Die Witwe des von den Nazis hingerichteten und später seliggesprochenen NS-Wehrdienstverweigerers Franz Jägerstätter, Franziska, mit einem Foto ihres Mannes
APA/Petschenig/Picturenews.at
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Zehnter Todestag

Gedenken an Franziska und Franz Jägerstätter

Am Donnerstag ist ihr zehnter Todestag, am 4. März hätte sie ihren 110. Geburtstag gefeiert: Franziska Jägerstätter, Witwe des von den Nationalsozialisten ermordeten Märtyrers Franz Jägerstätter (1907–1943).

Die Innviertler Bauerntochter und ihr von der katholischen Kirche seit 2007 als Seliger verehrter Mann beschäftigen weiterhin Historiker und gläubige Katholikinnen und Katholiken, und sie bleiben auch Impulsgeber für Völkerverständigung und Friedensaktivismus – erst recht angesichts eines erneut angebrochenen Krieges in Europa.

Das sagte Jägerstätter-Biografin Erna Putz am Dienstag im Interview mit der Nachrichtenagentur Kathpress. Vieles aus der „Friedensbotschaft“ des Paares gelte es noch zu entdecken und für die Gegenwart fruchtbar zu machen, so die Expertin.

„Für die Würde der menschlichen Person“

Franz Jägerstätter habe „sein Leben hingegeben in hochherziger Selbstverleugnung, mit aufrichtigem Gewissen in Treue zum Evangelium und für die Würde der menschlichen Person“: Gerade der letzte Teil dieser Aussage, mit der Papst Benedikt XVI. einst die Seligsprechung begründet hatte, sei noch viel zu wenig wahrgenommen, verstanden und theologisch aufgearbeitet worden, so Putz.

Franziska Jägerstätter bei der Übergabe der Reliquie ihres Mannes an den Linzer Bischof Ludwig Schwarz am Freitag, 26. Oktober 2007,  Seligsprechung von Franz Jägerstätter in Linz
APA/Herrmann Wakolbinger
Franziska Jägerstätter bei der Übergabe der Reliquie ihres Mannes an den Linzer Bischof Ludwig Schwarz, Freitag, 26. Oktober 2007, Seligsprechung von Franz Jägerstätter in Linz

„Wir kommen heute etwa im Umweltbereich langsam zu Erkenntnissen und ächten Sklaverei, nehmen aber Krieg und das gegenseitige Umbringen junger Männer weiter einfach hin. Jägerstätter und seine Verweigerung des eigenen Anteils am Unrecht gäbe den Überlegungen, was in der heute allgemeinen Ratlosigkeit über einen ungerechten Krieg die Verpflichtung eines Christen ist, ein wichtiges Koordinatensystem.“

Film machte Jägerstätters bekannt

Erst allmählich werde über den deutsch- und englischsprachigen Bereich hinaus das Schicksal von Franz Jägerstätter, der vom NS-Regime wegen seiner Verweigerung des Kriegsdienstes zum Tod verurteilt und enthauptet wurde, bekannt, erklärte Putz.

Das 2019 erschienene Filmdrama „A Hidden Life“ (dt. „Ein verborgenes Leben“) von Terrence Malik habe dazu beigetragen, wie auch die Übersetzung der Jägerstätter-Biografien und -Briefe, inzwischen auch auf Englisch, Italienisch, Französisch, Spanisch und in mehrere slawischen Sprachen. Von „großem Interesse“ berichtete die oberösterreichische Historikerin von einem kürzlichen Vortrag in Böhmen: „Die Menschen haben gestaunt über Jägerstätter, da sie zuvor geglaubt haben, alle Österreicher seien Nazis gewesen.“

Aus Schatten ihres Mannes hervorgetreten

Einen speziellen Fokus auf Franziska Jägerstätter gab es jüngst im Linzer „Haus der Frau“, wo die Diözese Linz in Kooperation mit dem Jägerstätter-Institut der Gattin des Seligen zum 110. Geburtstag gedachte. Putz war auch hier als Referentin geladen und sprach über wichtige Beziehungen, die Franziska Jägerstätter – mit der sie selbst jahrzehntelange Freundschaft verband – weltweit pflegte.

Die Witwe, die in ihrem Heimatort St. Radegund aufgrund der Verteidigung ihres Mannes lange Ablehnung und Spott ausgesetzt war, erhielt durch Briefe von Menschen, die ein ähnliches Schicksal erfahren hatten, wichtige Unterstützung. Bis ins hohe Alter reiste sie zudem zu Gedenkprojekten und -initiativen, womit sie zu einem Wandel in der lange von Kritik geprägten Jägerstätter-Rezeption beitrug.

Digitalisierung in „Franz und Franziska Jägerstätter Institut“

In dem 2017 gegründeten Linzer „Franz und Franziska Jägerstätter Institut“ werde derzeit an der Fertigstellung der digitalen Jägerstätter-Edition gearbeitet, teilte Institutsleiter Andreas Schmoller auf Kathpress-Anfrage mit. Deren öffentliche Präsentation ist für den 1. Juni geplant.

Die Onlineedition soll die bisher vollständigste Sammlung von Jägerstätter-Originalschriften enthalten, darunter Franziskas Briefe an ihren Mann Franz sowie Briefe von und an Franziska aus der Zeit gleich nach Jägerstätters Tod. Auch ein Brief vom 25. Februar 1936 – kurz nach dem Vorstellen der Familie in St. Radegund, ehe am 9. April 1936 die Hochzeit war – wird erstmals dabei sein, sowie Biografien des Paares sowie zentraler Briefpartner.

Witwe als „Hüterin der Erinnerung“

Was Franziska Jägerstätter betrifft, beleuchtet in der Edition die am Institut wirkende Historikerin Verena Lorber deren Rolle als „Hüterin der Erinnerung an ihren Mann“. Diese Aufgabe gelte es nicht zu unterschätzen: Im Lauf der Zeit seien Menschen zunehmend nicht nur von ihrem seliggesprochenen Mann, sondern auch durch Franziska ermutigt und inspiriert worden, würdigte Putz die Rolle der vor zehn Jahren Verstorbenen. „Sie wurde mit der Zeit fast genauso wichtig wie er.“

Stütze für Gewissensentscheidung

Franziska Jägerstätter wurde am 4. März 1913 in Hochburg (Oberösterreich) in eine große Bauernfamilie geboren. Am Gründonnerstag 1936 heiratete sie Franz Jägerstätter, 1937, 1938 und 1940 kamen die Töchter Rosalia, Maria und Aloisia zur Welt.

Als Franz ein zweites Mal zur Wehrmacht einrücken sollte und er der Einberufung nicht folgen wollte, erklärte Franziska auf die Frage, warum ihr Mann nicht wieder in den Krieg gezogen sei: „Weil sie (die Nationalsozialisten) die Kirche so verfolgt haben.“ Sie stellte sich trotz des absehbaren tödlichen Ausgangs nicht gegen die Gewissensentscheidung ihres Mannes. Nach dem Todesurteil und einer kurzen Verabschiedung der Eheleute im Reichskriegsgericht Berlin wurde Franz Jägerstätter am 9. August 1943 hingerichtet.

Seligsprechung am 26. Oktober 2007

Nach dem Krieg setzte Franziska Jägerstätter die Arbeit am Bauernhof mit Hilfe ihres Vaters und ihrer Schwester fort. Sie war laut Putz „der apostolischste Mensch“ – über 30 Jahre lang Mesnerin an der Pfarrkirche St. Radegund, Lektorin, Kommunionspenderin sowie Leiterin der pfarrlichen Katholischen Frauenbewegung. Das Todesurteil gegen Franz Jägerstätter wurde erst 1997, 54 Jahre nach seiner Hinrichtung, aufgehoben, zeitgleich zur Eröffnung des Seligsprechungsprozesses.

Nach der offiziellen Bestätigung des Martyriums durch den Vatikan folgte die Seligsprechung am 26. Oktober 2007 im Linzer Mariendom, bei deren Festgottesdienst Franziska eine Reliquie ihres Mannes zum Altar trug. 2008 begegnete die von Kirche, Land Oberösterreich und der Republik Österreich mehrfach Ausgezeichnete in Rom Papst Benedikt und hatte auch dessen Vorgänger Johannes Paul II. getroffen. Bei ihrem Tod nur Tage nach ihrem 100. Geburtstag hinterließ Franziska Jägerstätter 14 Enkel und 17 Urenkel.