. So war es auch bei einer 37-jährigen Patientinnen von fertilly, die aus beruflichen Gründen anonym bleiben möchte.

Optionen offen halten

Wie die 37-jährigen Patientin gegenüber religion.ORF.at erzählt, hätte sie derzeit zwar keinen „unmittelbaren starken Kinderwunsch“, aber auch keinen Partner, mit dem sie einen solchen verwirklichen könnte: „Es ging mir eher darum, Optionen so lange wie möglich offen zu halten.“ Denn ihr sei bewusst, dass es in ein paar Jahren eventuell zu spät sein könnte.

Eine andere Patientin erzählt, dass für sie eine familiäre Veranlagung bei der die Wechseljahre frühzeitig einsetzen, ausschlaggebend war, ihre Eizellen einfrieren zu lassen. Die Veranlagung sei zwar bei ihr selbst nicht festgestellt worden, dennoch wollte sie sicher gehen: „Weil ich nicht einschätzen kann, wie sich bei mir das Ganze entwickeln könnte.“ Mehr Aufklärung hätte sie sich etwa mit Blick auf die Kosten gewünscht, denn diese trägt auch in Deutschland jede Patientin ohne medizinische Indikation selbst.

„Großer Bedarf an Aufklärung“

Wie Raseck erzählt, liegt der Gründung des Start-ups fertilly auch die Erfahrung zugrunde, dass es rund um das Thema der Fruchtbarkeit zum Teil große Wissenslücken gibt: „Was wir immer wieder beobachten ist, dass die Themen Unfruchtbarkeit und Fruchtbarkeit häufig als Frauenthemen angesehen werden und dass wenig über Männer gesprochen wird.“ Dabei betreffe es Männer ebenso.

Dass es dringend mehr Aufklärung rund um die Themen Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit braucht, betont auch Röthlisberger: „Viele Frauen wissen leider sehr wenig über ihren eigenen Körper und ihren Zyklus.“ Gerade die Berichterstattung über Stars, die sehr spät Eltern werden, würde dazu beitragen, dass Männer und Frauen glauben, dass man Kinder problemlos in jedem Alter bekommen könne. Mehr Aufklärung könnte hier vor bösen Überraschungen und Irrtümern schützen: Eine regelmäßige Periode sage so etwa, entgegen der häufigen Annahme, nichts über die Fruchtbarkeit aus.

Tabuthema: Unerfüllter Kinderwunsch

Aufklärungsbedarf sieht Röthlisberger aber auch in der Gesellschaft. Viele Paare würden der eigenen Familie und im Verwandtenkreis auf keinen Fall erzählen wollen, dass sie Hilfe in einer Kinderwunschklinik angenommen hätten. Zu groß seien die Vorbehalte und die Angst verurteilt zu werden: „Ich glaube, dass es sehr wichtig wäre, wenn Themen wie Fehlgeburten und ein unerfüllter Kinderwunsch enttabuisiert würden. Viele der Patientinnen haben sowieso einen extrem hohen Leidensdruck und der vergrößert sich, wenn man Sachen in seinem Leben verheimlichen muss.“

Die 37-jährige Interviewpartnerin hat sich ganz bewusst dazu entschieden, zumindest in ihrem Freundeskreis zu erzählen, dass sie „Social egg freezing“ in Anspruch genommen hat, weil sie die Tabuisierung des Themas ablehnt. Auch die zweite Patientin, die für ein Interview zur Verfügung steht, erzählt von Vorbehalten. Sie verstehe sie, teile sie aber nicht, denn negativen Folgen könnte durch rechtliche Regelungen vorgebeugt werden. Gefordert seien ihrer Meinung nach also Politik und Ethikkommissionen.