Eine junge Frau sitzt an einem Strand mit gefalteten Händen und Buch am Schoß
Pixabay/Pexels
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Pfingsten

Was Menschen tun, die glauben

Man muss nicht gläubig sein, um etwas zu tun, aber wer glaubt, tut es vielleicht aus einem anderen Grund. Zum christlichen Pfingstfest sprechen Theologinnen und Theologen mit religion.ORF.at über Glauben, Vertrauen und Wissen und was daraus folgt.

„Wer glaubt, lebt aus der Gewissheit heraus, dass das Leben einen Grund hat, den wir nicht sehen können, der aber doch real ist“, sagt der evangelische Theologe Ulrich Körtner. „Und das christliche Wort für diesen transzendenten Grund ist Gott.“

Nicht alle Religionen verwenden den Begriff „Glaube“. Im Buddhismus spricht man lieber von „Erkenntnis“. Und das griechische Wort „pistis“, das im Neuen Testament der christlichen Bibel verwendet wird, kann genauso gut „Vertrauen“ bedeuten. Vertrauen sei in vielen Bereichen unentbehrlich, so Körtner: Zum Beispiel, wenn man in ein Flugzeug steigt: „Auch das ist eine ‚Glaubenssache‘, insofern, als man der ganzen Technik vertraut und letztlich auch dem Piloten, der Pilotin, den oder die man gar nicht sieht.“

Glauben und Wissen auf unterschiedlichen Ebenen

Aus dieser Perspektive kann Körtner auch einer alten und weitverbreiteten „Schulweisheit“ einiges abgewinnen: „‚Glauben‘ heißt tatsächlich ‚nicht Wissen‘ – denn Glauben und Wissen sind auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelt“. Dabei ist selbst die Wissenschaft, so Körtner, nicht frei von „Glaubensphänomenen“: „Jede Theorie hat bestimmte Grundannahmen, für die so etwas wie unmittelbare Evidenz in Anspruch genommen wird. Und auf das muss man letztlich dann auch sein Vertrauen setzen.“

Umgekehrt gehört zum Glauben auch ein gewisses, theologisches Fachwissen – im Christentum zum Beispiel das komplexe Konzept der „Dreieinigkeit“ betreffend. Für Körtner steht aber etwas anderes im Vordergrund – nämlich „ein Bewusstsein für etwas, das größer ist als ich“.

Im Einsatz für eine „bessere Welt“

„Was tut ein Mensch, der an Gott glaubt?“- diese Frage ist zumindest zweideutig: Sie kann auf den Glaubensakt selbst abzielen, aber auch auf die praktischen Konsequenzen, wenn ein Mensch auf einen transzendenten Grund des Lebens vertraut. Viele Christinnen und Christen setzen sich aus ihrem Glauben heraus für eine „bessere Welt“ ein – wobei die Vorstellungen, was das bedeutet, in der Praxis weit auseinandergehen können.

So sind christliche Gläubige beispielsweise in praktisch allen politischen Parteien und Bewegungen zu finden. Der Einsatz für Arme oder Benachteiligte im Sinne einer tätigen Nächstenliebe ist allerdings weitgehend unumstritten. Die einen gründen in diesem Sinne eine „Suppenküche“ oder eine „Wärmestube“ – die anderen gehen in die Politik, um die Probleme an der Wurzel packen zu können. Und manche würden sagen: Die Wirtschaft muss florieren – dann löst sich das Problem mit der Armut von selbst.

Genauso weit gehen die gesellschaftspolitischen Vorstellungen auseinander: Viele Christinnen und Christen verteidigen zum Beispiel die Ehe als Bund von Mann und Frau und die so genannte Kernfamilie. Andere engagieren sich aus einer ebenso gläubigen Überzeugung für die Rechte von LGBTQ+-Personen.

Pfingsten als Start für Missionsauftrag

Zu Pfingsten, am „Geburtsfest“ der Kirche, zeigt sich zuerst die Transzendenz: Der Heilige Geist, so der biblische Bericht, kommt auf die Jüngerinnen und Jünger des Jesus aus Nazareth herab – und plötzlich können sie alle Menschen in ihrer je eigenen Sprache verstehen.

Das „Sprachenwunder“ hat dann aber praktische Konsequenzen. Die Jüngerinnen und Jünger beginnen den Glauben an den Auferstandenen in alle Welt hinauszutragen – eine Bewegung, die in der vielfältigen Gestalt der christlichen Kirchen bis heute andauert. Mit dem christlichen Glauben ist also von Anfang ein Missionsauftrag verbunden. Wer glaubt, will andere für den Glauben gewinnen. Damit beginnt schon zu Pfingsten die Schuldgeschichte des Christentums, denn der Glaube wurde allzu oft auch mit Gewalt verbreitet.

Mission heute

Ein modernes Verständnis von Mission beruht hingegen auf Austausch und Dialog, betont die Politologin Anja Appel: „Das heißt: Nicht dem anderen etwas aufdrücken, sondern mit jemandem anderen eine Erfahrung teilen.“ Als Ziel nennt die Leiterin der Koordinierungsstelle der katholischen Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission: „Die Menschen sollen alle in Würde leben und sich entfalten dürfen. Nicht nur spirituell, sondern auch was ihr praktisches Leben angeht.“

Der Glaube hat nach christlichem Verständnis also konkrete Konsequenzen. Wer glaubt, tut also tatsächlich etwas. Der Glaube an Gott setzt aber den Glauben an die Existenz Gottes voraus. „Ja, ich muss mit Gott rechnen“, sagt die katholische Theologin Veronika Prüller-Jagenteufel.

Beziehungspflege

Der Mensch könne dann bewusst Ja zum Glauben, zur Beziehung zu Gott, sagen – wie in einer Ehe, betont Prüller-Jagenteufel: „Da muss ich mich auch einmal dafür entscheiden, mit diesem Menschen mein Leben zu teilen.“ Diese Beziehung zu Gott sollte wie eine Ehe gepflegt werden – „sonst wird sie nicht halten“, so die Theologin: „Manche machen Achtsamkeitsübungen oder meditieren. Andere gehen in christliche Gottesdienste oder lesen in der Bibel.“

„Ein Christ, der glaubt, ist einer, der betet“, sagt Thomas Mark Nemeth, Professor für die Theologie des christlichen Ostens an der Universität Wien. Es gehe schlicht darum, „sich in die Gegenwart Gottes zu begeben und sich ihrer bewusst zu werden“.

Gebet als Bitte, Dank, Lob oder Anklage

Das Gebet kann dabei, so Nemeth, ganz unterschiedliche Formen annehmen: Bitte, Dank, Lob oder auch Anklage: „Wenn wir jetzt in die Ukraine schauen, mitten im Krieg, dann dürfen wir uns auch die Fluchpsalmen aus der Bibel zu eigen machen.“ Der Glaube an Gott kann „letzten Halt“ im Leben bieten, sagt Prüller-Jagenteufel. „Und das bewirkt, dass Menschen sich sozial einsetzen, sich auf andere Menschen einlassen, kurz: Liebe in die Welt bringen.“

Das sei auch der Maßstab für das Gottesbild, betont Prüller-Jagenteufel:. „Wenn die Beziehung zu Gott nicht frei und froh und liebevoll macht, dann stimmt irgendetwas nicht. Dann lohnt es sich, weiter zu suchen und zu sagen: Vielleicht war das noch nicht Gott.“

„Quelle des Glaubens“ nicht für alle

Die Theologin will aber niemandem ein „Defizit“ unterstellen: „Es gibt großartige Menschen, die Großartiges getan haben und tun, und die – sagen wir einmal – diese ‚Quelle des Glaubens‘ nicht nutzen. Vielleicht tut jemand, der glaubt, gar nicht so viel anderes als andere Menschen, die nicht glauben. Aber vielleicht tut er oder sie es aus einer größeren Geborgenheit heraus, die man durch die Beziehung zu Gott haben kann.“