Vögel fliegen neben einem Kirchturm mit Uhr
APA/dpa/Nicolas Armer
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Welt-Atheisten-Tag

Atheisten fordern Debatte über Kirchenprivilegien

Am Donnerstag begehen Atheistinnen und Atheisten den Welt-Atheisten-Tag. Anlässlich dessen fordern österreichische atheistische Vereine „eine offene Debatte“ über Privilegien von in Österreich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften.

Erstmals formulierten die fast 20 atheistischen Vereine eine gemeinsame Erklärung. In dem religion.ORF.at vorliegenden Dokument orten sie unter anderem einen „systemimmanenten Einfluss der Kirchen auf Bildungswesen und Politik“. Als Beispiel nennen sie die Sonderregelungen für Religionsgemeinschaften während der Coronavirus-Pandemie. Außerdem hätten die 16 in Österreich staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften ein Recht auf „Sendezeiten“ im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Ein Recht gibt es zwar nicht, allerdings ist der ORF verpflichtet, die Bedeutung der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften „angemessen“ zu berücksichtigen.

Während der Coronavirus-Lockdowns galten für die Religionsgemeinschaften andere Regelungen als beispielsweise für kulturelle Veranstaltungen – was vielfach kritisiert wurde. Begründet wurde das von der Regierung mit dem Grundrecht auf Religionsfreiheit. Der Verfassungsgerichtshof beurteilte die Sonderregelungen im August 2022 als gleichheitswidrig. Zum Atheisten-Tag am 23. März machen die Vereine darauf aufmerksam, dass die Religionsfreiheit auch für Nichtglaubende gilt.

Humanistische Werte statt religiöser Traditionen

Der Welt-Atheisten-Tag (World Atheist Day) geht auf eine Initiative der internationalen Facebook-Organisation „Atheist Republic“ zurück und wird heuer zum fünften Mal begangen. Der Tag soll die Chancengleichheit jener stärken „die übernatürliche Welterklärungen in Zweifel ziehen und religiöse Traditionen durch humanistische Werte ersetzen“, schreiben die Vereine. Atheistische Menschen sollen ermutigt werden, sich zu outen und es wird auf die Verfolgung von Atheistinnen und Atheisten aufgrund ihres Nichtglaubens aufmerksam gemacht.

Hinweis

Atheismus (griechisch: „ohne Gott“) bezeichnet die Überzeugung, dass es keine Gottheiten gibt.

Der Atheismus-Tag sei ein Anlass, „in der Familie und in den sozialen Medien über alte Dogmen und neue Vernunft zu sprechen“, so die Vereine. Darunter sind unter anderen der Humanistische Verband Österreich, die Allianz für Humanismus und Atheismus, die Säkulare Flüchtlingshilfe, der Freidenkerbund, die Initiative Religion ist Privatsache und der Zentralrat der Konfessionsfreien, in dem in Zukunft mehrere Vereine zusammengefasst werden sollen.

Menschenrecht Religionsfreiheit

Gegenüber religion.ORF.at erinnert der Humanistische Verband Österreich an Artikel 18 der 1948 von der UNO-Generalversammlung beschlossenen Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, wonach jeder Mensch Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit hat.

„Dieses Recht umfasst die Freiheit, seine Religion oder seine Überzeugung zu wechseln, sowie die Freiheit, seine Religion oder seine Überzeugung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, in der Öffentlichkeit oder privat, durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Vollziehung von Riten zu bekunden“, so die Menschenrechtserklärung.

Kein „Atheismus-Papst“

Nach katholischen Gläubigen sind Konfessionslose die zweitgrößte Gruppe in Österreich. Einige von ihnen organisieren sich hierzulande in insgesamt etwa 20 atheistischen Vereinen. Sie verstehen sich „als Skeptiker, Naturalisten oder Realisten, manche verwerfen kategorisch alle Heilsversprechen und Höllenmärchen; andere warten agnostisch-diplomatisch – quasi mit Engelsgeduld – auf den überfälligen Gottesbeweis“, wie es in der Erklärung der Vereine heißt.

In ihrer Vielfältigkeit sehen sie eine ihrer Stärken. Es sei keine Doktrin zu befolgen und keine Gesinnung vorgeschrieben – ein „Atheismus-Papst“ sei undenkbar. Daher ist die Zahl der atheistischen Vereine für ein kleines Land wie Österreich recht hoch.

„Zwischenmenschlicher und politischer Aktivismus“

Mit dem „bunten Spektrum an Philosophien“ engagieren sich die atheistischen Vereine für den Schutz der Menschenrechte in Theokratien und stehen für soziale Gerechtigkeit unabhängig vom Glauben, wie sie schreiben. Darüber hinaus würden sie Feminismus und LGBTQ-Gleichstellung (lesbisch, schwul, bisexuell, transgeschlechtlich und queer) unterstützen sowie für Umweltbewusstsein und globale Kooperation eintreten.

Durch die Vielfältigkeit entstehe „zwischenmenschlicher und politischer Aktivismus“, so die Erklärung. Auf akademischer Ebene werde „ethisches Verhalten diskutiert, kritische Vernunft eingemahnt und für menschliche Verantwortung plädiert“.

Säkulare Flüchtlingshilfe

Die Atheistische Religionsgesellschaft in Österreich (ARG), die wegen ihres Bestrebens, als religiöse Bekenntnisgemeinschaft anerkannt zu werden, nicht Teil des Zusammenschlusses der atheistischen Vereine ist, weist in einer eigenen Aussendung zum Welt-Atheisten-Tag auf die strengen Strafen – bis hin zur Todesstrafe – hin, die in einigen islamisch geprägten Staaten für den Abfall vom Islam und für das Bewerben von Atheismus drohen. Man wolle daher Atheistinnen und Atheisten „ermutigen, sich für eine faire Gleichberechtigung aller Menschen einzusetzen“, so die ARG.

Menschen, die wegen ihres Glaubens aus ihren Heimatländern flüchten müssen, erhalten in Österreich Unterstützung bei der Säkularen Flüchtlingshilfe. In deren Statuten heißt es: „Atheistische Flüchtlinge stellen unter den bei uns Zuflucht suchenden Menschen eine besondere Gruppe dar. Es sind überwiegend sehr engagierte, politisch denkende Menschen, die sich gegen die dogmatische Ideologie der vorherrschenden Religion ihrer Heimatländer auflehnen.“